Gastbeitrag meiner Frau zu Minimalismus und Zero Waste (6) - Was hat Nachhaltigkeit mit Gott zu tun? Ein bisschen Ethik - und unser Herz dahinter

Minimalismus ist der Versuch, mit möglichst wenig Dingen auszukommen.

Das ist natürlich eine Idee, die nur in einer Überfluss-Gesellschaft wie der unseren zustande kommen kann. Oder wie soll ich jemandem in einem Slum erklären, was Minimalismus ist, wenn er nur eine einzige Hose besitzt, die zudem noch zerrissen und verlöchert ist? (Oder einem Kind in demselben Slum beibringen, was Aufräumen heisst, wenn es in der ganzen Nachbarschaft nur einen einzigen Fussball gibt - und dieser darüber hinaus das einzige Spielzeug ist?)

Ein grosser Teil der Welt befindet sich nicht in der Luxus-Situation, darüber nachdenken zu können, ob er weniger haben möchte.

Aber da wir nun einmal in diesem Wohlstand und Überfluss leben, liegt es auch in unserer Verantwortung, uns damit auseinanderzusetzen.

Dasselbe gilt für die Abfallvermeidung. In armen Ländern liegt zwar mehr Abfall herum, aber das ist nur so, weil er nicht so fachgerecht und schnell entsorgt wird wie bei uns. (Man stelle sich einmal vor, unser wöchentlicher Abfall würde anstatt in saubere Säcke verpackt und abtransportiert einfach auf die Strasse geleert! Da wäre bald kein Durchkommen mehr..). In Wahrheit produzieren wir in den reichen Ländern ein Vielfaches an Abfall von dem der armen Länder. Der Grund ist ganz einfach, dass wir es uns leisten können, mehr zu kaufen und häufiger Neues zu kaufen - auch wenn wir es gar nicht brauchen (z.B. jede Saison neue Kleider, obwohl die alten noch nicht kaputt sind. Oder neue Möbel, weil uns die alten nicht mehr gefallen). Die Menge an Abfall, die ein Mensch produziert, nimmt proportional zu seinem Einkommen zu - das ist eine bewiesene Tatsache.

Es liegt also in unserer Verantwortung, was wir mit all dem Überfluss an Geld, Gütern und Abfall machen.

Nachhaltigkeit und Umweltschutz werden in der christlichen Welt manchmal ein bisschen wie Stiefkinder behandelt. Uns Christen geht es ja schliesslich primär darum, dass Menschen gerettet werden, nicht, dass unser Planet gerettet wird. Stimmt. Das denke ich auch. Und ich bin auch wahnsinnig froh darüber, dass es nicht unsere Aufgabe ist, die Welt zu retten. Gott wird einen neuen Himmel und eine neue Erde schaffen. Wie herrlich! Ja, ich bin wirklich froh, dass diese Last, die Welt vor dem Untergang zu retten, nicht auf unseren Schultern liegt. Ich kenne nämlich Menschen, die sich für Umweltschutz einsetzen und Gott nicht kennen. Und ich spüre, wie die Verantwortung sie niederdrückt. Und sie z.T. auch bitter und wütend werden.

Wenn Gott also sowieso eine neue Erde schaffen wird, könnten wir dann nicht - angelehnt an Römer 6,1 - sagen: “Dann können wir doch mit der Umwelt unachtsam umgehen und die Natur ausnutzen. Gott wird sowieso eine neue Erde machen!” Das sei ferne! Wie können wir als Kinder Gottes jemals mit Gottes Schöpfung nicht achtsam und respektvoll umgehen? Wie können wir sie nicht schützen, pflegen und erhalten?

Gott hat uns Menschen von allem Anfang an als Verwalter über die Schöpfung eingesetzt. Er hat uns die Verantwortung übertragen, die Erde zu pflegen und zu ihr zu schauen.

In 1. Mose 2,15 heisst es:

Und Gott der Herr nahm den Menschen und setzte ihn in den Garten Eden, damit er ihn bebaue und bewahre.

Wir tragen Verantwortung dafür, wie wir mit Gottes Schöpfung umgehen. Es ist unmöglich, sich vorzustellen, dass wir Gott von ganzem Herzen lieben und gleichzeitig seine Schöpfung zerstören und ausbeuten. Das passt in keiner Weise zusammen!

Selbst wenn man die ganze Argumentation vom Verwalten der Erde weglassen würde: Es geht bei der ganzen Thematik ja keineswegs nur um Klimaerwärmung, abgerodete Urwälder und Massentierhaltung - es geht auch um Menschen! Menschen sind von der Umweltzerstörung auch betroffen, nicht nur Tiere und Pflanzen. Und sie sind auch noch auf eine ganz andere Art betroffen:

Wenn wir uns hier billige Kleider (oder Haushaltartikel oder Spielwaren oder Einrichtungsgegenstände) kaufen, weil wir (auch als Christen!) immer mehr wollen und gleichzeitig immer weniger bezahlen wollen (damit wir uns noch mehr kaufen können!), werden wir damit Teil einer weltweiten Dynamik, die auch als moderne Sklaverei bezeichnet wird. Menschen z.B. in Südostasien arbeiten endlose Stunden jeden Tag für einen Hungerlohn, ohne Krankenversicherung, ohne Ferien und ohne Rechte, um für uns reiche Menschen billige Ware zu produzieren - für uns, die wir sowieso schon alles haben! - damit wir uns immer noch mehr kaufen können (und damit wieder Unmengen von Abfall produzieren, was wiederum ein Problem ist). Damit stellen wir uns als Herren über sie und sie müssen für uns arbeiten, ob sie wollen oder nicht. Denn häufig ist diese Arbeit ihre einzige Wahl, um überhaupt überleben zu können.

Ein übles Beispiel dafür ist Billig-Mode. Unsere Schränke platzen aus allen Nähten, während diejenigen, die sie für uns nähen, kaum genug zum Anziehen haben - weil die Kleider für uns möglichst billig sein müssen, damit wir uns mehr davon leisten können. (Ein guter und sehr bewegender Einblick in diese Thematik gibt der Film “The True Cost” - Der Preis der Mode (2015))

Ein anderes Beispiel sind Dekorations-Artikel, wie wir sie jetzt in der Weihnachtszeit überall sehen (und kaufen) konnten. Wenn man sie umdreht, um zu sehen, wo sie hergestellt wurden, steht meist ein ostasiatisches Land darauf. Ist es recht, dass Menschen im fernen Osten, die kaum genug zum Leben haben, für uns reiche Westler Dekorations-Artikel herstellen, damit wir unsere Häuser jede Saison mit neuen Gegenständen schmücken können? Dass sie wenig verdienen und schlechte Arbeitsbedingungen haben, um für uns Dinge herzustellen, die wir gar nicht brauchen?

Jakobus 5,3b-4 sagt Ähnliches (NGÜ):

Denn ihr habt Reichtümer angehäuft, und das, obwohl wir am Ende der Zeit leben! Schlimmer noch: Den Arbeitern, die eure Felder bestellen, habt ihr den Lohn vorenthalten - ein Unrecht, das zum Himmel schreit! Die Hilferufe derer, die eure Ernte einbrachten, sind dem Herrn, dem allmächtigen Gott, zu Ohren gekommen.

Wir enthalten unseren Arbeitern den gerechten Lohn vor, während wir selbst ein Leben in Luxus führen und uns immer mehr bereichern. Mein Herz tut weh, während ich das schreibe. Wir sollen doch als Christen nicht die Armen ausbeuten, sondern ihnen helfen!

Das bringt mich zum Herz hinter der Ethik. Ich habe den leisen Verdacht, dass hinter der Abwehr von nachhaltigem Leben mancher Christen eigentlich die selbstsüchtigen Wünsche ihrer menschlichen Natur stehen. Warum wollen wir nicht teureres Fleisch aus tierfreundlicher Haltung kaufen? - Weil wir uns dann weniger Fleisch leisten können. Warum kaufen wir nicht Waren, die in der Schweiz hergestellt wurden (wenn es sie denn gibt)? - Weil wir uns dann nicht mehr jedesmal etwas Neues kaufen können, wenn uns danach verlangt, sondern nur noch, wenn etwas kaputt gegangen und nicht mehr reparierbar ist - also, wenn wir es brauchen (ganz abgesehen davon, dass wir einen Grossteil der Dinge, die wir uns regelmässig kaufen, gar nicht brauchen; dazu mehr im Teil 3). Und wenn jemand Geld sparen muss, gibt es die Möglichkeit, Vieles gebraucht zu kaufen.

Es ist nicht etwa so, dass ich mich, was dieses Thema anbelangt, perfekt verhalten würde. Das ist mir wichtig zu sagen. Es ist nicht so, dass es mir gelingt, keine Dinge mehr zu kaufen, die unter schlechten Bedingungen hergestellt wurden. Im Alltag ist das gar nicht so einfach. Es ist unmöglich, erstens immer darauf zu achten, wo und wie etwas hergestellt wurde, zweitens dann konsequent nur das Nachhaltige zu kaufen (denn manchmal eilt es auch) und drittens, wenn es nichts Nachhaltiges gibt, zu verzichten. Bei Manchem wissen wir auch gar nicht, wie es hergestellt wurde. Auch bei uns kommt es vor, dass z.B. in der Familienbörse nichts ist, was unserem Teenager gefällt, und wir dann halt in einem Warenhaus Kleider kaufen. Auch ich gehe Kompromisse ein, und manchmal ist es mir auch einfach zu mühsam, den Extra-Aufwand zu betreiben. Ich bin weit davon entfernt, perfekt zu sein. Und eine globale Lösung für die ganze Problematik habe ich auch keine. Aber ich möchte, nachdem ich schon davon weiss, mein Bestes versuchen.

Und auch hier gilt wieder (wie immer…): Weniger Konsum. Weniger Konsum produziert weniger Abfall. Weniger Konsum ermöglicht es uns, Dinge zu kaufen, die nachhaltiger und unter besseren Arbeitsbedingungen hergestellt wurden. Weniger Konsum entwöhnt unsere Herzen vom Besitz und macht uns frei, auf dem Himmel zu schauen.

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