Nachtrag zu unserem immer noch vorhandenen gewissen Wohlstand

Beitrag von meiner Frau:

Ich habe zwar nicht tonnenweise Reaktionen auf meine Beiträge erhalten, aber doch ein paar. Auf eine möchte ich hier kurz eingehen:

Eine Leserin schrieb:

Mir fällt auf, […] dass euch trotz allem “Downsizing” doch ein gewisser Wohlstand zur Verfügung steht, wenn ihr euch zwischen Kaffeekapseln und Biokaffee entscheiden könnt.

Deshalb hier eine “Erklärung” zu unserem immer noch vorhandenen “gewissen Wohlstand”:

Ich war mir nicht ganz sicher, ob beim “Bio-Kaffee” eher das “Bio” als Edelprodukt gemeint war oder der Kaffee als nicht nötiges Genussmittel. Vielleicht auch beides? Die kurze Antwort heisst: Wir kaufen Kaffee, weil wir immer noch Kaffee trinken, Bio, weil uns Nachhaltigkeit wichtig ist und offen wegen der Verpackung. Dafür trinken wir ihn auch nicht literweise.

Die längere Antwort kommt hier:

Zum “Bio”: Ich glaube, es gibt, überspitzt gesagt, zwei verschiedene Herangehensweisen, die man nicht unbedingt gegeneinander ausspielen kann. Der eine sagt: Ich kaufe nur die billigsten Produkte ein, damit ich so wenig wie möglich für mich selbst ausgebe. Er kann es nicht mit seinem Gewissen vereinbaren, teure (Bio-)Produkte für sich selbst zu kaufen. Der andere sagt: Ich kann es nicht mit meinem Gewissen vereinbaren, Billig-Produkte zu kaufen, die Menschen unter schlechten Bedingungen hergestellt haben und der Umwelt schaden. Deshalb gibt er in diesem Bereich mehr Geld (für sich) aus. Wer hat nun recht? Ich glaube, da muss jeder so handeln, wie er es vor Gott verantworten kann, und das wird nicht bei allen gleich aussehen.

Ich persönlich kann mir, solange ich genügend Geld verdiene, um eine Wahlmöglichkeit zu haben, nicht vorstellen, Billig-Produkte zu kaufen. Ich würde mich schuldig fühlen. Aber eben, ich glaube, dass beide Ansichten ihre Berechtigung haben.

Abgesehen davon spare ich ja bei den meisten anderen Ausgaben Geld ein, da ich vieles entweder gar nicht kaufe, oder es gebraucht kaufe. Nur kann man aufs Essen leider nicht verzichten noch es gebraucht kaufen, also gebe ich hier gezwungenermassen mehr Geld aus. Nahrungsmittel sind teuer. Deshalb kaufe ich mir ja auch beim Essen nicht alles, was das Herz begehrt, sondern generell eher einfache Nahrung. Damit gebe ich etwa so viel Geld aus wie der Durchschnitts-Verdienende, der keine Bio-Produkte kauft. Ich kann jetzt da keine Studie vorweisen, aber es wäre ein interessanter Versuch, einmal zu schauen, wie viel (bzw. wie wenig) Geld ich ausgebe, wenn ich nachhaltig hergestellte Produkte kaufe, gleichzeitig aber konsequent von diesen möglichst billige und einfache und mehr oder weniger nur das Nötige. Vielleicht gibts dann irgendwann mal einen Artikel von mir über einen Selbstversuch…

Irgendwie meine ich schon, ein bisschen herauszuhören, dass Bio nur für Reiche ist, die sich selbst etwas Gutes tun wollen. Oder die von der Esoterik-Ecke kommen. Ja, im Bioladen gehen manche Leute einkaufen, deren Ansichten ich überhaupt nicht teile. Das ist aber in jedem Laden so.

Ob im Grossverteiler oder im Bioladen: an beiden Orten tummeln sich die verschiedensten Leute. Im Billig-Laden diejenigen, die nichts anderes vermögen genauso wie Leute, die aus Gier für noch mehr nur das Billigste kaufen. Im Bioladen die egozentrischen Gesundheitsfanatiker, die nur an sich und ihre Gesundheit denken, genauso wie Leute, die für faire und umweltverträgliche Produktion bereit sind, mehr Geld auszugeben. Und selbst wenn ich nicht zu beiden Extremen gehöre und, sagen wir, im Coop einkaufe, stehe ich am Schluss an der Kasse und habe mich entweder für Prix Garantie oder Naturaplan entschieden. Oder für die gängigen Mittelweg-Produkte. So oder so muss ich mich entscheiden, was zu kaufen ich vertreten kann. Es ist nun mal nicht so, dass es nur den einen Laden gibt, wo es nur die nötigsten Grundnahrungsmittel hat, so dass wir keine Wahl hätten. Und ich glaube, die meisten von uns sind finanziell nicht so schlecht dran, dass sie keine andere Wahl haben, als nur das Allerbilligste zu kaufen. Und selbst dann muss man immer noch entscheiden, was und wieviel von was man kaufen will. Jeder ist gezwungen, bei jedem Einkauf zu entscheiden, was er kauft, was nicht, von was nur wenig, was notwendig ist und was er sich dazu noch gönnen will oder kann. Und bei jedem von uns sind die Entscheidungen ein buntes Gemisch an rationalen Überlegungen, Überzeugungen, Vorlieben und momentanen Gelüsten.

Kommen wir zum Kaffee als Genussmittel. Niemand muss ja Kaffee kaufen. Dasselbe gilt für unzählige andere Nahrungsmittel (Wie ist es z.B. mit Süssigkeiten?). Ich könnte ja alles abschaffen, was nicht zum Überleben notwendig ist (das hat übrigens Hudson Taylor eine Zeit lang gemacht, als er das erste Mal von zu Hause weg war. Er lebte nur noch von Schwarzbrot, Äpfeln und Wasser). Das ist gar keine so einfache Frage. Vielleicht sage ich Folgendes dazu bzw. zu unserem “gewissen Wohlstand”:

  1. Ich möchte weder einen Nachhaltigkeits- noch einen Armuts-Preis gewinnen. Es war uns immer wichtig, nur das aufzugeben, was wir von Herzen tun können (ausser, Gott nimmt uns unerwarteterweise etwas weg, was auch schon vorgekommen ist). Sonst kommt es bald so heraus, dass wir eifersüchtig auf die schauen, die sich mehr gönnen als wir. Oder dass wir die Aufmerksamkeit auf unsere Selbstkasteiung lenken wollen.
  2. Man könnte uns natürlich vorhalten, dass wir mit unserem Akademiker-Lohn keine Ahnung haben vom Sparen. Ich hoffe, dass das nicht (mehr ganz) der Fall ist…
    Trotzdem ist es so, dass wir nie in der Situation waren, wo wir von einem Minimal-Lohn leben mussten. Alles, was wir nicht mehr kaufen, haben wir freiwillig weggelassen. Wir kommen also von “oben”, vom Überfluss her, nicht von “unten”, von finanzieller Not. Und deshalb haben wir auch nicht flächendeckend alles in unserem Leben aufs äusserste Minimum reduziert. Auch hier: es ist eine Momentaufnahme. Wir sind noch lange nicht am Ende. Aber da wir nicht gezwungen sind, müssen wir auch nicht alles von heute auf morgen verändern. Vielleicht werden wir eines Tages bei einer Missionsgesellschaft angestellt sein und von Spenden leben. Dann werden unsere Überlegungen und Entscheidungen wieder ganz anders aussehen.
  3. Wir sind weit davon entfernt, alles “richtig” zu machen. Das werden wir auch gar nie können. Erstens sehen wir immer nur einen Teil vom Ganzen, und zweitens betrügen auch uns unsere Herzen immer wieder. Aber Gott leitet uns trotzdem immer weiter. Und gerecht sind wir sowieso nicht wegen unseren Taten.

Vielleicht noch zum Schluss:

Ich glaube nicht, dass es so ist, dass nur die mit einem grossen Lohn von einer gewissen Gier oder von Egoismus betroffen sind, was das Geld anbelangt. Dass die gut Verdienenden zu viel für sich nehmen und zu wenig weggeben, während diejenigen mit einem knappen Einkommen halt nicht anders können, als nur für sich zu schauen und deshalb ein reines Herz haben. Ich sehe in viele Haushalte und interessanterweise häufen sich bei denen, die aufs Geld schauen müssen, genau so viele Dinge wie bei denen, die viel Geld zur Verfügung haben. Auch bei den Nahrungsmitteln tummelt sich vieles, was man nicht kaufen müsste, oder was nur auf den ersten Blick billig aussieht. Viele Leute, ob Viel- oder Wenigverdiener, machen sich herzlich wenig bis gar keine Gedanken darüber, ob sie einige Nahrungsmittel weglassen könnten oder ob z.B. selber kochen billiger sein könnte als Fertigprodukte zu kaufen. Ob sie auch mit wenig Geld noch etwas einsparen könnten, um andere zu unterstützen, die noch weniger haben als sie. Und die gibt es!

Es geht ja schlussendlich auch nicht darum, welchen tatsächlichen Geldbetrag wir spenden können oder wie viel Prozent von unserem Einkommen das ist. Es geht darum, dass wir genügsam sind und uns darüber freuen, wenn wir anderen mit unserem Geld helfen können.

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