Meine Bekehrungsgeschichte in drei Teilen - Teil 2

Beitrag von meiner Frau

Genau zu dem Zeitpunkt, als ich die erwähnte unglückliche Beziehung begann, wurde ich mitten in Zürich, einen Katzensprung von dem Restaurant entfernt, wo ich arbeitete, von zwei jungen Frauen angesprochen, die mich in den Gottesdienst ihrer Gemeinde einladen wollten.

Was sie mir sagten, weiss ich nicht mehr, aber es endete damit, dass ich ihnen meine Nummer gab, damit sie mit mir ein Treffen vereinbaren konnten. Ein wenig hoffte ich wohl, sie würden meine Nummer verschusseln und sich nie mehr melden. Aber sie waren sehr zielstrebig, riefen mich kurz darauf an und wir trafen uns zu einem Gespräch in einem Café.

Das wurde der Anfang einer langen Reihe von Gesprächen. Ich hatte unendlich viele Fragen über den Glauben und wollte alles ganz genau wissen. Sie wiederum waren um Antworten nicht verlegen und schienen ein fundiertes Wissen zu haben. Endlich waren da Menschen, die wussten, wovon sie sprachen!

Irgendwann stellte ich dann eine Frage, die mir seit Jahren auf dem Herz brannte: Wie kann ich wissen, dass ich Christ bin? Wie kann ich mir sicher sein? Ich erzählte von den vielen Malen, wo ich Jesus gebeten hatte, in mein Herz zu kommen und von meiner Unsicherheit, die dennoch immer da war. Ihre Antwort war: indem du dich taufen lässt. Die Taufe ist der Zeitpunkt, wo wir gerettet werden. Am Anfang steht die Umkehr, d.h. dass man seine Sünden bekennt und bereut. Danach kommt die Entscheidung, Gott ganz nachzufolgen, und die Taufe. In der Taufe wird man gerettet.

Ich war so froh, dass mir endlich jemand einen klaren Weg aufzeigte! Gleichzeitig erinnerte ich mich, dass ich einige Jahre zuvor mit zwei Freundinnen einen Bibelkurs bei einem Pfarrer gemacht hatte. Zum Thema Taufe hatte er nur sehr unklare und schwammige Antworten gehabt und ich hatte nie verstanden, wieso die Taufe überhaupt nötig war. Jetzt wusste ich es endlich.

Es folgte ein halbes Jahr Bibelstudium. In dieser Gemeinde war es üblich, dass man mit Interessierten einen persönlichen Bibelkurs durchführte, in dem alle wichtigen Themen des Glaubens besprochen wurden. Bei manchen dauerte das kürzer (siehe die Bekehrungsgeschichte von meinem Mann), bei mir etwas länger.

Es war eine intensive Zeit. Ich war hin- und hergerissen. Einerseits merkte ich, dass ich mit Gott ernst machen musste. Ich konnte nicht einfach ein bisschen glauben und mir ansonsten mein Leben selbst zurechtschneidern. Ich hatte ja mit dieser verbotenen Beziehung gemerkt, wohin das führte. Ich wollte ganz für Gott leben. Andererseits spürte ich, dass ich da in eine Gemeinschaft kam, in der das Leben ziemlich straff geordnet war, und ich hatte Angst, meine Freiheit zu verlieren.

Unterdessen hatte ich auch an einem oder zwei Gottesdiensten teilgenommen und mehr Leute kennengelernt. Alle waren sehr zuvorkommend und nahmen mich ohne Vorbehalte in ihrer Gemeinschaft auf. Übrigens hatten mir die neu kennengelernten Freundinnen auch geholfen, mit meiner Beziehung aufzuhören. Dafür bin ich ihnen sehr dankbar.

Ein halbes Jahr später hatte ich mich durchgerungen: Ich war bereit, mich taufen zu lassen. Ich hatte meinen Mentorinnen und Gott meine Sünden bekannt, wir waren sogar mal auf der Strasse gewesen, um - genau wie bei mir damals - Leute einzuladen. Der Tauftermin wurde auf den 21. Januar 2001 festgelegt, ich war 22 Jahre alt. Irgendwie freute ich mich darauf, weil ich mich endlich ganz für Gott entschieden hatte und gleichzeitig sicher sein konnte, dass ich gerettet wurde. Andererseits erinnere ich mich an fast depressive Gefühle. Ich wusste, dass ich, um in den Himmel zu kommen, dafür in Kauf nehmen musste, mein ganzes restliches Leben in einem - wie ich es empfand - Gefängnis zu verbringen. In einer Gemeinschaft, wo vieles vorgeschrieben war und die in fast alle Bereiche des Lebens eindrang. Von meiner ersehnten Freiheit blieb nicht mehr viel übrig. Aber ich war überzeugt, dass ich keine andere Wahl hatte, wenn ich in den Himmel kommen wollte.

Bezeichnenderweise war mein Taufvers Joh. 8, 31-32: “Wenn ihr bleiben werdet an meinem Wort, so seid ihr wahrhaftig meine Jünger und werdet die Wahrheit erkennen, und die Wahrheit wird euch frei machen.”

Ich wusste, dass es in diesem Vers um Freiheit von der Sünde geht. Das störte mich ein bisschen, denn ich verstand nicht, dass man in der Sünde gefangen ist, wenn nicht Jesus einen durch seinen Tod am Kreuz frei macht. Aber ich hatte immer noch die Hoffnung, echte Freiheit zu finden und klammerte mich deshalb an diesen Vers.

So wurde ich also ein Mitglied dieser Gemeinde und tauchte in ein ganz neues Leben ein. Ich war Teil einer Studentengruppe, die viel zusammen unternahm und wie eine Familie wurde. Noch heute habe ich zu einigen von ihnen Kontakt. Es entstanden Freundschaften fürs Leben. Später wohnten wir auch zusammen in WGs. Wir veranstalteten regelmässig Parties, wozu wir Interessierte einluden, damit sie Gott kennenlernen konnten.

Ich lernte auch einige nette Jungs kennen und genoss es, von der Männerwelt nicht mehr links liegen gelassen zu werden. Einer von ihnen wurde später mein Mann…

Doch obwohl ich täglich in der Bibel las und betete, alle Gottesdienste, Andachten und Frühgebete besuchte, Leute auf der Strasse einlud, mit einer Mentorin wöchentlich über meine Fortschritte sprach und meine Sünden bekannte und mit Interessierten die Bibel studierte, stellte sich nach nicht allzulanger Zeit das gleiche nagende Gefühl ein wie früher: Ich fragte mich einmal mehr, ob ich wirklich Christ war. Diesmal waren die Fragen ein bisschen anders: Hatte ich bei der Taufe alles richtig gemacht? Hatte ich auch wirklich alle meine Sünden bekannt? Nein - nicht ganz, musste ich zugeben. Vielleicht hatte das die ganze Taufe ungültig gemacht und ich kam nicht in den Himmel. Ich war ironischerweise wieder am selben Ort wie vorher.

Schliesslich besprach ich meine Fragen mit einer erfahrenen Christin. Sie versicherte mir, dass meine Taufe gültig sei. So war das Thema vorerst vom Tisch. Aber meine Beziehung zu Gott wuchs nicht. Obwohl mir alle versicherten, was für grosse Fortschritte ich im Glauben mache, fühlte ich mich wie in einem geistlichen Nebel. Ich war völlig orientierungslos. Bibel lesen war ein tägliches To Do, beten eine Qual.

Mittlerweile geschahen in meinem persönlichen Leben einige Dinge, die meine Verwirrung mit dem Glauben in den Hintergrund treten liessen. Ich hatte in der Studentengruppe einen Freund gefunden und war überglücklich. Zwei Jahre später heirateten wir. Ich schloss mein Studium ab und wir gründeten eine Familie. In der Gemeinde war einiges geschehen und die engen Regeln hatten einer grösseren Gestaltungsfreiheit Platz gemacht. Mit Gott kam ich trotzdem nicht recht weiter und ich erinnere mich, dass ich einmal dachte: Vielleicht lerne ich Altgriechisch und Hebräisch und versuche die Bibel in ihrer Originalsprache zu lesen. Das könnte meine Nische im Christentum sein.

Mit Schwangerschaft und Geburt unseres ersten Kindes kamen einige Schwierigkeiten auf mich zu, die mich an meine Grenzen brachten. Unser Kind schlief zwei Jahre lang nicht durch. Und nicht nur das, es war immer wieder nächtelang sehr unruhig, sodass ich nicht schlafen konnte und immer gereizter wurde. Immer wieder flehte ich Gott in der Nacht an: “Mach, dass unser Kind einschläft, jetzt! Ich halte es nicht mehr aus!” Aber Gott beantwortete meine Gebete nicht. Mehrmals geschah es, dass ich mich darauf von Gott lossagte. Ich wollte nichts mehr mit ihm zu tun haben. Am nächsten Morgen befiel mich dann die Angst, ich sei jetzt für immer und ewig verloren. Was, wenn ich die Sünde begangen hatte, die nicht vergeben werden kann? Ich entschuldigte mich bei Gott und hoffte, dass er mich wieder annahm.

So ging das monatelang und ich stürzte in eine grosse Glaubenskrise. Was bringt es zu Gott zu beten, wenn er nicht hört? Wie kann ich einem Gott vertrauen, der mir nicht hilft in der Not? In meiner Verzweiflung fand ich eine beängstigende Antwort: Gott will mich nicht. Ich gehöre nicht zu den Erwählten. Ich möchte zwar zu ihm kommen, aber es ist unmöglich. Ich erinnerte mich an den Vers:

Wir wissen aber, dass denen, die Gott lieben, alle Dinge zum Besten dienen, denen, die nach seinem Ratschluss berufen sind. (Römer 8,28)

Schon immer hatte mich dieser Zusatz (denen, die nach seinem Ratschluss berufen sind) verwirrt, aber jetzt glaubte ich, die Wahrheit darüber zu erkennen: Diejenigen, die nicht berufen sind, können gar nicht zu Gott kommen, auch wenn sie wollen! Dabei übersah ich natürlich, dass es auch Verse wie die Folgenden gibt:

Alle, die der Vater mir gibt, werden zu mir kommen, und wer zu mir kommt, den werde ich nicht hinausweisen.(Johannes 6, 37)

Ihr werdet mich suchen und finden; denn wenn ihr mich von ganzem Herzen suchen werdet, so will ich mich von euch finden lassen, spricht der Herr.” (Jeremia 29, 13-14)

Diese falsche Erkenntnis stürzte mich in eine bodenlose Verzweiflung. Ich erinnere mich, dass ich zu Gott schrie: “Gott, wenn es nicht möglich ist, zu dir zu kommen, dann töte mich bitte! Dann habe ich keinen Grund mehr zu leben.” Ich meinte dieses Gebet todernst. Es war alles oder nichts. Mein Innerstes war entblösst vor Gott. Es gab nur entweder - oder. Entweder zu Gott kommen oder sterben. Vielleicht hatte ich wirklich zum ersten Mal Gott von ganzem Herzen gesucht.

Und Gott antwortete! Natürlich nicht, indem er mich tötete, denn es ist ja möglich, zu ihm zu kommen! Gottes Antwort kam kurze Zeit später. Wieder einmal eilte er mir zu Hilfe und diesmal veränderte sich alles.

Dies ist der zweite mögliche Zeitpunkt meiner Bekehrung, im Sommer 2008.

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