Die Aufklärung hatte sich zum Ziel gesetzt, die Welt vom Verstand her zu erklären.

Es war ein gewaltiges Unterfangen, das bis in die heutige Zeit hineinreicht: Menschen taten sich zusammen, um die Ordnung der Welt zu erforschen, allein mit Vernunft. Allein mit dem, was erfahrbar ist. Wie beim Turmbau von Babel war das Ziel, etwas grossartiges zu bauen. Die Prämisse: “Was können wir erreichen, wenn wir alles Wissen zusammenlegen, wenn wir gemeinsam forschen, zusammen experimentieren und erfinden?”.

Eine tolle Idee. Eigentlich. Die Vision einer grossartigen Zukunft. Wenn da nicht dieser Vers wäre:

Verlass dich auf den Herrn von ganzem Herzen, und verlass dich nicht auf deinen Verstand.

Man kann daher die Aufklärung als ein Experiment ansehen: Was passiert, wenn man diesen Vers konsequent missachtet? Wie wird ein Turm aussehen, dessen Fundament nicht Gottesfurcht, sondern Verstand ist?

Am Anfang sah es noch gut aus: Enzyklopädien wurden geschrieben, physikalische Gesetze aufgestellt, grossartige Erfindungen wie die Elektrizität, Auto und Telefon brachten Wohlstand.

Dann wurde der Turm seltsamer. Alles wurde in das eine System gepfercht, alles vom Verstand her zu erklären. Zu Anfang wurde Gott noch als gegeben betrachtet, später musste auch Gott vom Verstand her erklärt werden. Die Evolutions-Theorie wurde aufgestellt. Gott wurde wegerklärt.

Wie ich im Beitrag über Systeme “Die Marmorsäule und der romantische Felsblock“ beschrieb, haben Systeme einen guten Kern, doch wenn man sie zu weit treibt, dann nehmen sie solch monströse und absurde Auswüchse an, die eigentlich niemand mehr ernst nehmen kann.

Der Atheismus ist ein solcher Auswuchs. Ich verstehe noch immer nicht, wie jemand ernsthaft und konsequent daran glauben kann. Ich finde ihn höchst seltsam, denn er erklärt nichts, sondern lässt bloss alles als sinnlos erscheinen.

Wie Atheismus in aller Konsequenz aussieht, erklärt die folgende Geschichte. Einer meiner atheistischen Freunde hat sie mir erzählt. Ich dachte, sie stamme ursprünglich von Richard Dawkins, konnte aber das Zitat im Internet nicht finden. Ist auch egal. Die Geschichte ist höchstwahrscheinlich erfunden, taugt aber trotzdem für den Anschauungsunterricht:

Ein Mädchen kommt zu seinem Grossvater auf Besuch. Im Wohnzimmer sitzt der Opa gemütlich in seinem Schaukelstuhl und raucht Pfeife. In einem ruhigen Moment fragt der Grossvater das Kind: «Sag mal Kind, wo bin ich?». Das Mädchen war verunsichert über die seltsame Frage. «Da!» Sagt sie und zeigt auf Opa. «Nein, das ist mein Bauch. Du hast auf meinen Bauch gezeigt. Wo bin ich?». Verwirrt zeigt das Mädchen auf den Kopf. «Da?». «Nein, das ist mein Kopf, wo bin ich?». Da fing das Mädchen an zu weinen, weil sie nicht einmal diese einfache Frage beantworten konnte.

Durch den Atheismus kann man gar nichts mehr erklären. Nicht einmal “wo bin ich?”. Das Konzept der Identität verdampft lediglich. Das Wort “ich” und “du” verschwinden im Land der Sinnlosigkeiten, ganz zu schweigen von Wörtern wie Liebe und Mut. Was zurück bleibt ist eine kalte Welt, erfüllt von Enzyklopädien, Autos und mit Strom betriebenen Glühbirnen. Der Turmbau von Babel ist stehen geblieben, weil er plötzlich sinnlos wurde.

Ich will euch als Christen ermutigen, nicht die ganze Welt vom Verstand her erklären zu versuchen. Ich lese gerade die Sprüche und da steht ein interessanter anderer Ansatz, Weisheit zu erlangen, nämlich indem man von Gott ausgeht, von der Ehrfurcht vor ihm:

Die Furcht des Herrn ist der Anfang der Weisheit, und die Erkenntnis des Heiligen ist Einsicht. (Spr 9,10)

Wer seinen Turm auf dieses Fundament stellt und ihn konsequent nach diesem Leitsatz baut, der entgeht den kuriosen Auswüchsen von “am Anfang war der Verstand”.

Beitrag von meiner Frau

Kurze Zeit, nachdem ich das Entweder-Oder-Gebet geschrien hatte, traf sich mein Mann mit einem guten Freund aus unserer Gemeinde zu einem Bier. Sie sprachen über dies und das und mein Mann erwähnte, dass ich Mühe hätte, die Liebe Gottes zu verstehen. Der Freund, ein sehr belesener Mann, bot ihm an, mir einige Bücher über dieses Thema auszuleihen. Wenig später hielt ich einen Stapel Bücher über die Liebe Gottes in der Hand. Ich sah sie durch und hatte keine Lust, mich mit dem Thema auseinanderzusetzen. Ich konnte nicht noch jemand gebrauchen, der mir eine theoretische Abhandlung zu Gottes Liebe lieferte. Was nützte mir eine Definition von Liebe, wenn ich sie nicht spüren konnte? Ich griff zum kürzesten Buch und begann trotzdem zu lesen. Da passierte es.

Das Buch ist “Nahe am Vaterherz“ von Ed Piorek, aber das ist eigentlich Nebensache. Denn ich bin überzeugt, dass es nicht das Buch war, das mir Gottes Liebe erklärte, sondern Gott selbst, durch das Buch. Was ich da las, war keine weitere Erklärung, wie man verstehen kann, dass Gott einen liebt, nein - es stand geschrieben, dass Gott durch seinen Geist seine Liebe in unsere Herzen ausgiesst - d.h. seine Liebe zu uns! - und dass wir das auch spüren.

Denn die Liebe Gottes ist ausgegossen in unsere Herzen durch den Heiligen Geist, der uns gegeben ist. (Römer 5,5)

Es gab auch viele Beispiele im Buch von Menschen, die Gottes Liebe und seine Gegenwart gespürt hatten. Sie wurden dadurch verändert, erkannten Sünden, konnten vergeben. Interessanterweise hatte ich einige Monate zuvor ein anderes Buch angefangen, in dem ähnliche Erlebnisse erzählt wurden, aber ich hatte es wieder weggelegt, weil es mir nichts sagte.

Doch was ich hier las, traf mich bis zuinnerst ins Herz. Gott zeigte mir in seiner grossen Gnade genau das, wonach ich mich mein Leben lang gesehnt hatte: Liebe. Eine echte Beziehung zu Ihm, wo ich auch spüre, dass er nahe ist und mich liebt. Nicht einfach ein “Glauben” aus der Ferne. Nicht einfach Regeln befolgen, um gerecht zu sein. Es hat den Himmel aufgerissen.

Am nächsten Sonntag, im Gottesdienst, ging ich auf unseren Freund zu, total aus dem Häuschen, und fragte ihn: “Ist dir aufgefallen, was in dem Buch steht, das du mir ausgeliehen hast? Es steht, dass man die Liebe Gottes spüren kann! In seinem Herzen!” Eigenartigerweise war diese bahnbrechende Erkenntnis total an ihm vorbeigegangen. Für ihn war das Buch eines unter vielen. Das zeigt mir einmal mehr, dass Gott persönlich zu einem spricht…

Diese Erkenntnis, dass ich Gottes Liebe zu mir spüren kann und auch Liebe zu ihm empfinden kann, hat alles verändert. Zum ersten Mal in meinem Leben liebte ich Jesus. Weil ich jetzt wusste, dass Er mich liebt. Die Aussage, dass Gott uns erwählt, machte mir nicht mehr Angst, sondern gab mir Sicherheit: Nicht ich habe Ihn erwählt, sondern Er mich. Demnach war es nicht so, dass ich bettelnd vor Ihm stand und einen gleichgültigen, abweisenden Gott bat, mich aufzunehmen. Ich hatte mir das immer so vorgestellt, dass ich vor Gott stehe, die Hand hebe und sage: “Ähm - Gott…könnte ich bitte auch zu deiner Familie gehören?” Und er gibt zur Antwort: “Hm - du? Sorry, nein, kein Interesse. Ich kann mich nicht mit noch jemandem herumschlagen, der Probleme hat.” Nein, es war genau umgekehrt: Er hatte mich schon vor meiner Geburt erwählt und mein ganzes bisheriges Leben war darauf ausgerichtet gewesen, dass ich zu Ihm fand und erkannte, wie herrlich Er ist.

Mein Mann und ich fingen an, jeden Abend vor dem Schlafengehen zu beten, und unsere Gebete waren zum ersten Mal lebendig, voller Leidenschaft und Liebe zu Gott. Wir spürten in unseren Herzen, dass Gott da war und fassten neuen Mut, vertrauensvoll zu beten.

Wir lasen zusammen das Neue Testament durch und es erschien uns wie ein neues Buch! Jesus war nicht mehr langweilig, die Gleichnisse und die Geschichten von Heilungen waren nicht mehr bedeutungslos. Und Paulus, den ich immer ein bisschen extrem gefunden hatte und mit dem ich nichts hatte anfangen können, wurde nun mein grosses Vorbild. Wie er die Liebe Jesu erfahren hatte! Wie er sein ganzes Leben nur für Ihn gelebt hatte! Was er alles in Kauf genommen hatte, weil er wusste, dass Gott zu kennen so unüberbietbar viel herrlicher ist als alles Irdische!

Ich liebte Jesus zum ersten Mal in meinem Leben.

(Das muss wohl der Zeitpunkt sein, wo ich Christ wurde.)

Zum ersten Mal war es auch so, dass ich den Menschen um mich herum von Gott erzählen wollte. Wenn ich nicht so scheu gewesen wäre, hätte ich jedem Fremden neben mir an der Bushaltestelle von Jesus erzählt. Ich schaute die Leute um mich herum an und dachte: Die müssen alle erfahren, wie herrlich Jesus ist!

Ja, jetzt wollte ich Gott selbst. Nicht Gerechtigkeit oder der Hölle entkommen. Ich hatte jemand gefunden, der mich liebte und den ich lieben konnte. Meine ewige Suche nach Liebe war vorbei.

Zum ersten Mal erkannte ich auch, dass Gott herrlicher ist als das, was die Welt zu bieten hat. Ich hatte mich vorher ganz auf die Welt verlassen und suchte, was alle anderen suchen. Ich hatte Weisheit in weltlichen Büchern gesucht und Trost in weltlicher Musik. Plötzlich störten mich die Regale voller Bücher und CDs und ich gab sie weg. Lange hatte ich die Vorstellung, dass ich dafür ein Bild vom Kreuz malen und es anstelle der Regale aufhängen könnte. Leider scheiterte diese Idee an meinen nicht vorhandenen Malkünsten…

Und heute? Zweifle ich immer noch daran, dass ich Christ bin? Ich muss sagen: Nein, ich zweifle nicht mehr. Seit bald dreizehn Jahren. Denn:

Der Geist selbst gibt Zeugnis unserem Geist, dass wir Gottes Kinder sind. (Römer 8, 16)

Ich liebe Jesus. Ich möchte von ganzem Herzen für ihn leben. Und ich spüre auch seine Liebe zu mir. Das geht auch in schwierigen Zeiten nicht verloren.

Und noch etwas anderes gibt mir Sicherheit:

Meine Pilgerreise auf der Erde ist ja noch nicht zu Ende und ich bin weit entfernt davon, vollkommen zu sein. Und “unser Wissen ist Stückwerk” (1. Korinther 13, 9). Aber im Gegensatz zu früher merke ich, dass Gott mich vorwärtsführt. Ich bin nicht mehr orientierungslos im Nebel, selbst wenn es Zeiten gibt, wo ich nicht weiss, wohin es geht. Stück für Stück führt mich Gott dahin, dass ich Ihn mehr liebe und die Welt weniger. Dass ich bereit werde, mehr aufzugeben für Ihn. Mehr Unannehmlichkeiten in Kauf zu nehmen. Dass ich nicht für mich leben will, sondern für Ihn.

Ab dem Jahr 2015 hat Gott mich und meinen Mann ein ganzes Stück weitergeführt, was das betrifft, aber davon habe ich schon in anderen Artikeln geschrieben.

Ach, und noch kurz zur Freiheit, die mir immer so wichtig gewesen war: Für mich ist die grösste Freiheit, Gott zu gehören. Einerseits bin ich dadurch nämlich nicht mehr Sklave der Sünde und muss keine Angst mehr haben vor dem Gericht. Jesus ist meine Gerechtigkeit geworden. Andererseits wurde mir eine riesige Last von den Schultern genommen, seit ich nicht mehr für mich selber lebe und versuche, meine eigenen Ziele zu verfolgen. Ich habe die Leitung und die Verantwortung für das Gelingen meines Lebens abgegeben (und auch die Vorstellung, was gelingen heisst) und kann deshalb “getrost erwarten, was da kommen mag”. Das ist eine ungeahnte, vorher nie gekannte Freiheit!

Wann wurde ich denn nun gerettet? Ich möchte mit diesem Vers abschliessen:

Deshalb legt alles ab, was euch beschmutzt, alles Böse, was noch bei euch vorhanden ist, und geht bereitwillig auf die Botschaft ein, die in euer Herz gepflanzt wurde und die die Kraft hat, euch zu retten. (Jakobus 1, 21)

Ja, wann immer der genaue Zeitpunkt war: Gottes Botschaft wurde in mein Herz gepflanzt. Und sie wird immer grösser und stärker. Sie hat die Kraft, mich durch das irdische Leben durchzutragen, bis der Lauf vollendet ist und ich endgültig gerettet werde.

Beitrag von meiner Frau

Genau zu dem Zeitpunkt, als ich die erwähnte unglückliche Beziehung begann, wurde ich mitten in Zürich, einen Katzensprung von dem Restaurant entfernt, wo ich arbeitete, von zwei jungen Frauen angesprochen, die mich in den Gottesdienst ihrer Gemeinde einladen wollten.

Was sie mir sagten, weiss ich nicht mehr, aber es endete damit, dass ich ihnen meine Nummer gab, damit sie mit mir ein Treffen vereinbaren konnten. Ein wenig hoffte ich wohl, sie würden meine Nummer verschusseln und sich nie mehr melden. Aber sie waren sehr zielstrebig, riefen mich kurz darauf an und wir trafen uns zu einem Gespräch in einem Café.

Das wurde der Anfang einer langen Reihe von Gesprächen. Ich hatte unendlich viele Fragen über den Glauben und wollte alles ganz genau wissen. Sie wiederum waren um Antworten nicht verlegen und schienen ein fundiertes Wissen zu haben. Endlich waren da Menschen, die wussten, wovon sie sprachen!

Irgendwann stellte ich dann eine Frage, die mir seit Jahren auf dem Herz brannte: Wie kann ich wissen, dass ich Christ bin? Wie kann ich mir sicher sein? Ich erzählte von den vielen Malen, wo ich Jesus gebeten hatte, in mein Herz zu kommen und von meiner Unsicherheit, die dennoch immer da war. Ihre Antwort war: indem du dich taufen lässt. Die Taufe ist der Zeitpunkt, wo wir gerettet werden. Am Anfang steht die Umkehr, d.h. dass man seine Sünden bekennt und bereut. Danach kommt die Entscheidung, Gott ganz nachzufolgen, und die Taufe. In der Taufe wird man gerettet.

Ich war so froh, dass mir endlich jemand einen klaren Weg aufzeigte! Gleichzeitig erinnerte ich mich, dass ich einige Jahre zuvor mit zwei Freundinnen einen Bibelkurs bei einem Pfarrer gemacht hatte. Zum Thema Taufe hatte er nur sehr unklare und schwammige Antworten gehabt und ich hatte nie verstanden, wieso die Taufe überhaupt nötig war. Jetzt wusste ich es endlich.

Es folgte ein halbes Jahr Bibelstudium. In dieser Gemeinde war es üblich, dass man mit Interessierten einen persönlichen Bibelkurs durchführte, in dem alle wichtigen Themen des Glaubens besprochen wurden. Bei manchen dauerte das kürzer (siehe die Bekehrungsgeschichte von meinem Mann), bei mir etwas länger.

Es war eine intensive Zeit. Ich war hin- und hergerissen. Einerseits merkte ich, dass ich mit Gott ernst machen musste. Ich konnte nicht einfach ein bisschen glauben und mir ansonsten mein Leben selbst zurechtschneidern. Ich hatte ja mit dieser verbotenen Beziehung gemerkt, wohin das führte. Ich wollte ganz für Gott leben. Andererseits spürte ich, dass ich da in eine Gemeinschaft kam, in der das Leben ziemlich straff geordnet war, und ich hatte Angst, meine Freiheit zu verlieren.

Unterdessen hatte ich auch an einem oder zwei Gottesdiensten teilgenommen und mehr Leute kennengelernt. Alle waren sehr zuvorkommend und nahmen mich ohne Vorbehalte in ihrer Gemeinschaft auf. Übrigens hatten mir die neu kennengelernten Freundinnen auch geholfen, mit meiner Beziehung aufzuhören. Dafür bin ich ihnen sehr dankbar.

Ein halbes Jahr später hatte ich mich durchgerungen: Ich war bereit, mich taufen zu lassen. Ich hatte meinen Mentorinnen und Gott meine Sünden bekannt, wir waren sogar mal auf der Strasse gewesen, um - genau wie bei mir damals - Leute einzuladen. Der Tauftermin wurde auf den 21. Januar 2001 festgelegt, ich war 22 Jahre alt. Irgendwie freute ich mich darauf, weil ich mich endlich ganz für Gott entschieden hatte und gleichzeitig sicher sein konnte, dass ich gerettet wurde. Andererseits erinnere ich mich an fast depressive Gefühle. Ich wusste, dass ich, um in den Himmel zu kommen, dafür in Kauf nehmen musste, mein ganzes restliches Leben in einem - wie ich es empfand - Gefängnis zu verbringen. In einer Gemeinschaft, wo vieles vorgeschrieben war und die in fast alle Bereiche des Lebens eindrang. Von meiner ersehnten Freiheit blieb nicht mehr viel übrig. Aber ich war überzeugt, dass ich keine andere Wahl hatte, wenn ich in den Himmel kommen wollte.

Bezeichnenderweise war mein Taufvers Joh. 8, 31-32: “Wenn ihr bleiben werdet an meinem Wort, so seid ihr wahrhaftig meine Jünger und werdet die Wahrheit erkennen, und die Wahrheit wird euch frei machen.”

Ich wusste, dass es in diesem Vers um Freiheit von der Sünde geht. Das störte mich ein bisschen, denn ich verstand nicht, dass man in der Sünde gefangen ist, wenn nicht Jesus einen durch seinen Tod am Kreuz frei macht. Aber ich hatte immer noch die Hoffnung, echte Freiheit zu finden und klammerte mich deshalb an diesen Vers.

So wurde ich also ein Mitglied dieser Gemeinde und tauchte in ein ganz neues Leben ein. Ich war Teil einer Studentengruppe, die viel zusammen unternahm und wie eine Familie wurde. Noch heute habe ich zu einigen von ihnen Kontakt. Es entstanden Freundschaften fürs Leben. Später wohnten wir auch zusammen in WGs. Wir veranstalteten regelmässig Parties, wozu wir Interessierte einluden, damit sie Gott kennenlernen konnten.

Ich lernte auch einige nette Jungs kennen und genoss es, von der Männerwelt nicht mehr links liegen gelassen zu werden. Einer von ihnen wurde später mein Mann…

Doch obwohl ich täglich in der Bibel las und betete, alle Gottesdienste, Andachten und Frühgebete besuchte, Leute auf der Strasse einlud, mit einer Mentorin wöchentlich über meine Fortschritte sprach und meine Sünden bekannte und mit Interessierten die Bibel studierte, stellte sich nach nicht allzulanger Zeit das gleiche nagende Gefühl ein wie früher: Ich fragte mich einmal mehr, ob ich wirklich Christ war. Diesmal waren die Fragen ein bisschen anders: Hatte ich bei der Taufe alles richtig gemacht? Hatte ich auch wirklich alle meine Sünden bekannt? Nein - nicht ganz, musste ich zugeben. Vielleicht hatte das die ganze Taufe ungültig gemacht und ich kam nicht in den Himmel. Ich war ironischerweise wieder am selben Ort wie vorher.

Schliesslich besprach ich meine Fragen mit einer erfahrenen Christin. Sie versicherte mir, dass meine Taufe gültig sei. So war das Thema vorerst vom Tisch. Aber meine Beziehung zu Gott wuchs nicht. Obwohl mir alle versicherten, was für grosse Fortschritte ich im Glauben mache, fühlte ich mich wie in einem geistlichen Nebel. Ich war völlig orientierungslos. Bibel lesen war ein tägliches To Do, beten eine Qual.

Mittlerweile geschahen in meinem persönlichen Leben einige Dinge, die meine Verwirrung mit dem Glauben in den Hintergrund treten liessen. Ich hatte in der Studentengruppe einen Freund gefunden und war überglücklich. Zwei Jahre später heirateten wir. Ich schloss mein Studium ab und wir gründeten eine Familie. In der Gemeinde war einiges geschehen und die engen Regeln hatten einer grösseren Gestaltungsfreiheit Platz gemacht. Mit Gott kam ich trotzdem nicht recht weiter und ich erinnere mich, dass ich einmal dachte: Vielleicht lerne ich Altgriechisch und Hebräisch und versuche die Bibel in ihrer Originalsprache zu lesen. Das könnte meine Nische im Christentum sein.

Mit Schwangerschaft und Geburt unseres ersten Kindes kamen einige Schwierigkeiten auf mich zu, die mich an meine Grenzen brachten. Unser Kind schlief zwei Jahre lang nicht durch. Und nicht nur das, es war immer wieder nächtelang sehr unruhig, sodass ich nicht schlafen konnte und immer gereizter wurde. Immer wieder flehte ich Gott in der Nacht an: “Mach, dass unser Kind einschläft, jetzt! Ich halte es nicht mehr aus!” Aber Gott beantwortete meine Gebete nicht. Mehrmals geschah es, dass ich mich darauf von Gott lossagte. Ich wollte nichts mehr mit ihm zu tun haben. Am nächsten Morgen befiel mich dann die Angst, ich sei jetzt für immer und ewig verloren. Was, wenn ich die Sünde begangen hatte, die nicht vergeben werden kann? Ich entschuldigte mich bei Gott und hoffte, dass er mich wieder annahm.

So ging das monatelang und ich stürzte in eine grosse Glaubenskrise. Was bringt es zu Gott zu beten, wenn er nicht hört? Wie kann ich einem Gott vertrauen, der mir nicht hilft in der Not? In meiner Verzweiflung fand ich eine beängstigende Antwort: Gott will mich nicht. Ich gehöre nicht zu den Erwählten. Ich möchte zwar zu ihm kommen, aber es ist unmöglich. Ich erinnerte mich an den Vers:

Wir wissen aber, dass denen, die Gott lieben, alle Dinge zum Besten dienen, denen, die nach seinem Ratschluss berufen sind. (Römer 8,28)

Schon immer hatte mich dieser Zusatz (denen, die nach seinem Ratschluss berufen sind) verwirrt, aber jetzt glaubte ich, die Wahrheit darüber zu erkennen: Diejenigen, die nicht berufen sind, können gar nicht zu Gott kommen, auch wenn sie wollen! Dabei übersah ich natürlich, dass es auch Verse wie die Folgenden gibt:

Alle, die der Vater mir gibt, werden zu mir kommen, und wer zu mir kommt, den werde ich nicht hinausweisen.(Johannes 6, 37)

Ihr werdet mich suchen und finden; denn wenn ihr mich von ganzem Herzen suchen werdet, so will ich mich von euch finden lassen, spricht der Herr.” (Jeremia 29, 13-14)

Diese falsche Erkenntnis stürzte mich in eine bodenlose Verzweiflung. Ich erinnere mich, dass ich zu Gott schrie: “Gott, wenn es nicht möglich ist, zu dir zu kommen, dann töte mich bitte! Dann habe ich keinen Grund mehr zu leben.” Ich meinte dieses Gebet todernst. Es war alles oder nichts. Mein Innerstes war entblösst vor Gott. Es gab nur entweder - oder. Entweder zu Gott kommen oder sterben. Vielleicht hatte ich wirklich zum ersten Mal Gott von ganzem Herzen gesucht.

Und Gott antwortete! Natürlich nicht, indem er mich tötete, denn es ist ja möglich, zu ihm zu kommen! Gottes Antwort kam kurze Zeit später. Wieder einmal eilte er mir zu Hilfe und diesmal veränderte sich alles.

Dies ist der zweite mögliche Zeitpunkt meiner Bekehrung, im Sommer 2008.

Beitrag von meiner Frau

Eigentlich sollte man doch - zumindest ungefähr - wissen, wann man Christ wurde. Ich bin aber bis heute zwischen zwei Zeitpunkten hin- und hergerissen, die zwanzig Jahre auseinanderliegen. Ausserdem kommt da noch ein dritter Zeitpunkt ins Spiel, den ich lange als Tag meiner Bekehrung ansah - der Tag, an dem ich mich taufen liess. Doch den betrachte ich heute als am wenigsten wahrscheinlich.

Tönt alles ziemlich kompliziert, oder? Was mich beruhigt, ist aber die Tatsache, dass ich weiss, dass ich jetzt Christ bin - weil ich Jesus liebe und nur noch für Ihn leben will. Und das ist ja eigentlich die Hauptsache. Aber fangen wir von vorne an:

Aufgewachsen bin ich in einem wunderschönen, alten, sehr abgelegenen Flarzhaus, ohne Zentralheizung, (fast) ohne Nachbarn, ohne Fernseher, dafür mit Hund, Katzen, Enten, einer Gans, einem grossen Gemüse- und Obstgarten und einer Mutter, die zu Hause war. Ich kann mir keinen schöneren Ort vorstellen.

Ich war die Mittlere von drei Schwestern, introvertiert, scheu und zurückgezogen. Am liebsten las ich oder spielte Klavier (beides stundenlang). In der Schule hatte ich stets gute Noten, bis auf das Mündliche. Ich getraute mich meist nicht, mich zu melden.

Wir gingen in keine Gemeinde. Meine Mutter war in einer Freikirche aufgewachsen und hatte sich dort auch bekehrt. Später zerrüttete sich diese Gemeinde und meine Mutter war erschüttert über die Tatsache, dass bekennende Christen einander so bekämpfen konnten. Sie ist bis heute nie mehr Teil einer Gemeinde gewesen.

Trotzdem war sie es, die mich mit dem Glauben bekannt machte. Vor dem Essen sangen wir jeweils ein Dankeslied und auch beim ins Bett gehen sangen wir ein Lied oder sie sprach ein Gebet. Ich kann mich nicht mehr erinnern, was genau sie mir von Gott erzählte, aber ich glaube, sie gab mir die wichtigsten Tatsachen weiter.

Ausserdem waren die meisten meiner Tanten und Onkel mütterlicherseits Christen, und eine Tante schickte uns immer wieder christliche Traktate zu. Wir besassen auch einige Kassetten mit christlichen Hörspielen, die ich mir endlos anhörte (z.B. “Im Schluuchboot ufem Ozean”, “Stammt de Mänsch würklich vom Aff ab?”, “Hamid und Kinza”). Ich liebte sie, denn sie waren spannend und zeigten mir (v.a. durch die wahren Geschichten), wie Gott im Leben der Menschen wirkte und real war. Noch heute erinnere ich mich gerne an sie.

Am Ende mehrerer dieser Kassetten wurde die Frage gestellt, ob der Hörer sich auch schon für Gott entschieden habe? Dann folgte ein Bekehrungs-Gebet, das man nachsprechen konnte. Der Teil, an den ich mich erinnern kann, war in etwa “Jesus, bitte komm in mein Herz”. Dieses Gebet sprach ich nach, denn ich wollte in den Himmel kommen. Das ist der erste mögliche Zeitpunkt meiner Bekehrung, mit etwa 10 Jahren.

Ich glaube auch, dass ich das Gebet wirklich ernst meinte. Interessanterweise schien es aber nicht die geringste Auswirkung zu haben. Nicht, dass man unbedingt sofort etwas merken muss. Aber bei mir veränderte sich überhaupt nichts. So kam es, dass ich unsicher darüber blieb, ob mein Gebet genügt habe. Vielleicht hatte ich es zu wenig ehrlich gemeint? Schliesslich führte das dazu, dass ich immer wieder, v.a. nach dem Hören einer Kassette, Jesus von Neuem bat, in mein Herz zu kommen.

Als ich ein Teenager wurde, abonnierte meine Mutter für mich einen Bibelleseplan, den ich treu las. Dadurch fing ich an, regelmässig in der Bibel zu lesen. Bestimmt lernte ich dadurch vieles über Gott und den christlichen Glauben. Aber irgendetwas fehlte. Im Nachhinein muss ich sagen: Es war die persönliche Beziehung zu Gott, die Liebe zu ihm. Ich fühlte nichts für ihn. Ja, ich konnte mir nicht im Entferntesten vorstellen, dass man ihn kennenlernen konnte. Ich war ein eingeschüchtertes, unsicheres Mädchen, dass zwar etwas über Gott lernte und sich wohl unbewusst auch danach sehnte, von ihm geliebt und angenommen zu sein, das aber keine Vorstellung davon hatte, dass man ihn kennen kann. Deshalb betete ich auch nicht um Nähe zu ihm.

So las ich zwar mit Interesse die Bibelstellen und Kommentare dazu und machte mir endlose Listen mit Geboten und Verboten des christlichen Lebens. Und ich versuchte, alles einzuhalten und richtig zu machen. Aber es war keine Beziehung zu Gott, sondern ein Befolgen von Regeln und Normen aus der Ferne. Die Triebkraft dazu kam nicht aus meiner Liebe zu Gott, sondern aus dem Wunsch, das Richtige zu tun. Ich hatte erkannt, dass die Bibel die Wahrheit ist und dass man ohne Gott in die Hölle kommt, also versuchte ich, nach der Bibel zu leben.

In der Sekundarschule lernte ich ein Mädchen kennen, das sich auch als Christ bezeichnete. Wir wurden Freundinnen und beschlossen, einander im Glauben zu helfen. Sie besuchte die lokale Chrischona-Gemeinde und lud mich zu Gottesdiensten und Jugendtreffen ein. Mir gefielen die Gottesdienste recht gut, aber mit der Jugendgruppe konnte ich gar nichts anfangen. Ich war zu introvertiert und schüchtern. Es kostete mich riesige Überwindung, in eine Gruppe fremder Jugendlicher zu gehen, wo nichts voraussehbar war und man auch noch Gruppenspiele machen musste! Alle schienen Spass zu haben. Das konnte ich nicht nachvollziehen und blieb fortan den Treffen fern. Auch in den Gottesdienst ging ich weniger und weniger, denn meine Freundin hatte schon ihre Kollegen aus der Jugendgruppe und ich fand keinen Anschluss.

Dann kam ich aufs Gymnasium. Dort passierte einiges. Ich fand Freunde und getraute mich (zum ersten Mal!) sogar, mit Jungs zu reden. Ich wurde selbstsicherer und auch kritischer. Durch die Lektüre einiger Bücher und Theaterstücke aus der Zeit der Aufklärung wandte ich mich der Philosophie zu. Kant und Schiller wurden meine Vorbilder. Durch das Theaterstück “Maria Stuart” von Schiller erhielt ich eine Idealvorstellung der inneren Freiheit, die unabhängig ist von den äusseren Umständen (Im Nachhinein muss ich sagen: Diese Freiheit habe ich heute im Glauben endlich gefunden!) Meine eigenen Vorstellungen und die aus der Bibel klafften immer mehr auseinander. Meine Sehnsüchte und Wünsche drehten sich um Freiheit, Unabhängigkeit - und natürlich um Liebe. Schon seit der 1. Klasse war ich krampfhaft und permanent in immer wieder neue Jungs verliebt - allerdings nur von Weitem, denn ich hätte nie den Mut aufgebracht, etwas von meinen Gefühlen zu zeigen.

Gleichzeitig wandte ich mich aber nicht ganz von Gott ab, und nachdem ich erfahren hatte, dass es am Gymnasium eine Bibelgruppe gab, nahm ich dort regelmässig teil. Über diese Bibelgruppe empfand ich widerstreitende Gefühle. Etwas drängte mich, mit Christen im Kontakt zu sein. Gleichzeitig kostete es mich aber grosse Überwindung, Woche für Woche dorthin zu gehen, im Kreis zu sitzen und mit fremden Leuten über persönliche Dinge zu sprechen. Wir machten auch Strasseneinsätze (dabei jonglierte ich…) und sprachen mit Leuten über den Glauben. Aber ich fühlte mich sehr unwohl dabei. Wahrscheinlich merkte ich, dass ich den Menschen nichts Wirkliches über Gott sagen konnte.

Die Mentorin der Gruppe, eine junge, lebensfrohe Studentin, nahm sich schliesslich meiner an und traf sich regelmässig mit mir. In ihrer WG hatten wir super Gespräche über alle Fragen des Lebens. Sie war eine grosse Hilfe, meine erste Mentorin im Glauben.

Hatte ich vorher mehrere Jahre Tierärztin werden wollen, so stellte sich nun immer mehr heraus, dass Sprachen meine grosse Leidenschaft waren. Ich entschloss mich, vergleichende Sprachwissenschaft an der Uni Zürich zu studieren. Meine christlichen Verwandten waren ganz begeistert über diese Entscheidung. “Mit diesem Studium kannst du später mit Wycliffe die Bibel übersetzen!”, sagten sie. Aber ich wich der Antwort aus; Bibelübersetzung war gar nicht auf meinem Radar.

Bevor das Studium anfing, reiste ich für drei Monate in die Slowakei, um die Sprache zu lernen. Auch dort war ich zwischen zwei Welten hin- und hergerissen. Mein Verlangen nach Liebe war gross, und ich lernte einen jungen Mann kennen. Nach meinem Aufenthalt schrieb ich ihm noch ein ganzes Jahr lang Briefe, in der Hoffnung, er liebe mich. Es stellte sich jedoch heraus, dass er einfach ein Frauenheld war, der nur einen kurzen Flirt gesucht hatte. Zum Glück, muss ich im Nachhinein sagen, denn ich wäre wahrscheinlich Hals über Kopf in die Slowakei ausgewandert und hätte jemand geheiratet, dem Gott gleichgültig war.

Aber Gott liess mich auch in der Slowakei nicht los. Ich lernte eine Gruppe junger Amerikaner kennen, die in unserer Stadt einen Missionseinsatz machten. Sie machten mich mit einheimischen Christen bekannt und von da ab besuchte ich regelmässig einen Gottesdienst. Zum ersten Mal sah ich hier etwas, was davon zeugte, dass man zu Gott Liebe empfinden kann. In jedem Gottesdienst gab es Zeiten, in denen laut (von allen gleichzeitig) gebetet wurde und jeden Sonntag gab es einen Aufruf, nach vorne zu gehen und Christ zu werden. Irgendwie berührten mich diese Gefühle für Gott und ich betete jeweils mit.

Als meine Zeit dort zu Ende ging, riet mir eine Frau, mit der ich näher Kontakt hatte, in der Schweiz unbedingt eine Gemeinde zu besuchen. Sie schrieb mir sogar eine Adresse in Zürich heraus. Aber die Überwindung und mein Freiheitsbedürfnis waren zu gross; ich meldete mich nie dort.

Das Studium fing an und nahm mich ganz gefangen. Ich dachte, ich hätte meine Bestimmung gefunden: Sprachen analysieren, so viele Sprachen wie möglich lernen, Feldforschung in fernen Ländern betreiben und nebenher Musik machen. Und natürlich einen Mann finden.

In meinen ersten Semesterferien arbeitete ich für zwei Monate als Kellnerin in einem Restaurant in Zürich. Da geschah es, dass einer meiner Mitarbeiter, ein verheirateter Mann, mir gestand, er habe sich in mich verliebt. Nach all den Jahren unerwiederter Liebe und zerschlagener Hoffnungen konnte ich dem leider nicht widerstehen und wir begannen eine (zum Glück kurze) Beziehung. Ich war einfach zu schwach, um der Versuchung zu widerstehen. Wer weiss, wo ich gelandet wäre, hätte Gott nicht eingegriffen. Aber er war schon unterwegs…

Gestern berichtete ich über die Bekehrungsgeschichte und das Wirken von R.C. Sproul. Heute will ich meine Lieblingspredigt von ihm vorstellen.

Es war 2008 und R.C. Sproul predigte auf der Konferenz “Together for the Gospel”. Er litt seit einiger Zeit an einer chronisch obstruktiven Lungenerkrankung und hatte daher ständig Atemprobleme. Die Predigt hielt er im Sitzen! Danach lebte er noch weitere neun Jahre bis er 2017 starb.

Wieso ist es einer meiner Lieblingspredigten?

Zum Einen merkt man die Liebe dieses Mannes. Er spricht väterlich zu seinen Zuhörern, in einer liebevollen Art und Weise. Auf seinem Grabstein stehen die Worte “He was a kind man redeemed by a kinder Savior”. Das sind nicht bloss Worte, es war ihm wichtig, liebevoll zu predigen. Auf dem Heimweg nach der Predigt fragte er jeweils seine Frau, ob er in seiner Predigt freundlich war mit der Gemeinde.

Zum anderen bewegt mich, wie Sproul über das Kreuz sprach. Die Botschaft vom Kreuz ist das Zentrum des Christentums. Deshalb wird - zurecht! - viel darüber gepredigt. Die Gefahr ist, dass das Thema langweilig wird, ausgeleiert. Einige Prediger wechseln zu anderen, spannenderen Themen. Sproul bleibt beim Kreuz und schafft es, die Kraft und Herrlichkeit des Kreuzes zu vermitteln.

Seine Predigt dreht sich um das “Fluch-Motiv”. Dabei erklärt er, was mit jemandem passiert, den der Fluch Gottes trifft. Was mit Jesus passiert ist. Und was mit uns geschehen würde, wenn Jesus den Fluch nicht auf sich genommen hätte. Ein Auszug:

Aber es gibt ein Bild, einen Aspekt des Sühnopfers, der in unserer Zeit fast völlig in Vergessenheit geraten ist. Wir haben vorhin von den Versuchen gehört, ein sanfteres und freundlicheres Evangelium zu predigen, und in unseren Bemühungen, das Werk Christi freundlicher zu vermitteln, fliehen wir vor jeder Erwähnung eines Fluches, den Gott seinem eigenen Sohn auferlegt hat.


Als Vorbereitung für einen weiteren Artikel über Lieblingspredigten, heute ein Beitrag über die Bekehrung und Wirken von R.C. Sproul. Ich wusste bisher noch nicht viel über Sproul. Was ich aber sah, war seine Art zu Predigen und dachte: “Was ist das für ein Mann, der so predigt?”

Um Sprouls Wirken zu verstehen, beginnt man am Besten bei seiner Bekehrung. Bekehrungsgeschichten sind sowieso immer toll - ich liebe es zu sehen, wie Gott in das Leben von Menschen eingreift. Es ist der Moment einer Geburt: Ein neuer, geistlicher Mensch wird geboren, als Baby. Und dieser Mensch wächst dann später heran zur ausgewachsenen Person. Der Kern der Eigenschaften, die Sproul ausmachen, wurde in ihm durch Gottes Hand in der Wiedergeburt gebildet.

Sproul war am Anfang seines Theologiestudiums. Eines Abends, beim Einschlafen, als er sich im Dämmerzustand befand, rief ihn eine leise aber bestimmte Stimme: “Steh auf. Verlasse diesen Raum.”. Es war Mitternacht und Sproul verliess den Raum, überquerte den Campus und betrat die Kapelle:

Die Tür war aus schwerem Eichenholz mit einem gotischen Bogen. Ich schwang sie auf und betrat den Narthex. Die Tür fiel hinter mir mit einem klirrenden Geräusch zu, das von den Steinwänden des Kirchenschiffs widerhallte.

Ich fühlte ein majestätisches Gefühl von Raum, das durch die gewölbten Bögen der Decke noch verstärkt wurde. Sie schienen meine Seele nach oben zu ziehen, es fühlte sich an, als ergriffe mich eine riesige Hand. Langsam und bedächtig bewegte ich mich auf die Stufen des Altarraums zu. Das Geräusch meiner Schuhe auf dem Steinboden rief schreckliche Bilder von deutschen Soldaten hervor, die in Stiefeln mit Hufnägeln über Kopfsteinpflaster marschierten. Jeder Schritt hallte den Mittelgang hinunter, als ich den mit Teppich bedeckten Altarraum erreichte.

Dort sank ich auf die Knie. Ich hatte mein Ziel erreicht. Ich war bereit, die Stimme zu treffen, die mich in meinem Zimmer gerufen hatte. Ich war in einer Haltung des Gebets, aber ich hatte nichts zu sagen. Ich kniete still da und liess zu, dass mich das Gefühl der Gegenwart eines heiligen Gottes erfüllte. Der Schlag meines Herzens war verräterisch, ein Pochen gegen meine Brust. Ein eisiger Schauer begann am unteren Ende meiner Wirbelsäule und kroch meinen Hals hinauf. Furcht überkam mich. Ich kämpfte gegen den Drang an, vor der erahnten Präsenz wegzulaufen. Der Schrecken verging, aber bald folgte eine weitere Welle. Diese Welle war anders. Sie überflutete meine Seele mit unsagbarem Frieden, einem Frieden, der meinem aufgewühlten Geist sofortige Ruhe und Erholung brachte. Auf einmal fühlte ich mich wohl. Ich wollte dort verweilen. Nichts sagen. Nichts tun. Mich in der Gegenwart Gottes wärmen. […]

Dieser Moment war lebensverändernd. Etwas tief in meinem Geist wurde ein für alle Mal geklärt. Von diesem Moment an konnte es kein Zurück mehr geben; der unauslöschliche Abdruck seiner Macht konnte nicht mehr ausgelöscht werden. Ich war allein mit Gott. Einem heiligen Gott. Einem furchterregenden Gott. Einem Gott, der mich in der einen Sekunde mit Schrecken und in der nächsten mit Frieden erfüllen konnte. In dieser Stunde wusste ich, dass ich vom Heiligen Gral gekostet hatte. In mir wurde ein neuer Durst geboren, der in dieser Welt nie ganz gestillt werden konnte. Ich beschloss, mehr zu lernen, diesem Gott nachzuspüren, der in dunklen gotischen Kathedralen lebte und der in mein Schlafgemach eindrang, um mich aus selbstgefälligem Schlummer zu wecken. (Aus “The Holiness of God“)


Der Rest von Sprouls Leben bestand darin, die Heiligkeit Gottes besser zu verstehen und sie bekannt zu machen. Die Heiligkeit Gottes war sein Lebensthema. Zwölf Jahre nach seiner Bekehrung, im Alter von einunddreissig Jahren, begann er, seine Gedanken zu ordnen und trug das Thema in einer Serie von fünf Vorträgen vor. Die Reaktionen waren überwältigend. Also hat er seine Vortragsreihe mehrmals überarbeitet. Aus dem Vortrag und seinem Bestreben, die Heiligkeit Gottes zu verkünden, entstanden die Ligonier Ministries (“the teaching fellowship of R.C.Sproul”).

Die Legacy seines Wirkens scheint beträchtlich. Sproul berichtet:

Unzählige Menschen haben mir gegenüber geäussert, dass das Hören der Serie “ihr Verständnis von Gott komplett revolutioniert hat”. Solche Kommentare berühren mich tief. […] Bill Hybels, Pastor der Willow Creek Community Church in Chicago, erzählte mir, dass er mit seinem Auto am Strassenrand anhalten musste, als er die Serie hörte. Er weinte und konnte nicht mehr fahren. Als John MacArthur es hörte, unterbrach er eine Predigtreihe, um über die Heiligkeit Gottes zu predigen. (Aus “Striking a Chord in the Heart of the Believer“)

Die Art und Weise, wie Sproul über Gott spricht, habe ich bisher bei niemand anderen gesehen. Man merkt bei ihm eine Ehrfurcht vor Gott. Einer seiner Kerntexte ist Jesaja 6, wo Jesaja Gott in seinem heiligen Tempel begegnet und vor im niederfällt. Genauso predigt Sproul: Es scheint, als hätte er die Heiligkeit Gottes gesehen und kann fortan von nichts anderem mehr berichten. Und genauso verhielt es sich ja! Sproul war in der Nacht in den Tempel Gottes gegangen und ihm da begegnet.


Seine Vortragsreihe ist auf Youtube zu sehen: The Holiness of God with R.C. Sproul

Teil 8 von “Lesenswichtig”, einer Liste von christlichen Artikeln, die mich diese Woche bewegt haben.

Mattigkeit

Andrée Seu Peterson bekennt, wie sie durch Corona Freundschaften und die Gemeinde hat schleifen lassen. Es ist ein ehrliches, erfrischendes Geständnis:

Irgendwann nach dem Einsetzen des Post-Lockdowns bemerkte ich, dass je weniger ich Leute sah, desto weniger wollte ich die Leute sehen. Ich wurde einfach bequem wie ein Hobbit. Ich musste das Kirchengebäude kaum noch putzen, weil es kaum noch jemand benutzte. Das Einkommen ist tief, aber das stört mich nicht einmal. Wir hatten im Januar eine Mitarbeiterversammlung mit “Social Distancing” … bei der ich sah, wie ein paar unserer jeweiligen Diäten der täglichen “Mir ist langweilig, ich gehe etwas essen”-Versuchung erlegen sind.

Das ist ein Ding. Aber schlimmer für mich ist die Versuchung einer unerklärlichen Trägheit - ich habe keine Lust, jemanden anzurufen, irgendwohin zu gehen oder gar ans Telefon zu gehen. Es ist wie das grüne Pulver, das die Königin von Unterland auf Prinz Rilian in “Der silberne Sessel” streute, das einen “süßen und schläfrigen Geruch” hatte und “es schwerer machte, zu denken.” Der Teufel wird dich glauben lassen, dass es sicherer ist, zum Einkauf zu gehen als in die Kirche, obwohl ich mir sicher bin, dass die Läden überfüllter sind als die Kirche.

Zum Artikel: Lassitude

Wenn Evangelikale Brunnen bauen

Paul Bruderer antwortet auf Kritik an Evangelikalen. Die Diskussion über “was machen die Evangelikale richtig, was nicht?” interessiert mich nicht sonderlich. Was ich aber spannend finde, ist die Art und Weise, wie er auf die Kritik antwortet. Oft kommt eine Position erst dann zum glänzen, wenn sie verteidigt wird. In diesem Artikel geht es um praktische, humanitäre Hilfe in der Mission. Und um Umweltschutz! Das deckt sich sehr gut mit der Absicht von meiner Frau und mir auf diesem Blog, darum habe ich mich auch sehr über den Artikel gefreut. Ein paar Auszüge:

In der Lau­san­ner Verpflich­tung, welche an der Kon­ferenz ver­ab­schiedet wurde, liest man im Para­graph 5 mit dem Über­ti­tel ‘Soziale Ver­ant­wor­tung der Chris­ten’:
»Wir bekräfti­gen, dass Gott zugle­ich Schöpfer und Richter aller Men­schen ist. Wir müssen deshalb Seine Sorge um Gerechtigkeit und Ver­söh­nung in der ganzen men­schlichen Gesellschaft teilen. Sie zielt auf die Befreiung der Men­schen von jed­er Art von Unter­drück­ung… Wir tun Busse… dafür, dass wir manch­mal Evan­ge­li­sa­tion und soziale Ver­ant­wor­tung als sich gegen­seit­ig auss­chließend ange­se­hen haben.«

Die Lau­san­ner Bewe­gung zeigt beispiel­haft: Evan­ge­likale haben ein äusserst starkes Anliegen für Ganzheitlichkeit! Sich­er gibt es evan­ge­likale Chris­ten, die eine Engführung auf die geistliche Dimen­sion leben (gibt es so eine Ver­nach­läs­si­gung der prak­tisch gelebten Näch­sten­liebe vielle­icht auch unter Chris­ten in anderen Seg­menten der Kirche?). Doch die grosse Mitte der Evan­ge­likalen hat mein­er Mei­n­ung nach stets ein gesun­des Gle­ichgewicht von “Wort und Tat” gesucht, und zwar bis hinein in die ökol­o­gis­che Dimen­sion.
So denkt beispiel­sweise der ein­flussre­iche evan­ge­likale Vor­denker Fran­cis Scha­ef­fer in seinem Buch Pollu­tion and the Death of Man bere­its 1970 öffentlich über ein radikales christlich­es Engage­ment in der Ökolo­gie nach. Der renommierte The­ologe Klaus Bock­mühl, Dozent auf Chrischona, ver­tieft Schaeffer’s Arbeit 1975 in Umweltschutz — Lebenser­hal­tung. Inspiri­ert von solchen Über­legun­gen startet 1983 das Ehep­aar Miran­da und Peter Har­ris in der por­tugiesis­chen Algarve die Umwel­tor­gan­i­sa­tion A Rocha,

Zum Artikel: Wenn Evangelikale Brunnen bauen

Das Ende von Evangelisation?

Jonas Erne fragt sich, wie Evangelisation heute aussehen kann. Die Zeit der Zeltevangelisation (welche ich leider nicht miterleben durfte) ist vorbei, wie können wir heute das Evangelium verkünden? Ich mag seinen Artikel, denn er ist praktisch und ehrlich.

Denken wir noch einen Schritt weiter: Evangelisation ist nicht mehr der Job einer kleinen Elite von gesalbten und begabten Evangelisten, sondern in diesem Rahmen kann plötzlich jede und jeder mitmachen. Ich finde das gut: Gerade da ich persönlich nicht wirklich evangelistisch begabt bin, kann ich trotzdem gebraucht werden. Auch wenn es mir schwerfällt, Menschen anzusprechen, auch wenn ich introvertiert, scheu, still und zurückhaltend bin, ist es meine Erfahrung geworden, dass solche Gespräche richtig wertvoll sind. Es ist die Rückkehr zum allgemeinen Priestertum aller Gläubigen, denn alle können mit ihrem Charakter und ihrer Persönlichkeit im Rahmen der eigenen Möglichkeiten mitmachen.

Zum Artikel: Das Ende von Evangelisation?

“Geheiligt werde dein Name” - der zweite Teil des Vater-Unsers fand ich schwer zu verstehen. “Dein Reich komme” ist einfacher, und “Dein Wille geschehe” noch mehr. Aber wozu soll ich beten, dass sein Name geheiligt werde? Hat das mit meinem Leben überhaupt etwas zu tun? Ist das nicht Gottes Sache, dass er seinen Namen verherrlicht?

Beim Ringen über diese Worte bin ich über folgende zwei Zitate gestolpert:

»Dein Name werde geheiligt.« Darum habe ich auch gesagt, dass diese Worte nicht allein eine Bitte, sondern auch eine heilsame Lehre und Offenbarung für unser elendes und verdammungswürdiges Leben auf dieser Erde sind und uns mitsamt unserer Erkenntnis tief demütigen. Denn wenn wir bitten, sein Name möge in uns geheiligt werden, dann folgt daraus, dass er noch nicht geheiligt wird, denn wenn er geheiligt würde, brauchten wir nicht darum zu bitten. (Martin Luther, Auslegung des Vaterunsers für die einfältigen Laien, Zitat von “Aus der Tiefe, Herr, rufe ich aus zu dir“)

Wie lautet die erste Bitte des Vaterunsers? Jesus sagte: “Darum sollt ihr so beten: Unser Vater im Himmel!” (Mt. 6,9). Die erste Zeile des Gebets ist keine Bittschrift. Es ist eine Form der persönlichen Anrede. Das Gebet geht weiter: “Dein Name werde geheiligt. Dein Reich komme” (Mt 6,9-10). Wir verwechseln oft die Worte “Dein Name werde geheiligt” mit einem Teil der Anrede, als ob die Worte “Dein Name ist geheiligt” lauten würden. In diesem Fall wären die Worte lediglich eine Zuschreibung des Lobes an Gott. Aber so hat Jesus es nicht gesagt. Er sprach es als eine Bitte aus, als die erste Bitte. Wir sollten darum beten, dass Gottes Name geheiligt wird, dass Gott als heilig angesehen wird. Es gibt eine Art von Reihenfolge innerhalb des Gebetes. Gottes Reich wird niemals kommen, wo sein Name nicht als heilig angesehen wird. Sein Wille wird auf Erden nicht ebenso befolgt wie im Himmel, wenn sein Name hier entheiligt wird. Im Himmel ist der Name Gottes heilig. Er wird von den Engeln in einer heiligen Stille gehaucht. Der Himmel ist ein Ort, an dem die Ehrfurcht vor Gott absolut ist. Es ist töricht, das Reich Gottes irgendwo zu suchen, wo Gott nicht verehrt wird. Wie wir die Person und den Charakter von Gott, dem Vater, verstehen, beeinflusst jeden Aspekt unseres Lebens. (R.C. Sproul, aus “The Holiness of God“)

Es gibt so viele tolle Verheissungen aus der Bibel. Als Abschluss dieser kleinen Reihe will ich heute beschreiben, welche Verheissungen mir derzeit am wertvollsten sind. Es sind Dinge, die ich mir stetig vor Augen halte, ohne die mein Leben komplett anders aussehen würden. Es ist sozusagen ein persönliches Credo.

Doch zuerst eine kurze Zusammenfassung aus den letzten drei Beiträgen: Was ist Hoffnung?

  1. Hoffnung ist überschwänglich, sie ist lustig, unvernünftig, sie hat eine kindliche Energie.
  2. Die christliche Hoffnung unterscheidet sich diametral von dem, was wir auch als Hoffnung bezeichnen, aber besser mit “Gamble” beschrieben wird.
  3. Hoffnung ist nicht untätig, sondern wagt scheinbar Unmögliches, gestützt auf die Verheissungen Gottes.

1. Gott erhört Gebete

Naht euch zu Gott, so naht er sich zu euch.
Reinigt eure Hände, ihr Sünder,
Und heiligt eure Herzen, die ihr geteilten Herzens seid.
(Jak. 4,8)

Der Krux vom Gebet ist: Gott erhört es nicht sofort. Meist merke ich auch nicht, dass Gott präsent ist. Es gibt Ausnahmen, da werden Gebete sofort erhört respektive merke ich Gottes Präsenz so wie Elisas Diener, der plötzlich die feurigen Streitwagen sah.

Doch wenn ich ehrlich bin, stehe ich meistens am Morgen auf und gehe beten in der Hoffnung, dass Gott mein Gebet erhört. Das schöne ist: Gebet wird erhört. Eben nicht sofort, sondern allmählich und oft auch nicht so, wie ich erwartet hätte. Und die Nähe mit Gott wird mir auch geschenkt. Auch da: allmählich.

Die Verheissung ist aber gewaltig: Gott naht sich zu mir!? Habe ich diese Verheissung vor Augen, glaube ich diese Verheissung fest in meinem Herz, dann wandelt sich das Gebet zur wichtigsten Tat meines Tages.

Ein paar weitere Verse als Side-Kicks:

Ihr habt es nicht, weil ihr nicht bittet. Ihr bittet und bekommt es nicht, weil ihr in böser Absicht bittet, um es in euren Lüsten zu vergeuden. (Jak 4,2-3)

Bittet, so wird euch gegeben; sucht, so werdet ihr finden; klopft an, so wird euch aufgetan! (Mt 7,7)

Die Opfer, die Gott gefallen, sind ein zerbrochener Geist; ein zerbrochenes und zerschlagenes Herz Wirst du, o Gott, nicht verachten. (Ps 51,17)

2. Gott ist herrlicher als die Welt

Verkauft euren Besitz und gebt das Geld den Armen! Schafft euch Geldbeutel an, die nicht löchrig werden und legt euch einen unerschöpflichen Reichtum im Himmel an, wo kein Dieb ihn findet und keine Motten ihn fressen. (Lk 12,33-34)

Für uns Westler gibt es wohl keinen revolutionäreren Vers als diesen. Alles um uns herum drängt auf Karriere, Besitz, eigenes Haus und Geld auf dem Konto.

Darum ist es umso schwieriger, einem Vers wie diesem vollumfänglich zu vertrauen. Für meine Frau und mich sind Verse wie dieser so wichtig, so real, so wirklich geworden, dass wir angefangen haben, mehr darauf zu vertrauen als auf das, was die Welt um uns herum erzählt.

Wir haben diesen Vers ganz konkret umgesetzt: Wir haben unsere Dinge verkauft und das Geld den Armen gegeben. In über dreissig Beiträgen haben wir bereits darüber erzählt.

Unsere Hoffnung ist, dass wir mit dem Weggeben nichts verlieren, sondern etwas gewinnen. Die Schwierigkeit ist, wie beim Gebet, dass der Gewinn sich nicht sofort einstellt. Doch wir können ehrlich berichten, dass wir nicht enttäuscht wurden. Durch das Weggeben wurde uns eine Nähe zu Gott geschenkt, die wir vorher nicht kannten. Es hat sich schon jetzt als guten Tausch erwiesen. So wie Jesus in Mk 10,29-30 beteuert, dass jeder, der seinen Besitz weggibt, schon in diesem Leben hundertfältigen Lohn empfängt.

Das Geben ist immer ein Hoffen auf Gott. Eine Gewissheit in die unsichtbare Verheissung. Denn wenn die Verheissung ausbleiben würde, dann wäre das Weggeben tatsächlich bloss Schaden.

Ein paar weitere Verse als Side-Kicks:

Wenn das Weizenkorn nicht in die Erde fällt und stirbt, so bleibt es allein; wenn es aber stirbt, so bringt es viel Frucht. (Joh 12,24)

Wer sein Leben liebt, der wird es verlieren; wer aber sein Leben in dieser Welt hasst, wird es zum ewigen Leben bewahren. (Joh 12,24)

3. Jesus hat mir eine Wohnung im Himmel vorbereitet

Euer Herz erschrecke nicht! Glaubt an Gott und glaubt an mich! Im Haus meines Vaters sind viele Wohnungen; wenn nicht, so hätte ich es euch gesagt. Ich gehe hin, um euch eine Stätte zu bereiten. (Joh 14,2)

Obwohl mir Gott schon hier auf Erden Lohn gibt dafür, dass ich täglich mein Kreuz auf mich nehme, bleibt doch der grosse Lohn noch aus. An diesem Punkt liegen die Prediger des Wohlstandsevangeliums falsch. Sie predigen, dass sich der Lohn schon auf Erden einstellt. Tut er aber nicht. Wieso ist sonst Jesus am Schluss gestorben, und zwar ohne Besitz und mit einer Schar von Jüngern, in welche er seine ganze Energie steckte, die ihn aber zum Zeitpunkt der Not verliessen? Das wäre gemäss Wohlstandsevangelium der ultimative Fail gewesen.

Wenn ich all den Lohn für die Nachfolge allein in diesem Leben erwarte, dann bin ich der “elendeste unter allen Menschen“, denn dies ist eine falsche Hoffnung, die sich nicht bewahrheiten wird.

Was mich hält, Jesus nachzufolgen, ist meine feste Zuversicht auf den Himmel. Ich merke: Mache ich meine Nachfolge abhängig von sichtbaren Erfolgen auf der Erde, dann wird sie wie ein Fähnlein im Wind. Stellt sich Segen ein, so folge ich Jesus begeistert nach, bleibt der Segen aus, dann setze ich lieber wieder etwas mehr auf die Welt.

Ein paar Verse als Side-Kick:

Diese [Hoffnung] halten wir fest als einen sicheren und festen Anker der Seele, der auch hineinreicht ins Innere (Heb 6,19)

Wenn unser irdisches Zelt abgebrochen wird, haben wir eine Wohnung von Gott, ein nicht von Menschenhand gebautes ewiges Haus in den Himmeln. (2. Kor 5,1)

4. Jesus hat mich erwählt, nicht ich ihn

Nicht ihr habt mich erwählt, sondern ich habe euch erwählt und euch dazu bestimmt, dass ihr hingeht und Frucht bringt und eure Frucht bleibt (Joh 15,16)

Dass Jesus mich erwählt hat und nicht umgekehrt, fällt mir leicht zu glauben. In meiner Bekehrungsgeschichte habe ich erzählt, dass ich kein Interesse an Gott hatte, bis er in mein Leben hineingriff und mir die Sehnsucht nach ihm erweckte.

Was mir schwerer fällt zu glauben ist, dass er mich dazu bestimmt hat, Frucht zu bringen. Meine Schwachheit ist mir stets vor Augen. Ich gehöre zu der Sorte von Menschen, die sich im Vergleich mit anderen Menschen als minderwertig ansehen. Daher ist mir dieser Vers so wichtig geworden, denn Jesus hat mich dazu bestimmt, Frucht zu bringen, und wer bin ich, ihn dabei zu hinterfragen?

Ein paar Verse als Side-Kick:

So? Was bildest du dir ein? Du bist ein Mensch und willst anfangen, mit Gott zu streiten? Sagt etwa ein Gefäss zu dem, der es geformt hat: »Warum hast du mich so gemacht, ‘wie ich bin’?« (Röm 9,20)

Denn wir sind seine Schöpfung, erschaffen in Christus Jesus zu guten Werken, die Gott zuvor bereitet hat, damit wir in ihnen wandeln sollen. (Eph 2,10)

Auch zündet niemand eine Lampe an und stellt sie dann unter ein Gefäss. Im Gegenteil: Man stellt sie auf den Lampenständer, damit sie allen im Haus Licht gibt. (Mt 5,15)

5. Jesus eröffnet in jeder Versuchung einen Ausweg

Gott aber ist treu; er wird nicht zulassen, dass ihr über euer Vermögen versucht werdet, sondern er wird zugleich mit der Versuchung auch den Ausgang schaffen, sodass ihr sie ertragen könnt. (1. Kor 10,13)

In Versuchungen fühle ich mich von Gott verlassen. Es fühlt sich so an, als hätte der Teufel gerade uneingeschränkten Zugriff auf mich erhalten, als wäre ich ihm ausgeliefert.

Gottes Gebot ist nicht, zu kämpfen, sondern zu erdulden (Jak 1,12) und zu fliehen (1. Kor 10,14). Also nicht den Starken zu spielen, sondern geduldig zu warten.

Soweit sein Gebot. Seine Verheissung dabei ist, dass er zeitgleich einen Ausweg schafft. Ich stelle mir Harry Potter vor in Hogwarts, der gerade in einem Sackgasse-Gang steht, ohne Türen und von vorne von irgendeinem Typen angegriffen wird. Statt zu kämpfen, ertastet Harry die Wände und plötzlich findet er die verborgene Tür und geht hindurch.

So habe ich Versuchungen immer wieder erlebt. Sie nehmen zu und zu, ich halte durch und plötzlich geht die verborgene Türe auf, der Ausgang, der Gott “zugleich mit der Versuchung” geschaffen hat.

Ein paar Verse als Side-Kick:

So unterwerft euch nun Gott! Widersteht dem Teufel, so flieht er von euch (Jak 4,7)

Glückselig ist der Mann, der die Anfechtung erduldet; denn nachdem er sich bewährt hat, wird er die Krone des Lebens empfangen, welche der Herr denen verheissen hat, die ihn lieben (Jak 1,12)

Hoffnung hat häufig diesen passiven Beigeschmack. “Die Hoffnung stirbt zuletzt” klingt wie eine Aushalte-Parole.

Im Beitrag von gestern habe ich geschrieben, wie ich mich monatelang auf ein Google-Interview vorbereitet hatte. Die Hoffnung auf eine tolle Stelle hat mich nicht untätig sein lassen! Und dabei war diese Hoffnung noch nicht mal eine Hoffnung im christlichen Sinn, sondern ein Gamble, eine Wette, ein Risiko.

Was würde geschehen, wenn wir unser Leben konsequent auf die Verheissungen Gottes stellen würden? Die Hoffnung auf die Erfüllung seiner Verheissungen ist die wahre, christliche Hoffnung, und sie ist nicht “Säen in Hoffnung”, sondern eine unabänderliche Zukunftsprognose.

Ein Vorbild auf das absolute Vertrauen in Gottes Verheissungen ist für mich Hudson Taylor. Er traute jedem einzelnen Wort der Bibel. Sie war sein Wegweiser und er richtete seine Lebensführung, seine Mission, einfach alles nach ihr aus. Ein paar Theologiestudenten fragen ihn: “Wie können Sie nur an jedes Wort der Bibel glauben?”. Er antwortete sinngemäss:

Wenn Sie eine Fahrt mit der Eisenbahn antreten wollen, dann richten Sie sich nach dem Kursbuch. Sie stellen vermutlich keine weiteren Untersuchungen darüber an, ob man dem Kursbuch vertrauen kann. Genau so habe ich es seit fünfzig Jahren mit der Bibel und ihren Geboten und Zusagen gehalten, und ich habe ihre Weisungen auch unter Todesgefahren immer für zuverlässig befunden. Wenn zum Beispiel in der Bibel steht: »Trachtet zuerst nach dem Reich Gottes und nach seiner Gerechtigkeit, und dies alles wird euch hinzugefügt werden« (Matthäus 6,33), so habe ich mich danach gerichtet, und ich bin in allen kritischen Lebenslagen nie enttäuscht worden. Handeln Sie ebenso, und Sie werden dieselbe Erfahrung machen! (aus “Die Zuverlässigkeit der Bibel“)

Hudson Taylor wuchs in England auf und hat sich auch da zu Gott bekehrt. Nach ein paar Jahren berief ihn Gott, nach China zu gehen und dort das Evangelium zu verkünden. Daraufhin suchte er einen Missionar auf, in der Hoffnung von ihm Zuspruch für seine Pläne zu erhalten. Aber der Missionar tat das Gegenteil: Er wollte Taylor von seinem Vorhaben abbringen:

“Niemals würden Sie nach China passen”, rief dieser nach ihrer Unterredung mit ihm aus. Er wies dabei auf Hudsons blondes Haar und seine blauen Augen. “Sie heissen mich sogar ‘roter Teufel’! Gewiss würden die Chinesen bei Ihrem Anblick davonlaufen und nie vermöchten Sie, diese zum Zuhören zu bringen.”
“Es ist aber Gott, der mich nach China gerufen hat”, antwortete Hudson Taylor. “Er kennt die Farbe meines Haares und meiner Augen.” (aus “Hudson Taylor: Ein Mann, der Gott vertraute“)

Taylor liess nicht ab, an Gottes Ruf zu glauben, obwohl viele in seiner Umgebung ihn von seinem Vorhaben abbringen wollten. Er ging dann nach China, lernte die Sprache und begann, Menschen für Christus zu gewinnen. Bald merkte er: alleine richtet er zu wenig aus. Es braucht viel mehr Missionare, um das Land zu evangelisieren. Zurück in England suchte er Missionsgesellschaften auf. Hudson Taylor und seine Freunde…

suchten Vertreter der größeren Missionsgesellschaften auf und breiteten vor ihnen den Anspruch der nicht evangelisierten Millionen Chinas aus. Überall wurden sie freundlich angehört. Man kannte die Tatsachen. Doch niemand wollte etwas unternehmen. Zwei Einwände wurden immer wieder angeführt: Geldknappheit und der Mangel an Missionaren. Dazu kam die Frage, wie die fernen Provinzen je erreicht werden sollten, selbst wenn Geld und Missionare vorhanden wären. Der im Jahre 1860 geschlossene Vertrag sicherte zwar Reisen und sogar das Niederlassungsrecht im Inland, aber dennoch lautete der Bescheid: »Wir müssen warten, bis sich durch Gottes Vorsehung die Türen öffnen. Augenblicklich können wir nichts tun.«

Hudson Taylor erwiderte:

In Seinem Befehl “Gehet hin in alle Welt und verkündigt das Evangelium aller Welt!” hatte der Meister nichts über Politik oder Finanzen gesagt. Sein Befehl lautete: “In alle Welt” und Seine Verheissung: “Ich bin bei euch alle Tage”. Musste diesem Befehl nicht mit Vertrauen und völligem Gehorsam begegnet werden? (aus “Hudson Taylor: Ein Mann der Gott vertraute“)

Ich könnte noch viele Zitate von Hudson Taylor anführen. Alle zeugen sie von einer Einstellung eines unbedingten Vertrauens in die Zusagen Gottes. Hudson Taylor ist für mich die Sekundärliteratur der Bibel, denn sie zeigt mir, was passiert, wenn ich jedem Vers der Bibel uneingeschränkt vertraue und die Erfüllung der Verheissungen erwarte.

Und diese Hoffnung ist nicht untätig, sondern geht, wie in Taylors Fall, nach China um eine Nation zu evangelisieren.

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