Dies ist der letzte Beitrag zum Selbstversuch: Sparen mit Bio.
Wieso habe ich diesen Versuch gemacht?
Ich bekam einige Rückmeldungen, die nahelegten, dass das Verständnis für so ein (extremes) Experiment begrenzt ist. Was ist unser Ziel? Totale Selbstkasteiung? Wollen wir jetzt immer so leben? Keine Schokolade und keinen Honig mehr essen? Nur noch mikroskopisch kleine Mengen Fleisch auftischen? Arm spielen?
Ich verstehe natürlich, dass es nicht jedermanns Sache ist, so einen Versuch zu wagen. Unsere Kinder haben auch ein bisschen gespottet. Aber ich fand es einfach interessant, so etwas mal auszuprobieren, für eine begrenzte Zeit.
Die eigentliche Idee dahinter war ja zu schauen, ob die Aussage: “Bio ist nur für Reiche” stimmt. Natürlich wollte ich diese Aussage widerlegen. Am Ende des Monats muss ich sagen: Die Antwort ist: Ja und nein.
Angefangen habe ich mit 500 Franken pro Monat, sprich: 125 Franken für die erste Woche. Zugegeben, das ist wirklich sehr wenig. Davon zahlte ich Essen und Nebenkosten für unseren vierköpfigen Haushalt. Unsere Tochter ist zehn, unser Sohn ist dreizehn und isst wie ein Erwachsener. Ausserdem arbeitet mein Mann zu 100% im Homeoffice (deswegen hatten wir zuletzt unser Haushaltsgeld um 100 Franken pro Monat aufgestockt; das war vor dem Versuch).
Am Ende der ersten Woche musste ich sagen: Überleben ist möglich. Auch dank noch vorhandenen Vorräten. Aber natürlich würde ich keinem, der tatsächlich mit so wenig Geld über die Runden kommen muss, zumuten, dass er nur nachhaltige Produkte kauft.
Deshalb aus dieser Sicht ein “Ja”. Nur nachhaltig einzukaufen ist für jemanden mit sehr kleinem Budget nicht machbar. Diese Bürde würde ich niemandem aufzwingen wollen und ich würde es selbst auch nicht machen.
In der dritten und vierten Woche war mein Budget je 175 Franken, also aufgerechnet 700 Franken pro Monat. Ohne Nebenkosten (die sich übrigens für diesen Monat auf 40.75 beliefen).
Mit diesem grösseren Betrag liess sich schon etwas besser auskommen, allerdings würde ich auf die Dauer auch hier billigere (aber nicht Billig-) Produkte einbauen, um nicht Selbstkasteiung zu betreiben.
Es gibt also gewisse Grenzen, bzw. unter einem gewissen Budget ist nachhaltiger Einkauf schwer durchzuführen.
Wenn ich allerdings nach Schweizer Budget-Vorlagen suche, mit verschiedenen Einkommen und Familiengrössen, dann ist das tiefste Budget-Beispiel, das für eine Familie mit zwei Kindern aufgeführt ist, 1020 Franken. Ohne Nebenkosten 900 Franken. Also um einiges grösser als das, womit ich auszukommen versucht habe. Somit wären wir auf einem Niveau, wo Nachhaltigkeit doch wieder machbar(er) wäre. Dann wäre die Antwort doch wieder: Nein. Bio ist nicht nur für Reiche.
Was ich in den vier Wochen gelernt habe, ist, dass Bio nicht überall sündhaft teuer sein muss. Nehmen wir z.B. Gemüse. Wenn ich darauf achte, welche Sorte ich kaufe, kann ich ziemlich billig einkaufen. Dasselbe beim Fleisch: Wenn ich nicht die teuren Stücke kaufe und nicht jeden Tag Fleisch auf den Tisch bringe, kann ich auch da mit relativ wenig Geld auskommen. Und wenn ich mich mit Leber anfreunden kann, muss ich vielleicht nicht mal bei der Menge sparen… (Übrigens wagte ich mich diese Woche daran, aber drei Viertel der Familie fand die Konsistenz und der süssliche Geschmack von Leber zu gewöhnungsbedürftig. Letztendlich musste mein Mann den grössten Teil davon essen…)
Auch Teigwaren (wenn ich nicht gerade handgemachte kaufe), Reis und andere Getreide, Hülsenfrüchte, Mehl, Zucker und Salz sind in Bio-Qualität erschwinglich. Selbst Gewürze fallen nicht so sehr ins Gewicht, da die Mengen hier sehr klein sind.
Dann gibt es einige Dinge, die sehr teuer sind. Abgesehen von Edel-Produkten wie Trüffel-Öl oder gefriergetrockneten Erdbeeren, die sowieso nicht auf meinem Einkaufszettel stehen, gibt es eine Reihe von Nahrungsmitteln, die (v.a. in Bio-Qualität) schnell ziemlich ins Geld gehen. Dazu gehören:
Käse
Butter
Fleisch
Fisch
Olivenöl
Nüsse
Kaffee
Sojasauce
Also heisst es hier: bei der Menge sparen. Oder eben nicht nachhaltig einkaufen…
Was soll ich nun sagen? Einerseits finde ich, wenn man nicht gerade unter der Armutsgrenze lebt, kann man sich schon Gedanken über nachhaltigen Einkauf machen. Vorausgesetzt, man ist bereit, sich ein wenig einzuschränken. Andererseits möchte ich mir nicht anmassen, jemandem vorzuschreiben, wie er einkaufen soll. Oder, dass er zulasten seiner gewohnten Ernährung auf Bio umstellen soll. Da muss natürlich jeder selber entscheiden und bei jedem wird der Mix von nachhaltig und billig wieder anders aussehen. Auch ich kaufe ja nicht alles Bio ein.
Was natürlich in dieser ganzen Überlegung auch mitspielt, ist die Frage, wie ich mein gesamtes Einkommen einteile. Das Budget, das ich mir für den Haushalt festlege, hängt ja auch sehr davon ab, wie viel ich für andere Posten brauche. Sprich: Wenn ich mehr Geld für anderes brauche, bleibt weniger für den Haushalt übrig. Damit kommen wir wieder zu den Themen Minimalismus und Zero Waste. Die Rechnung ist logisch: Durch weniger Anschaffungen, weniger Mehrwegprodukte, mehr Gebrauchtes anstatt Neues, mehr sich zufriedengeben mit dem, was man hat, bleibt mehr Geld übrig. Und das kann dann, ausser zum Spenden, vielleicht zu einem gewissen Teil auch für nachhaltig produzierte Nahrung eingesetzt werden.
Eine interessante Entdeckung habe ich aber gemacht: Es ist tatsächlich möglich, gleichzeitig nachhaltig einzukaufen und zu sparen. Es stand ja auch ein bisschen die Frage im Raum: Kann ich es als Christ verantworten, zugunsten der Nachhaltigkeit bei der Nahrung so viel (für mich selbst) auszugeben, wenn ich doch auch die Möglichkeit hätte, billigere Produkte einzukaufen und das gesparte Geld zu spenden?
Meine Antwort heisst nun: Ja, ich kann es verantworten. Denn ich brauche gar nicht übermässig viel Geld für nachhaltiges Einkaufen. Ich war selbst freudig überrascht, als ich am Ende das übrige Geld zusammenzählte und sah: Ich konnte fast 600 Franken einsparen in diesem Monat! Zu Beginn des Experiments rechnete ich so halb damit, dass ich am Schluss sagen müsste: Ich kann höchstens 10 Prozent von meinem üblichen Budget einsparen. Bio hat einfach seinen Preis. Aber es waren fast 50 Prozent. Natürlich werde ich längerfristig nicht ganz so viel einsparen können. Aber was gespart ist, ist gespart. Ausser einer kleinen Summe, die ich für Gemüsesetzlinge und Samen auf die Seite tue, werde ich das Gesparte spenden. Wohin weiss ich noch nicht.
Das Schlüsselwort heisst wie immer: Genügsamkeit. Mittlerweile ist das eines meiner Lieblingswörter geworden. Genügsamkeit heisst: Das Gemüse zu kaufen, das Saison hat und es gelassen hinzunehmen, wenn das im Moment bedeutet: Es gibt jede Woche Rüebli, Kartoffeln, Zuckerhut und Lauch. Es gibt doch diesen Satz: “If God gave you a lemon tree, then make some lemonade.” In meinem Fall heisst das: Wenn ich nur Rüebli und Lauch zur Verfügung habe, mache ich etwas daraus. Es hat mich schon immer gereizt, mit wenig auszukommen und das Rätsel zu lösen, wie man trotzdem etwas Interessantes daraus machen kann. Das ist viel spannender, als einfach alles zu kaufen, wozu man gerade Lust hat oder was das Rezept vorgibt.
Es kann auch heissen: Schauen, wie die Familie auf Rapsöl anstatt Olivenöl reagiert. Oder welche Zutaten ich weglassen kann, ohne dass es jemand merkt. Oder mich zu überwinden und doch einmal Leber einzukaufen, mit der Gefahr, dass es ein völliger Reinfall wird. Übrigens haben wir entdeckt, dass wir zwar keine Leber mögen, Leberwürste hingegen sind im Winter zu einem beliebten Sonntagsessen geworden.
Und schliesslich habe ich auch beim Thema Essen und Ernährung vor Augen: Ich lebe nicht für mich selbst. Deshalb kann ich mich gelassen mit dem begnügen, was es gibt und muss mir nicht alles gönnen. Das ist ein wunderbares Gefühl!
Zum Schluss: Nach einem Monat ohne Schokolade muss ich erstaunlicherweise sagen: Es fehlt mir nicht (allerdings habe ich als kleinen Trick auch nicht gerade meine Lieblingsschokolade für die Kinder gekauft). Also werde ich das mal so beibehalten.
Auch nach dem Honig hat niemand mehr gefragt. Ich warte also mit kaufen, bis die Nachfrage wieder da ist…