#Bekehrungsgeschichte

Als Abschluss meiner Reihe über die “Real Life Guys” die Bekehrungsgeschichte von Philipp Mickenbecker.

Was mir an Bekehrungs-Geschichten gefällt: Sie machen Gottes Handeln sichtbar. Im Nachhinein. Durch verschiedene Menschen und Umstände. So war das auch bei mir. Im Moment verstand ich nicht, was gerade mit mir passiert, erst im Nachhinein begriff ich es. Und auch bei mir war es so, dass Gott durch verschiedenste Menschen und Umstände die Bekehrung orchestrierte. Es ist der Moment, wo Gott aus dem Nichts den Glauben eines Menschen formt. Jedes Mal faszinierend.

Nein, es ist nicht so, dass eine Bekehrung die Folge einer einzigen Predigt herauskommt. Oder aus dem Lesen des einen Buches. Ich mag es, wie es Chesterton ausdrückt:

Von einer Weltanschauung überzeugen lässt man sich nicht durch vier Bücher, sondern durch ein Buch, eine Schlacht, eine Landschaft und einen alten Freund.
(Aus Chesterton: Orthodoxie)

So war es auch bei Philipp Mickenbecker…


Die folgenden Zitate sind aus dem Buch “Meine Real Life Story: Und die Sache mit Gott”, zu dem ich hier eine Zusammenfassung/Rezension geschrieben habe.


Philipp war ein “ganz normaler Junge”, der gerne Spass hatte. Bis er Krebs kriegte und sich daraufhin auf die Suche nach Gott begab. Seine Eltern waren Christen. Er wollte gerne an Gott glauben, aber er konnte es nicht.

Da hatte er ein Gespräch mit Anna, einer gleichaltrigen Freundin, die bereits Christ war:

Anna war der Meinung, dass man Gott wirklich erleben kann und dass man seinen Willen erfahren kann. Sie hätte das selbst schon oft erlebt, wenn sie wichtige Entscheidungen treffen musste, sagte sie, und diese Erfahrungen waren auf jeden Fall eine Grundlage für ihren Glauben. Sie redete mit Gott und er redete mit ihr. Vor allem durch die Bibel. Irgendwie hatte ich das ja auch so erlebt. Dass “Zufälle” passieren, wenn man betet, die eben nicht passieren, wenn man nicht betet. Trotzdem glaube ich, dass ich jeden anderen Menschen da nicht wirklich ernst genommen hätte. Aber da ich Annas Familie kannte und wusste, dass ihre Eltern genau zu diesen überdrehten Christen gehören, die mich vom Glauben abhalten, konnte ich nicht verstehen, wie sie trotzdem noch an Gott glauben konnte. Dass es einen liebenden, allmächtigen Gott gibt, der wirklich da ist und mit dem man leben kann. Diese Hoffnung und Zuversicht, die sie ausgestrahlt hat, hat mich wirklich beeindruckt.

Hier schien es mir nicht so, dass jemand durch eine Brille schaut, die blind und traurig macht, den ganzen Spass im Leben ausblendet und die Menschen ein langweiliges Leben leben lässt. Anna schien jemand zu sein, der für ein Vorbild halbwegs passen würde. Ein Vorbild, das ich schon so lange gesucht hatte.

Sie erklärte mir, dass Gott anders denkt als wir. Aber immer grösser. Dass Gottes Wege höher sind als unsere, so steht es doch in der Bibel. Mit jedem Gespräch erweiterte sich mein Denken ein bisschen mehr.

Aber noch immer konnte er nicht an Gott glauben. Denn er hatte jetzt zwar den Glauben von Anna gesehen, doch selbst erlebt hat er Gott noch nicht. Das änderte sich, als er, zum zweiten Mal an Brustkrebs erkrankt, in der Klinik war. Er war sehr schwach und durfte nicht nach draussen gehen. Aber er hielt es in der grauen Klinik nicht mehr aus:

Ich wollte mich etwas bewegen. Am liebsten den Sonnenuntergang vom Berg aus anschauen, wie auch schon in den letzten Tagen. Dazu musste ich nur ein paar Hundert Meter weit gehen. Ich durfte das Krankenhauszimmer eigentlich nicht verlassen, aber das hat diesen Drang, raus in die Freiheit zu gehen, nur noch verstärkt.

[Ich lief einen Hügel hoch], doch nach einer Weile ging mir komplett die Kraft aus. Ich brauchte eine Pause, ich musste mich dringend hinsetzen oder besser noch, hinlegen. In der Nähe sah ich diese Kirche, an der ich schon ein paar Mal vorbeigelaufen war. Erst jetzt entdeckte ich einen kleinen Weg, der zu ihr hoch führte. Irgendwas hat mich da hingezogen.
Aber eine grosse alte Stahltür hat den Weg versperrt. Tja - genau so ging es mir ja auch sonst: als sei da eine undurchdringbare Tür zwischen mir und Gott. So eine Mauer, über die man nicht schauen kann. Es gab wahrscheinlich Menschen, die den Schlüssel zu dieser Tür hatten, und wenn sie erst dahinter waren, konnten sie alles in völliger Klarheit sehen. Dann konnten sie Gott sehen und erleben. Aber ich konnte das eben nicht, genau so wenig, wie ich jetzt durch diese Tür schauen konnte.
Ich habe mich zu diesem Tor geschleppt und daran gerüttelt. Ich hatte auch gar keine andere Wahl, ich fühlte mich so, als könnte ich jeden Moment zusammenbrechen oder sogar einfach tot umfallen, und ich musste mich an irgendwas festhalten. Es sah zwar absolut nicht danach aus, aber das Tor ging auf! Man brauchte gar keinen Schlüssel, das Tor war offen, der Weg war frei!
Ich konnte auf jeden Fall sicher sein, dass ich da allein war. Niemand sonst würde auf die Idee kommen, durch dieses alte Tor hoch zu dieser Kirche zu laufen. Die Kirche selbst war auch tatsächlich abgeschlossen. Aber davor stand eine Bank. Es war draußen schon etwas kühl geworden, aber nicht zu kühl, es war ein schöner Abend. Ich hab mich auf die Bank gelegt und erst mal die Augen zugemacht. Es kam mir nicht unwahrscheinlich vor, dass es jetzt jeden Moment vorbei sein könnte mit mir.

Da lag ich also vor einer Kirche auf der Bank und hab gedacht: Warum kannst du, Gott, nicht mal kurz zu mir sprechen, wenn du das früher doch immer gemacht hast? Warum versteckst du dich so? Bist du nicht derselbe wie vor tausend Jahren?
Und da machte ich die Augen auf. Über mir war der blaue Himmel, bald würde er wieder in den verschiedensten Farben leuchten. Konnte sich Gott mir jetzt nicht zeigen? Einmal diese Wolken beiseiteschieben, diese Tür aufmachen und mir Hallo sagen?
In diesem Moment fiel mein Blick auf den Schriftzug, der direkt über mir, über der Tür von der Kirche angebracht war. Vorher war er mir nicht aufgefallen, obwohl er echt gross und unübersehbar war. In einem Rahmen stand ein Bibelvers: “Jesus Christus ist derselbe, gestern, heute und in Ewigkeit”. Oder stand da sogar: “Ich bin derselbe, gestern, heute und in Ewigkeit”?

In diesem Moment fühlte es sich für mich so an, als würde Gott gerade zu mir herunterschauen, mich auf der Bank liegen sehen, meine Frage gehört haben und zu mir sagen: “Hallo, ich hab dich gehört und ja, ich bin immer noch derselbe. Du musst nur mal hinhören, wenn ich mit dir rede. Du musst einfach mal hinschauen, wenn ich mich dir zeige. Du musst mich auch sehen wollen!”
Es war, als ob ein Schleier von meinen Augen weggezogen wurde. Ich musste echt lachen vor Freude und hab zu Gott gesagt, dass es mir wirklich leidtut, dass ich ihn so lange ausgeblendet habe, ihn vielleicht einfach nicht sehen wollte. Das vergesse ich nie. Das war so ein übernatürliches Gefühl. Beschreiben kann ich’s aber auch nicht. Das kann man niemandem erklären, der es nicht selbst erlebt hat. Das ist wie der Geruch von frisch gemähtem Gras, den kann man auch nicht beschreiben, wenn man ihn noch nie gerochen hat. Vielleicht kommen die Schmetterlinge im Bauch, wenn man frisch verliebt ist, diesem Gefühl am nächsten. Das Gefühl unendlicher, bedingungsloser Liebe. So eine Liebe kannte ich bisher nicht. Nein, bei Menschen wird immer eine gewisse Angst mitspielen, nicht mehr geliebt zu werden. Ein Mensch wird einem auch nie hundertprozentige, bedingungslose Liebe entgegenbringen können. Was war das für ein Gott, der mich immer noch liebte, nachdem ich so oft weggelaufen war? Und warum konnte ich diese Liebe auf einmal fühlen?

Zurück im Krankenhaus hatte sich das Gefühl wieder verzogen und Philipp begann an seinem Verstand zu zweifeln. Da sah er, dass ihm jemand, als er weg war, eine Nachricht auf sein Smartphone geschickt hat. Ein Freund, mit dem er schon seit zwei Jahren keinen Kontakt mehr hatte. Es war dieses Video:

Dieses Video hatte ihn dann noch ganz überzeugt:

Eins hab ich da nochmals gemerkt: Glaube bleibt eben doch Glaube. Deshalb heisst es auch glauben und nicht wissen. Für mich war es jetzt trotzdem klar. Ich wollte glauben, egal, was kommt. Durch diese ganzen Zufälle, die insgesamt auf einmal Sinn gemacht haben, hatte ich fast das Gefühl, dass es sogar ein bisschen Wissen war und nicht nur Glaube. Ich wollte - und KONNTE - jetzt glauben. Obwohl kein Feuer vom Himmel gefallen war. Noch nicht.

Das mit dem Feuer vom Himmel war eine Sache, die er sich schon lange von Gott gewünscht hatte. Weil Gott könnte doch einfach Feuer vom Himmel regnen lassen und dann würde alles klar sein. Aber Gott handelte nicht so, wie Philipp Mickenbecker es wollte. Er erschuf in ihm den Glauben auf eine andere Art.

Doch Gott, in seiner humorvollen Art, hat das mit dem Feuer vom Himmel dann doch noch wahr gemacht, allerdings erst, nachdem Philipp zum Glauben gekommen war. Dies ging so: Einige Zeit später, als er wieder zu Hause bei seinen Eltern war, hat er zu Gott gebetet und für seine Bekehrung gedankt:

“Danke, dass du da bist und mich hörst und zu mir sprechen kannst. Auch wenn ich manchmal gerne wollte, dass du Feuer vom Himmel fallen lässt, damit ich dich so richtig erkenne, weiss ich jetzt auch so, dass du da bist. Danke, dass ich jetzt an dich glauben kann beziehungsweise, dass dieses Glauben sogar schon irgendwie ein Wissen ist. Danke dafür. Du brauchst jetzt auch kein Feuer mehr vom Himmel fallen lassen, um dich mir zu beweisen. Und ich glaube definitiv, dass du es könntest, wenn du es wolltest.”

Ich kniete also vor meinem Bett, oben in der Dachgeschosswohnung meiner Eltern, draussen war es dunkel und still. Irgendwie hatte ich das Gefühl, dass Gott da war, dass er mir gerade zugehört hat und bei mir ist. Ich hatte eine Gänsehaut und wieder dieses Gefühl seiner unendlichen Liebe. Das ist mir seitdem öfters so gegangen, dass ich spüre, ich rede gerade nicht mit der Zimmerdecke, sondern mit diesem Gott, der mich gemacht hat und der mich kennt und dem, was an mir liegt.

Ihr werdet mir das jetzt nicht glauben, und ich würde es auch keinem glauben, der mir sowas erzählen würde. Und jetzt gerade habe ich auch wieder eine Gänsehaut, während ich daran denke, während ich diese Worte aufschreibe. Genau in diesem Moment, als ich sagte, dass Gott jetzt kein Feuer mehr vom Himmel fallen lassen müsse … ist es passiert.

Es ist wirklich Feuer vom Himmel gefallen!

Genau in diesem Moment, als ich diesen Satz ausgesprochen habe, hat es draussen Feuer vom Himmel geregnet. Nein, das sah nicht einfach nur so aus. Ich schlafe hier oben unterm Dach, und genau vor meinem Fenster, vielleicht in 10 Metern Höhe, sind direkt vor meiner Scheibe Funken runtergeregnet. Dann hat es einen lauten Schlag gegeben und noch mehr Feuer ist vom Himmel gefallen.
Ich sass vor meinem Bett und war wie gelähmt. Ich wäre fast gestorben bei diesem Anblick, bei diesem unglaublichen Gefühl, dass Gott mich gerade ernsthaft erhört hat! Es war einfach nur unbeschreiblich.
Ich bin aufgestanden und zum Fenster gegangen. Ist das dein Ernst, Gott?! Genau jetzt, genau da, wo ich sage, dass es nicht mehr nötig ist, fällt dieses Feuer vom Himmel? Der Weg zum Fenster kam mir unendlich lang vor. Ist das gerade die Realität? Ist das gerade ernsthaft passiert? Bilde ich mir das gerade alles nur ein? Was passiert da bitte?
Die Antwort war ganz einfach: Irgendjemand hatte genau in dieser Sekunde genau vor unserem Haus eine von diesen Raketen gezündet, die regenartig ihre Feuerschlangen vom Himmel warf. Ich weiss bis heute nicht, wer das war und warum jemand das getan haben sollte. Ich hab sowas bis dahin nicht erlebt und auch danach nicht mehr. Dass jemand bei uns im alten Ortskern, in der ruhigsten Ecke, mitten im Jahr Raketen abfeuert. Genau vor meinem Fenster! Wenn jemand hier Feuerwerk abfackelt, dann sind normalerweise wir das und nicht unsere Nachbarn, erst recht nicht vor unserem Haus.

Ab jetzt war die Sache für ihn klar. Er liess sich taufen und hat angefangen, in seinen Youtube-Videos von seinem Glauben zu stehen. Schliesslich gehört Gott zum “Real Life”, ja war sogar noch realer als “The Real Life”.

Beitrag von meiner Frau

Kurze Zeit, nachdem ich das Entweder-Oder-Gebet geschrien hatte, traf sich mein Mann mit einem guten Freund aus unserer Gemeinde zu einem Bier. Sie sprachen über dies und das und mein Mann erwähnte, dass ich Mühe hätte, die Liebe Gottes zu verstehen. Der Freund, ein sehr belesener Mann, bot ihm an, mir einige Bücher über dieses Thema auszuleihen. Wenig später hielt ich einen Stapel Bücher über die Liebe Gottes in der Hand. Ich sah sie durch und hatte keine Lust, mich mit dem Thema auseinanderzusetzen. Ich konnte nicht noch jemand gebrauchen, der mir eine theoretische Abhandlung zu Gottes Liebe lieferte. Was nützte mir eine Definition von Liebe, wenn ich sie nicht spüren konnte? Ich griff zum kürzesten Buch und begann trotzdem zu lesen. Da passierte es.

Das Buch ist “Nahe am Vaterherz“ von Ed Piorek, aber das ist eigentlich Nebensache. Denn ich bin überzeugt, dass es nicht das Buch war, das mir Gottes Liebe erklärte, sondern Gott selbst, durch das Buch. Was ich da las, war keine weitere Erklärung, wie man verstehen kann, dass Gott einen liebt, nein - es stand geschrieben, dass Gott durch seinen Geist seine Liebe in unsere Herzen ausgiesst - d.h. seine Liebe zu uns! - und dass wir das auch spüren.

Denn die Liebe Gottes ist ausgegossen in unsere Herzen durch den Heiligen Geist, der uns gegeben ist. (Römer 5,5)

Es gab auch viele Beispiele im Buch von Menschen, die Gottes Liebe und seine Gegenwart gespürt hatten. Sie wurden dadurch verändert, erkannten Sünden, konnten vergeben. Interessanterweise hatte ich einige Monate zuvor ein anderes Buch angefangen, in dem ähnliche Erlebnisse erzählt wurden, aber ich hatte es wieder weggelegt, weil es mir nichts sagte.

Doch was ich hier las, traf mich bis zuinnerst ins Herz. Gott zeigte mir in seiner grossen Gnade genau das, wonach ich mich mein Leben lang gesehnt hatte: Liebe. Eine echte Beziehung zu Ihm, wo ich auch spüre, dass er nahe ist und mich liebt. Nicht einfach ein “Glauben” aus der Ferne. Nicht einfach Regeln befolgen, um gerecht zu sein. Es hat den Himmel aufgerissen.

Am nächsten Sonntag, im Gottesdienst, ging ich auf unseren Freund zu, total aus dem Häuschen, und fragte ihn: “Ist dir aufgefallen, was in dem Buch steht, das du mir ausgeliehen hast? Es steht, dass man die Liebe Gottes spüren kann! In seinem Herzen!” Eigenartigerweise war diese bahnbrechende Erkenntnis total an ihm vorbeigegangen. Für ihn war das Buch eines unter vielen. Das zeigt mir einmal mehr, dass Gott persönlich zu einem spricht…

Diese Erkenntnis, dass ich Gottes Liebe zu mir spüren kann und auch Liebe zu ihm empfinden kann, hat alles verändert. Zum ersten Mal in meinem Leben liebte ich Jesus. Weil ich jetzt wusste, dass Er mich liebt. Die Aussage, dass Gott uns erwählt, machte mir nicht mehr Angst, sondern gab mir Sicherheit: Nicht ich habe Ihn erwählt, sondern Er mich. Demnach war es nicht so, dass ich bettelnd vor Ihm stand und einen gleichgültigen, abweisenden Gott bat, mich aufzunehmen. Ich hatte mir das immer so vorgestellt, dass ich vor Gott stehe, die Hand hebe und sage: “Ähm - Gott…könnte ich bitte auch zu deiner Familie gehören?” Und er gibt zur Antwort: “Hm - du? Sorry, nein, kein Interesse. Ich kann mich nicht mit noch jemandem herumschlagen, der Probleme hat.” Nein, es war genau umgekehrt: Er hatte mich schon vor meiner Geburt erwählt und mein ganzes bisheriges Leben war darauf ausgerichtet gewesen, dass ich zu Ihm fand und erkannte, wie herrlich Er ist.

Mein Mann und ich fingen an, jeden Abend vor dem Schlafengehen zu beten, und unsere Gebete waren zum ersten Mal lebendig, voller Leidenschaft und Liebe zu Gott. Wir spürten in unseren Herzen, dass Gott da war und fassten neuen Mut, vertrauensvoll zu beten.

Wir lasen zusammen das Neue Testament durch und es erschien uns wie ein neues Buch! Jesus war nicht mehr langweilig, die Gleichnisse und die Geschichten von Heilungen waren nicht mehr bedeutungslos. Und Paulus, den ich immer ein bisschen extrem gefunden hatte und mit dem ich nichts hatte anfangen können, wurde nun mein grosses Vorbild. Wie er die Liebe Jesu erfahren hatte! Wie er sein ganzes Leben nur für Ihn gelebt hatte! Was er alles in Kauf genommen hatte, weil er wusste, dass Gott zu kennen so unüberbietbar viel herrlicher ist als alles Irdische!

Ich liebte Jesus zum ersten Mal in meinem Leben.

(Das muss wohl der Zeitpunkt sein, wo ich Christ wurde.)

Zum ersten Mal war es auch so, dass ich den Menschen um mich herum von Gott erzählen wollte. Wenn ich nicht so scheu gewesen wäre, hätte ich jedem Fremden neben mir an der Bushaltestelle von Jesus erzählt. Ich schaute die Leute um mich herum an und dachte: Die müssen alle erfahren, wie herrlich Jesus ist!

Ja, jetzt wollte ich Gott selbst. Nicht Gerechtigkeit oder der Hölle entkommen. Ich hatte jemand gefunden, der mich liebte und den ich lieben konnte. Meine ewige Suche nach Liebe war vorbei.

Zum ersten Mal erkannte ich auch, dass Gott herrlicher ist als das, was die Welt zu bieten hat. Ich hatte mich vorher ganz auf die Welt verlassen und suchte, was alle anderen suchen. Ich hatte Weisheit in weltlichen Büchern gesucht und Trost in weltlicher Musik. Plötzlich störten mich die Regale voller Bücher und CDs und ich gab sie weg. Lange hatte ich die Vorstellung, dass ich dafür ein Bild vom Kreuz malen und es anstelle der Regale aufhängen könnte. Leider scheiterte diese Idee an meinen nicht vorhandenen Malkünsten…

Und heute? Zweifle ich immer noch daran, dass ich Christ bin? Ich muss sagen: Nein, ich zweifle nicht mehr. Seit bald dreizehn Jahren. Denn:

Der Geist selbst gibt Zeugnis unserem Geist, dass wir Gottes Kinder sind. (Römer 8, 16)

Ich liebe Jesus. Ich möchte von ganzem Herzen für ihn leben. Und ich spüre auch seine Liebe zu mir. Das geht auch in schwierigen Zeiten nicht verloren.

Und noch etwas anderes gibt mir Sicherheit:

Meine Pilgerreise auf der Erde ist ja noch nicht zu Ende und ich bin weit entfernt davon, vollkommen zu sein. Und “unser Wissen ist Stückwerk” (1. Korinther 13, 9). Aber im Gegensatz zu früher merke ich, dass Gott mich vorwärtsführt. Ich bin nicht mehr orientierungslos im Nebel, selbst wenn es Zeiten gibt, wo ich nicht weiss, wohin es geht. Stück für Stück führt mich Gott dahin, dass ich Ihn mehr liebe und die Welt weniger. Dass ich bereit werde, mehr aufzugeben für Ihn. Mehr Unannehmlichkeiten in Kauf zu nehmen. Dass ich nicht für mich leben will, sondern für Ihn.

Ab dem Jahr 2015 hat Gott mich und meinen Mann ein ganzes Stück weitergeführt, was das betrifft, aber davon habe ich schon in anderen Artikeln geschrieben.

Ach, und noch kurz zur Freiheit, die mir immer so wichtig gewesen war: Für mich ist die grösste Freiheit, Gott zu gehören. Einerseits bin ich dadurch nämlich nicht mehr Sklave der Sünde und muss keine Angst mehr haben vor dem Gericht. Jesus ist meine Gerechtigkeit geworden. Andererseits wurde mir eine riesige Last von den Schultern genommen, seit ich nicht mehr für mich selber lebe und versuche, meine eigenen Ziele zu verfolgen. Ich habe die Leitung und die Verantwortung für das Gelingen meines Lebens abgegeben (und auch die Vorstellung, was gelingen heisst) und kann deshalb “getrost erwarten, was da kommen mag”. Das ist eine ungeahnte, vorher nie gekannte Freiheit!

Wann wurde ich denn nun gerettet? Ich möchte mit diesem Vers abschliessen:

Deshalb legt alles ab, was euch beschmutzt, alles Böse, was noch bei euch vorhanden ist, und geht bereitwillig auf die Botschaft ein, die in euer Herz gepflanzt wurde und die die Kraft hat, euch zu retten. (Jakobus 1, 21)

Ja, wann immer der genaue Zeitpunkt war: Gottes Botschaft wurde in mein Herz gepflanzt. Und sie wird immer grösser und stärker. Sie hat die Kraft, mich durch das irdische Leben durchzutragen, bis der Lauf vollendet ist und ich endgültig gerettet werde.

Beitrag von meiner Frau

Genau zu dem Zeitpunkt, als ich die erwähnte unglückliche Beziehung begann, wurde ich mitten in Zürich, einen Katzensprung von dem Restaurant entfernt, wo ich arbeitete, von zwei jungen Frauen angesprochen, die mich in den Gottesdienst ihrer Gemeinde einladen wollten.

Was sie mir sagten, weiss ich nicht mehr, aber es endete damit, dass ich ihnen meine Nummer gab, damit sie mit mir ein Treffen vereinbaren konnten. Ein wenig hoffte ich wohl, sie würden meine Nummer verschusseln und sich nie mehr melden. Aber sie waren sehr zielstrebig, riefen mich kurz darauf an und wir trafen uns zu einem Gespräch in einem Café.

Das wurde der Anfang einer langen Reihe von Gesprächen. Ich hatte unendlich viele Fragen über den Glauben und wollte alles ganz genau wissen. Sie wiederum waren um Antworten nicht verlegen und schienen ein fundiertes Wissen zu haben. Endlich waren da Menschen, die wussten, wovon sie sprachen!

Irgendwann stellte ich dann eine Frage, die mir seit Jahren auf dem Herz brannte: Wie kann ich wissen, dass ich Christ bin? Wie kann ich mir sicher sein? Ich erzählte von den vielen Malen, wo ich Jesus gebeten hatte, in mein Herz zu kommen und von meiner Unsicherheit, die dennoch immer da war. Ihre Antwort war: indem du dich taufen lässt. Die Taufe ist der Zeitpunkt, wo wir gerettet werden. Am Anfang steht die Umkehr, d.h. dass man seine Sünden bekennt und bereut. Danach kommt die Entscheidung, Gott ganz nachzufolgen, und die Taufe. In der Taufe wird man gerettet.

Ich war so froh, dass mir endlich jemand einen klaren Weg aufzeigte! Gleichzeitig erinnerte ich mich, dass ich einige Jahre zuvor mit zwei Freundinnen einen Bibelkurs bei einem Pfarrer gemacht hatte. Zum Thema Taufe hatte er nur sehr unklare und schwammige Antworten gehabt und ich hatte nie verstanden, wieso die Taufe überhaupt nötig war. Jetzt wusste ich es endlich.

Es folgte ein halbes Jahr Bibelstudium. In dieser Gemeinde war es üblich, dass man mit Interessierten einen persönlichen Bibelkurs durchführte, in dem alle wichtigen Themen des Glaubens besprochen wurden. Bei manchen dauerte das kürzer (siehe die Bekehrungsgeschichte von meinem Mann), bei mir etwas länger.

Es war eine intensive Zeit. Ich war hin- und hergerissen. Einerseits merkte ich, dass ich mit Gott ernst machen musste. Ich konnte nicht einfach ein bisschen glauben und mir ansonsten mein Leben selbst zurechtschneidern. Ich hatte ja mit dieser verbotenen Beziehung gemerkt, wohin das führte. Ich wollte ganz für Gott leben. Andererseits spürte ich, dass ich da in eine Gemeinschaft kam, in der das Leben ziemlich straff geordnet war, und ich hatte Angst, meine Freiheit zu verlieren.

Unterdessen hatte ich auch an einem oder zwei Gottesdiensten teilgenommen und mehr Leute kennengelernt. Alle waren sehr zuvorkommend und nahmen mich ohne Vorbehalte in ihrer Gemeinschaft auf. Übrigens hatten mir die neu kennengelernten Freundinnen auch geholfen, mit meiner Beziehung aufzuhören. Dafür bin ich ihnen sehr dankbar.

Ein halbes Jahr später hatte ich mich durchgerungen: Ich war bereit, mich taufen zu lassen. Ich hatte meinen Mentorinnen und Gott meine Sünden bekannt, wir waren sogar mal auf der Strasse gewesen, um - genau wie bei mir damals - Leute einzuladen. Der Tauftermin wurde auf den 21. Januar 2001 festgelegt, ich war 22 Jahre alt. Irgendwie freute ich mich darauf, weil ich mich endlich ganz für Gott entschieden hatte und gleichzeitig sicher sein konnte, dass ich gerettet wurde. Andererseits erinnere ich mich an fast depressive Gefühle. Ich wusste, dass ich, um in den Himmel zu kommen, dafür in Kauf nehmen musste, mein ganzes restliches Leben in einem - wie ich es empfand - Gefängnis zu verbringen. In einer Gemeinschaft, wo vieles vorgeschrieben war und die in fast alle Bereiche des Lebens eindrang. Von meiner ersehnten Freiheit blieb nicht mehr viel übrig. Aber ich war überzeugt, dass ich keine andere Wahl hatte, wenn ich in den Himmel kommen wollte.

Bezeichnenderweise war mein Taufvers Joh. 8, 31-32: “Wenn ihr bleiben werdet an meinem Wort, so seid ihr wahrhaftig meine Jünger und werdet die Wahrheit erkennen, und die Wahrheit wird euch frei machen.”

Ich wusste, dass es in diesem Vers um Freiheit von der Sünde geht. Das störte mich ein bisschen, denn ich verstand nicht, dass man in der Sünde gefangen ist, wenn nicht Jesus einen durch seinen Tod am Kreuz frei macht. Aber ich hatte immer noch die Hoffnung, echte Freiheit zu finden und klammerte mich deshalb an diesen Vers.

So wurde ich also ein Mitglied dieser Gemeinde und tauchte in ein ganz neues Leben ein. Ich war Teil einer Studentengruppe, die viel zusammen unternahm und wie eine Familie wurde. Noch heute habe ich zu einigen von ihnen Kontakt. Es entstanden Freundschaften fürs Leben. Später wohnten wir auch zusammen in WGs. Wir veranstalteten regelmässig Parties, wozu wir Interessierte einluden, damit sie Gott kennenlernen konnten.

Ich lernte auch einige nette Jungs kennen und genoss es, von der Männerwelt nicht mehr links liegen gelassen zu werden. Einer von ihnen wurde später mein Mann…

Doch obwohl ich täglich in der Bibel las und betete, alle Gottesdienste, Andachten und Frühgebete besuchte, Leute auf der Strasse einlud, mit einer Mentorin wöchentlich über meine Fortschritte sprach und meine Sünden bekannte und mit Interessierten die Bibel studierte, stellte sich nach nicht allzulanger Zeit das gleiche nagende Gefühl ein wie früher: Ich fragte mich einmal mehr, ob ich wirklich Christ war. Diesmal waren die Fragen ein bisschen anders: Hatte ich bei der Taufe alles richtig gemacht? Hatte ich auch wirklich alle meine Sünden bekannt? Nein - nicht ganz, musste ich zugeben. Vielleicht hatte das die ganze Taufe ungültig gemacht und ich kam nicht in den Himmel. Ich war ironischerweise wieder am selben Ort wie vorher.

Schliesslich besprach ich meine Fragen mit einer erfahrenen Christin. Sie versicherte mir, dass meine Taufe gültig sei. So war das Thema vorerst vom Tisch. Aber meine Beziehung zu Gott wuchs nicht. Obwohl mir alle versicherten, was für grosse Fortschritte ich im Glauben mache, fühlte ich mich wie in einem geistlichen Nebel. Ich war völlig orientierungslos. Bibel lesen war ein tägliches To Do, beten eine Qual.

Mittlerweile geschahen in meinem persönlichen Leben einige Dinge, die meine Verwirrung mit dem Glauben in den Hintergrund treten liessen. Ich hatte in der Studentengruppe einen Freund gefunden und war überglücklich. Zwei Jahre später heirateten wir. Ich schloss mein Studium ab und wir gründeten eine Familie. In der Gemeinde war einiges geschehen und die engen Regeln hatten einer grösseren Gestaltungsfreiheit Platz gemacht. Mit Gott kam ich trotzdem nicht recht weiter und ich erinnere mich, dass ich einmal dachte: Vielleicht lerne ich Altgriechisch und Hebräisch und versuche die Bibel in ihrer Originalsprache zu lesen. Das könnte meine Nische im Christentum sein.

Mit Schwangerschaft und Geburt unseres ersten Kindes kamen einige Schwierigkeiten auf mich zu, die mich an meine Grenzen brachten. Unser Kind schlief zwei Jahre lang nicht durch. Und nicht nur das, es war immer wieder nächtelang sehr unruhig, sodass ich nicht schlafen konnte und immer gereizter wurde. Immer wieder flehte ich Gott in der Nacht an: “Mach, dass unser Kind einschläft, jetzt! Ich halte es nicht mehr aus!” Aber Gott beantwortete meine Gebete nicht. Mehrmals geschah es, dass ich mich darauf von Gott lossagte. Ich wollte nichts mehr mit ihm zu tun haben. Am nächsten Morgen befiel mich dann die Angst, ich sei jetzt für immer und ewig verloren. Was, wenn ich die Sünde begangen hatte, die nicht vergeben werden kann? Ich entschuldigte mich bei Gott und hoffte, dass er mich wieder annahm.

So ging das monatelang und ich stürzte in eine grosse Glaubenskrise. Was bringt es zu Gott zu beten, wenn er nicht hört? Wie kann ich einem Gott vertrauen, der mir nicht hilft in der Not? In meiner Verzweiflung fand ich eine beängstigende Antwort: Gott will mich nicht. Ich gehöre nicht zu den Erwählten. Ich möchte zwar zu ihm kommen, aber es ist unmöglich. Ich erinnerte mich an den Vers:

Wir wissen aber, dass denen, die Gott lieben, alle Dinge zum Besten dienen, denen, die nach seinem Ratschluss berufen sind. (Römer 8,28)

Schon immer hatte mich dieser Zusatz (denen, die nach seinem Ratschluss berufen sind) verwirrt, aber jetzt glaubte ich, die Wahrheit darüber zu erkennen: Diejenigen, die nicht berufen sind, können gar nicht zu Gott kommen, auch wenn sie wollen! Dabei übersah ich natürlich, dass es auch Verse wie die Folgenden gibt:

Alle, die der Vater mir gibt, werden zu mir kommen, und wer zu mir kommt, den werde ich nicht hinausweisen.(Johannes 6, 37)

Ihr werdet mich suchen und finden; denn wenn ihr mich von ganzem Herzen suchen werdet, so will ich mich von euch finden lassen, spricht der Herr.” (Jeremia 29, 13-14)

Diese falsche Erkenntnis stürzte mich in eine bodenlose Verzweiflung. Ich erinnere mich, dass ich zu Gott schrie: “Gott, wenn es nicht möglich ist, zu dir zu kommen, dann töte mich bitte! Dann habe ich keinen Grund mehr zu leben.” Ich meinte dieses Gebet todernst. Es war alles oder nichts. Mein Innerstes war entblösst vor Gott. Es gab nur entweder - oder. Entweder zu Gott kommen oder sterben. Vielleicht hatte ich wirklich zum ersten Mal Gott von ganzem Herzen gesucht.

Und Gott antwortete! Natürlich nicht, indem er mich tötete, denn es ist ja möglich, zu ihm zu kommen! Gottes Antwort kam kurze Zeit später. Wieder einmal eilte er mir zu Hilfe und diesmal veränderte sich alles.

Dies ist der zweite mögliche Zeitpunkt meiner Bekehrung, im Sommer 2008.

Beitrag von meiner Frau

Eigentlich sollte man doch - zumindest ungefähr - wissen, wann man Christ wurde. Ich bin aber bis heute zwischen zwei Zeitpunkten hin- und hergerissen, die zwanzig Jahre auseinanderliegen. Ausserdem kommt da noch ein dritter Zeitpunkt ins Spiel, den ich lange als Tag meiner Bekehrung ansah - der Tag, an dem ich mich taufen liess. Doch den betrachte ich heute als am wenigsten wahrscheinlich.

Tönt alles ziemlich kompliziert, oder? Was mich beruhigt, ist aber die Tatsache, dass ich weiss, dass ich jetzt Christ bin - weil ich Jesus liebe und nur noch für Ihn leben will. Und das ist ja eigentlich die Hauptsache. Aber fangen wir von vorne an:

Aufgewachsen bin ich in einem wunderschönen, alten, sehr abgelegenen Flarzhaus, ohne Zentralheizung, (fast) ohne Nachbarn, ohne Fernseher, dafür mit Hund, Katzen, Enten, einer Gans, einem grossen Gemüse- und Obstgarten und einer Mutter, die zu Hause war. Ich kann mir keinen schöneren Ort vorstellen.

Ich war die Mittlere von drei Schwestern, introvertiert, scheu und zurückgezogen. Am liebsten las ich oder spielte Klavier (beides stundenlang). In der Schule hatte ich stets gute Noten, bis auf das Mündliche. Ich getraute mich meist nicht, mich zu melden.

Wir gingen in keine Gemeinde. Meine Mutter war in einer Freikirche aufgewachsen und hatte sich dort auch bekehrt. Später zerrüttete sich diese Gemeinde und meine Mutter war erschüttert über die Tatsache, dass bekennende Christen einander so bekämpfen konnten. Sie ist bis heute nie mehr Teil einer Gemeinde gewesen.

Trotzdem war sie es, die mich mit dem Glauben bekannt machte. Vor dem Essen sangen wir jeweils ein Dankeslied und auch beim ins Bett gehen sangen wir ein Lied oder sie sprach ein Gebet. Ich kann mich nicht mehr erinnern, was genau sie mir von Gott erzählte, aber ich glaube, sie gab mir die wichtigsten Tatsachen weiter.

Ausserdem waren die meisten meiner Tanten und Onkel mütterlicherseits Christen, und eine Tante schickte uns immer wieder christliche Traktate zu. Wir besassen auch einige Kassetten mit christlichen Hörspielen, die ich mir endlos anhörte (z.B. “Im Schluuchboot ufem Ozean”, “Stammt de Mänsch würklich vom Aff ab?”, “Hamid und Kinza”). Ich liebte sie, denn sie waren spannend und zeigten mir (v.a. durch die wahren Geschichten), wie Gott im Leben der Menschen wirkte und real war. Noch heute erinnere ich mich gerne an sie.

Am Ende mehrerer dieser Kassetten wurde die Frage gestellt, ob der Hörer sich auch schon für Gott entschieden habe? Dann folgte ein Bekehrungs-Gebet, das man nachsprechen konnte. Der Teil, an den ich mich erinnern kann, war in etwa “Jesus, bitte komm in mein Herz”. Dieses Gebet sprach ich nach, denn ich wollte in den Himmel kommen. Das ist der erste mögliche Zeitpunkt meiner Bekehrung, mit etwa 10 Jahren.

Ich glaube auch, dass ich das Gebet wirklich ernst meinte. Interessanterweise schien es aber nicht die geringste Auswirkung zu haben. Nicht, dass man unbedingt sofort etwas merken muss. Aber bei mir veränderte sich überhaupt nichts. So kam es, dass ich unsicher darüber blieb, ob mein Gebet genügt habe. Vielleicht hatte ich es zu wenig ehrlich gemeint? Schliesslich führte das dazu, dass ich immer wieder, v.a. nach dem Hören einer Kassette, Jesus von Neuem bat, in mein Herz zu kommen.

Als ich ein Teenager wurde, abonnierte meine Mutter für mich einen Bibelleseplan, den ich treu las. Dadurch fing ich an, regelmässig in der Bibel zu lesen. Bestimmt lernte ich dadurch vieles über Gott und den christlichen Glauben. Aber irgendetwas fehlte. Im Nachhinein muss ich sagen: Es war die persönliche Beziehung zu Gott, die Liebe zu ihm. Ich fühlte nichts für ihn. Ja, ich konnte mir nicht im Entferntesten vorstellen, dass man ihn kennenlernen konnte. Ich war ein eingeschüchtertes, unsicheres Mädchen, dass zwar etwas über Gott lernte und sich wohl unbewusst auch danach sehnte, von ihm geliebt und angenommen zu sein, das aber keine Vorstellung davon hatte, dass man ihn kennen kann. Deshalb betete ich auch nicht um Nähe zu ihm.

So las ich zwar mit Interesse die Bibelstellen und Kommentare dazu und machte mir endlose Listen mit Geboten und Verboten des christlichen Lebens. Und ich versuchte, alles einzuhalten und richtig zu machen. Aber es war keine Beziehung zu Gott, sondern ein Befolgen von Regeln und Normen aus der Ferne. Die Triebkraft dazu kam nicht aus meiner Liebe zu Gott, sondern aus dem Wunsch, das Richtige zu tun. Ich hatte erkannt, dass die Bibel die Wahrheit ist und dass man ohne Gott in die Hölle kommt, also versuchte ich, nach der Bibel zu leben.

In der Sekundarschule lernte ich ein Mädchen kennen, das sich auch als Christ bezeichnete. Wir wurden Freundinnen und beschlossen, einander im Glauben zu helfen. Sie besuchte die lokale Chrischona-Gemeinde und lud mich zu Gottesdiensten und Jugendtreffen ein. Mir gefielen die Gottesdienste recht gut, aber mit der Jugendgruppe konnte ich gar nichts anfangen. Ich war zu introvertiert und schüchtern. Es kostete mich riesige Überwindung, in eine Gruppe fremder Jugendlicher zu gehen, wo nichts voraussehbar war und man auch noch Gruppenspiele machen musste! Alle schienen Spass zu haben. Das konnte ich nicht nachvollziehen und blieb fortan den Treffen fern. Auch in den Gottesdienst ging ich weniger und weniger, denn meine Freundin hatte schon ihre Kollegen aus der Jugendgruppe und ich fand keinen Anschluss.

Dann kam ich aufs Gymnasium. Dort passierte einiges. Ich fand Freunde und getraute mich (zum ersten Mal!) sogar, mit Jungs zu reden. Ich wurde selbstsicherer und auch kritischer. Durch die Lektüre einiger Bücher und Theaterstücke aus der Zeit der Aufklärung wandte ich mich der Philosophie zu. Kant und Schiller wurden meine Vorbilder. Durch das Theaterstück “Maria Stuart” von Schiller erhielt ich eine Idealvorstellung der inneren Freiheit, die unabhängig ist von den äusseren Umständen (Im Nachhinein muss ich sagen: Diese Freiheit habe ich heute im Glauben endlich gefunden!) Meine eigenen Vorstellungen und die aus der Bibel klafften immer mehr auseinander. Meine Sehnsüchte und Wünsche drehten sich um Freiheit, Unabhängigkeit - und natürlich um Liebe. Schon seit der 1. Klasse war ich krampfhaft und permanent in immer wieder neue Jungs verliebt - allerdings nur von Weitem, denn ich hätte nie den Mut aufgebracht, etwas von meinen Gefühlen zu zeigen.

Gleichzeitig wandte ich mich aber nicht ganz von Gott ab, und nachdem ich erfahren hatte, dass es am Gymnasium eine Bibelgruppe gab, nahm ich dort regelmässig teil. Über diese Bibelgruppe empfand ich widerstreitende Gefühle. Etwas drängte mich, mit Christen im Kontakt zu sein. Gleichzeitig kostete es mich aber grosse Überwindung, Woche für Woche dorthin zu gehen, im Kreis zu sitzen und mit fremden Leuten über persönliche Dinge zu sprechen. Wir machten auch Strasseneinsätze (dabei jonglierte ich…) und sprachen mit Leuten über den Glauben. Aber ich fühlte mich sehr unwohl dabei. Wahrscheinlich merkte ich, dass ich den Menschen nichts Wirkliches über Gott sagen konnte.

Die Mentorin der Gruppe, eine junge, lebensfrohe Studentin, nahm sich schliesslich meiner an und traf sich regelmässig mit mir. In ihrer WG hatten wir super Gespräche über alle Fragen des Lebens. Sie war eine grosse Hilfe, meine erste Mentorin im Glauben.

Hatte ich vorher mehrere Jahre Tierärztin werden wollen, so stellte sich nun immer mehr heraus, dass Sprachen meine grosse Leidenschaft waren. Ich entschloss mich, vergleichende Sprachwissenschaft an der Uni Zürich zu studieren. Meine christlichen Verwandten waren ganz begeistert über diese Entscheidung. “Mit diesem Studium kannst du später mit Wycliffe die Bibel übersetzen!”, sagten sie. Aber ich wich der Antwort aus; Bibelübersetzung war gar nicht auf meinem Radar.

Bevor das Studium anfing, reiste ich für drei Monate in die Slowakei, um die Sprache zu lernen. Auch dort war ich zwischen zwei Welten hin- und hergerissen. Mein Verlangen nach Liebe war gross, und ich lernte einen jungen Mann kennen. Nach meinem Aufenthalt schrieb ich ihm noch ein ganzes Jahr lang Briefe, in der Hoffnung, er liebe mich. Es stellte sich jedoch heraus, dass er einfach ein Frauenheld war, der nur einen kurzen Flirt gesucht hatte. Zum Glück, muss ich im Nachhinein sagen, denn ich wäre wahrscheinlich Hals über Kopf in die Slowakei ausgewandert und hätte jemand geheiratet, dem Gott gleichgültig war.

Aber Gott liess mich auch in der Slowakei nicht los. Ich lernte eine Gruppe junger Amerikaner kennen, die in unserer Stadt einen Missionseinsatz machten. Sie machten mich mit einheimischen Christen bekannt und von da ab besuchte ich regelmässig einen Gottesdienst. Zum ersten Mal sah ich hier etwas, was davon zeugte, dass man zu Gott Liebe empfinden kann. In jedem Gottesdienst gab es Zeiten, in denen laut (von allen gleichzeitig) gebetet wurde und jeden Sonntag gab es einen Aufruf, nach vorne zu gehen und Christ zu werden. Irgendwie berührten mich diese Gefühle für Gott und ich betete jeweils mit.

Als meine Zeit dort zu Ende ging, riet mir eine Frau, mit der ich näher Kontakt hatte, in der Schweiz unbedingt eine Gemeinde zu besuchen. Sie schrieb mir sogar eine Adresse in Zürich heraus. Aber die Überwindung und mein Freiheitsbedürfnis waren zu gross; ich meldete mich nie dort.

Das Studium fing an und nahm mich ganz gefangen. Ich dachte, ich hätte meine Bestimmung gefunden: Sprachen analysieren, so viele Sprachen wie möglich lernen, Feldforschung in fernen Ländern betreiben und nebenher Musik machen. Und natürlich einen Mann finden.

In meinen ersten Semesterferien arbeitete ich für zwei Monate als Kellnerin in einem Restaurant in Zürich. Da geschah es, dass einer meiner Mitarbeiter, ein verheirateter Mann, mir gestand, er habe sich in mich verliebt. Nach all den Jahren unerwiederter Liebe und zerschlagener Hoffnungen konnte ich dem leider nicht widerstehen und wir begannen eine (zum Glück kurze) Beziehung. Ich war einfach zu schwach, um der Versuchung zu widerstehen. Wer weiss, wo ich gelandet wäre, hätte Gott nicht eingegriffen. Aber er war schon unterwegs…

Meine Bekehrungsgeschichte beginnt mit Pulp Fiction. Es ist ein denkbar seltsamer Anfang, aber in diesem Kult-Film geht es eigentlich darum, wie Jules merkt, wie Gott ihn gerade vor dem Tod bewahrt hat. Die einzige logische Reaktion war, dass er seinen Job aufgab und ab sofort Jesus nachfolgte. Das ist vermutlich nicht die anerkannte Zusammenfassung des Plots. Aber glaubt mir, darum geht es eigentlich im Film und so hat Gott ihn auch in mein Leben gestellt.

Ich sah mir den Film an und war tief beeindruckt. Ich wusste zwar nicht wovon, aber nach dem Film stand ich auf, drehte den Fernseher ab und wusste: Etwas muss in meinem Leben geschehen. Es erwachte in mir der Wunsch, nach der Wahrheit zu suchen. Ich stand mitten im Wohnzimmer meines Elternhauses. Es war niemand zu Hause. Meine Augen schweiften durch die Büchergestelle auf der Suche nach einem Buch, das mich über die Wahrheit des Lebens erleuchten könnte. Sowas hatte ich zuvor nicht gemacht. Ich hatte mich nie für Philosophie interessiert. Mein Leben war geprägt von Realismus, von Naturwissenschaften, aber nach Pulp Fiction musste etwas verrücktes her, etwas ganz anderes.

Nun gab es in diesem Büchergestell leider keine christlichen Bücher, denn meine Eltern hatten sich vom Christentum abgewendet. Mein Vater war in einer christlichen Familie aufgewachsen. Seine Eltern und alle seine Geschwister gingen in den Brüderverein, eine strenge, gesetzliche Freikirche. Er wollte aus dieser Enge ausbrechen, verwarf den christlichen Glauben, und wendete sich der Esoterik zu. Meine Mutter war katholisch aufgewachsen. Sie wurde in einer klösterlichen Schule unterrichtet, ihre Eltern waren streng katholisch und lehnten alles ausserhalb der katholischen Kirche ab. Auch sie wollte aus dieser Enge ausbrechen und wendete sich, zusammen mit meinem Vater, der Esoterik zu. Mein Bruder und ich wurden in der esoterischen Weltsicht erzogen. Zu viert lachten wir über die Enge des Christentums. Meine Verwandten väterlicherseits schickten uns gelegentlich christliche Traktate zu, in der Hoffnung, wir Kinder würden sie lesen, aber stattdessen machten wir uns über diese Hefte lustig. Ich erinnere mich an eine Zeichnung mit dem Titel “der schmale Weg”. Es zeigte den richtigen, christlichen Weg, der zum Himmel führt und daneben den “breiten Weg”, welcher gesäumt war mit Menschen, die tanzten, tranken und sich mit Glücksspiel vergnügten und der natürlich in der Hölle endete. “Wie hinterwäldlerisch”, dachten wir, “wie langweilig!”. Es gab nichts, was mich am christlichen Glauben auch nur im Ansatz interessiert hätte.

So kam es, dass ich kein christliches Buch aus diesem Büchergestell nahm. Auch wenn es eines gegeben hätte, ich hätte es höchstens als Belustigung gelesen. Was ich dann fand, war “Siddharta” von Hermann Hesse. Ich nahm es nach oben in mein Schlafzimmer und fing an, darin zu lesen.


Zu diesem Zeitpunkt war ich neunzehn Jahre alt. Ich hatte gerade meine obligatorische Militärzeit (Rekrutenschule) abgeschlossen und mein Informatikstudium an der Universität (ETH Zürich) begann. Leider kannte ich in meiner Klasse niemanden. Mein bester Freund in der Kantonsschule hatte sich zwar auch für das Informatikstudium entschieden, aus irgendeinem Grund wollte er aber in Lausanne studieren. Im Nachhinein sagt er, das wäre eine Fehlentscheidung gewesen, doch für meine Bekehrungsgeschichte war diese Entscheidung wichtig, denn so war ich darauf angewiesen, im Studium neue Freunde zu finden.

Meine Passion zu dieser Zeit war die “Demoscene”. Das waren Programmierer, welche Computeranimationen programmierten und sie mit Musik hinterlegten. Ich hatte mit meinem Freund aus der Kantonsschule eine Gruppe gegründet und wir hatten einige dieser “Computer-Demos” programmiert. Ich war für die Musik zuständig und wendete all meine Freizeit dafür auf.

Eines Tages, als ich mit dem Shuttle-Bus zu einem entfernten Gebäude der ETH fuhr, dünkte mich, ich hörte zwei Studenten über die Demoscene sprechen. Ich war mir zwar nicht ganz sicher, aber da ich sowieso keine Freunde hatte, nahm ich all meinen Mut zusammen und sprach sie an, mit dem Risiko, dass ich mich lächerlich machte. Und siehe da, sie waren wirklich Demo-Programmierer! Die Freude über das gemeinsame Hobby war gross und so verbrachten wir von diesem Tag an viel Zeit zusammen.

Der eine der beiden hiess Josi (eigentlich Josua) und wie sich bald herausstellte, war er Christ. Es störte ihn nicht, dass keiner seiner Mitstudenten an Jesus glaubte. Er war sich seiner Sache sicher und erzählte auch mir bald in einer sehr natürlichen Art und Weise vom Christentum, weil Jesus das Zentrum seines Lebens war. Dabei schien er sich ehrlich für mich zu interessieren, bat mich zum Beispiel zu ihm zu sitzen in den Vorlesungen; mein Bedürfnis nach Freundschaft wurde grosszügig gestillt.

Kurze Zeit später zog ich für eine Woche in die WG von Josi und seinen zwei Mitstudenten. Wir wollten mehr Zeit zusammen verbringen, über Computer-Demos sprechen und übers Programmieren austauschen. Ich übernachtete in Josis Zimmer. Eines Abends, nachdem wir uns zu Bett gelegt und schon das Licht gelöscht hatten, fragte er mich, wieso ich denn nicht an Gott glaube. Ich erwähnte, dass die Evolution eine ganz gute Erklärung für die Welt sei, doch Josi konterte: Es sei gar keine gute Erklärung. Wie sollte zum Beispiel ein Auge entstehen? Ein Auge ist so kompliziert, da braucht es die Netzhaut und die Nerven, es braucht ein Gehirn und so weiter. Wenn die Evolution durch Vererbung nur jeweils Mutation für Mutation voranschreitet, dann muss es einen Fisch gegeben haben mit einem “halben Auge”, das wäre für den Fisch aber nur nachteilig gewesen und er hätte sich gegenüber den anderen Fischen nicht durchgesetzt. Diese Argumentation schien mir logisch und mein grösstes naturwissenschaftliches Argument gegen Gott wurde entkräftet.


Am vierundzwanzigsten Dezember ging ich in das Zimmer meines Bruders und stellte mit Schrecken fest, dass er sich gerade die CD gekauft hatte, die ich ihm für Weihnachten gekauft hatte. Ich war verwundert, denn ich schenkte ihm jede Weihnacht die neueste CD seiner Lieblingsband, es war mir überhaupt nicht verständlich, wieso er nun wenige Tage vor Weihnachten diese CD kaufte. Mir war natürlich nicht bewusst, dass Gott im Hintergrund die Fäden spannte und dass dieses Missgeschick Teil seines Plans war. Mir blieb also nichts anderes übrig, als nach Zürich zu fahren und die CD umzutauschen. Als ich aus dem CD-Laden spazierte, begegnete ich Josi, der gerade den Zug zu seinen Eltern nehmen wollte. Wir freuten uns, einander zu sehen und er lud mich zu einem Spaziergang im Park ein. Im Park erzählte er mir seine Geschichte mit Gott. Geblieben waren mir vor allem die übernatürliche Wunder, die er mit Gott erlebt hatte.

Am Abend, nach der Weihnachtsfeier bei uns zu Hause, ging ich ins Bett. Im Bett dachte ich darüber nach, was Josi mir im Park erzählt hatte. Ich dachte: Wenn Josi so etwas erlebt, dann kann ich das mit Gott auch erleben. Also betete ich zu Gott: “Gott, wenn es dich gibt, dann zeige mir deine Liebe”. Und sofort durchströmte mich ein so intensives Gefühl, wie ich es noch nie erlebt hatte. Es war ein warmer Strom von Freude, der mich durchströmte, für einige Sekunden. Es war die Bestätigung, dass es Gott gibt und er mich liebt.

Dieses Erlebnis, davon bin ich überzeugt, war meine Wiedergeburt. In Johannes 3 wird beschrieben, dass es sich mit der Wiedergeburt so verhält, dass man nicht wisse, woher sie komme, wie ein Wind, der plötzlich bläst. Ein paar Wochen zuvor hatte ich Gott nicht gesucht, ja sogar über Gott gelacht, ihn verachtet, ihn als nutzlose Krücke abgetan, und nun hatte er meine Barrikaden durchbrochen und gab mir ein neues Herz, das ihn als etwas Wertvolles betrachtete.

Um die Zeit meiner Bekehrung fing ich an, regelmässig Tagebuch zu schreiben und auch am vierundzwanzigsten Dezember am Abend, vor dem ins Bett gehen, schrieb ich einen Eintrag und schloss ihn ab mit “mehr nach der Werbung…….”. Als Fernsehkind wollte ich einfach irgendeinen zufälligen Spruch aufschreiben, ohne Kontext, einfach weil es lustig war. Was ich nicht wusste: Gott würde nur wenige Minuten danach wirklich Werbung machen, und zwar eine Werbung, die unwiderstehlich war.


Das Problem war: Josi konnte mich in keine christliche Gemeinde mitnehmen. Für das Studium war er von zu Hause nach Zürich gezogen und besuchte übers Wochenende seine Eltern im Kanton Bern.

Das Weihnachtserlebnis allein ohne Gemeinde hätte nur einen kurzfristigen Effekt gehabt. Schon am Tag danach schrieb ich in mein Tagebuch, dass ich Angst habe, dass sich das alles auf ein Gefühl reduziere und sobald das Gefühl verflogen wäre, alles wieder beim Alten wäre.

Doch auch hier hatte Gott vorgesorgt. Etwa zwei Monate vor Weihnachten wurde ich auf der Strasse angesprochen. Ob ich Interesse hätte, in einen Gottesdienst zu kommen. Nein. Sie würden auch regelmässig Partys feiern, wo ich andere Studenten kennenlernen könne. Nein. Der Mann auf der Strasse liess nicht locker: “Hier ist meine Telefonnummer, wie lautet deine?”. Zum Nein sagen fehlte mir der Mut. Ich dachte daran, die falsche Nummer anzugeben, aber dafür war ich zu ehrlich. Also sagte ich ihm meine richtige Nummer. Und natürlich rief er an. Nach einiger Überzeugungsarbeit willigte ich ein, zu einer Party zu gehen. Und die gefiel mir, denn die Gemeinschaft war grossartig. Ähnlich wie bei Josi gab es da plötzlich Leute, die sich für mich interessierten und die auch untereinander nahe Freundschaften hatten. Ich wollte herausfinden, was das Geheimnis hinter dieser liebevollen Gemeinschaft war. Also fing ich an, in den Gottesdienst zu gehen. Doch meine Barrikaden blieben oben, weil es noch vor meinem Weihnachtserlebnis war.

Ich merkte schnell, worauf es hinauslief. “Jesus als einziger Weg in den Himmel” war inkompatibel mit meiner esoterischen Erziehung. Ich war überzeugt, dass jede Weltreligion zum Ziel führt, insbesondere der Buddhismus, da ich ja kurz zuvor Siddharta gelesen hatte. “Kein Sex vor der Ehe” kam mir nicht zeitgemäss vor. Obwohl ich als introvertierter Informatiker keine Freundin hatte, wo das ein Problem hätte sein können, waren solche Ansichten über die Sexualität unter meinen Mitmenschen eine lächerliche Kuriosität.

Ich überlegte mir, von dieser Gemeinde nur die Lebenspraktiken zu übernehmen, ohne dabei ihre Lehre anzunehmen. Dann könnte ich auch so lieben wie sie, ohne meine Überzeugungen und das Ansehen meiner Umgebung über Bord werfen zu müssen.

Aber dann kam es eben anders. Nach dem ersten Gottesdienstbesuch hatte ich das Weihnachtserlebnis, und dies bewegte mich, Gott zu suchen. In den Tagebucheinträgen fing ich an zu schreiben, dass ich will, dass Gott mein bester Freund wird. Plötzlich war ich bereit, nicht nur die Lebenspraktiken, sondern auch die Lehre zu übernehmen.

Bei der christlichen Gemeinde handelte es sich um die “International Church of Christ”, eine Abspaltung von der “Church of Christ”. Wie man aus der Episode der Strassenevangelisation herauslesen kann, war dies eine strenggläubige Gemeinde, die von den Mitgliedern höchste Hingabe erwartete. Sie hatte durchaus sektiererische Tendenzen. Trotzdem hatte Gott diese Gemeinde ausgesucht als Brutkasten für mich den Babychrist. Es ist wunderschön, wie Gott unperfekte, ja sogar fast sektiererische Gemeinden benutzen kann, um sein Reich zu bauen.

Nach dem zweiten Gottesdienstbesuch wurde ich gefragt, ob ich Interesse hätte, die “Bibel zu studieren”. Natürlich war ich interessiert! Ich wollte mehr über diesen Gott herausfinden. Wie sich herausstellte, war das ein Glaubens-Grundkurs, allerdings als Einzelunterricht. Ich sass jeweils mit zwei bis drei Männern dieser Gemeinde zusammen, meistens in einer ihrer WGs. Sie lehrten mich, wie ich die Bibel lesen kann und wie man betet. Dazu beteten wir alle zusammen laut. Sie lehrten mich über die Hingabe an die Gemeinde und die Sünde. Dabei bekannte jeder seine Sünden laut vor allen anderen. Weiter lehrten sie mich über das Kreuz, die Vergebung und die Taufe. Wir sassen täglich zusammen, jeden Abend. Sie sagten mir, dass dieser Prozess normalerweise viel länger gehe. Aber da ich schon wiedergeboren war, gab es bei mir nicht viel zu überlegen.

Die grösste Herausforderung für mich war, meine raubkopierte Software zu löschen. Nach dem Thema “Sünde” war klar, dass ich mich als Christ von jeder Sünde abwenden will, auch von dieser. Das Löschen der Software selbst war keine grosse Sache. Für Vieles gab es Freeware- oder Opensource-Alternativen, oder es liess sich eine günstige Studentenversion finden. Die grössere Sache war, meinen Mitstudenten zu erklären, warum ich keine raubkopierte Software mehr benutze. Es war das erste Mal, dass ich mich zu Jesus bekennen musste.

Am ersten Februar 1998 liess ich mich taufen. Vor der Taufe prüften die Brüder mein Herz: Was treibt dich an? Hast du wirklich Jesus als Heiland angenommen? Bist du von deinen Sünden umgekehrt? Hast du Jesus als Herr angenommen über all deine Lebensbereiche?

Ich verstand, dass dies eine grosse Entscheidung war. Ich erinnere mich an den einen Gebetsspaziergang, wo ich mit Gott rang. Sollte ich wirklich Jesus als Herr meines ganzen Lebens annehmen? Es kam mir vor, als müsse ich einen Schritt ins Leere tun und darauf hoffen, dass Gott mich hält.

Die Taufe selbst war ein grossartiges Erlebnis. Ich erinnere mich, dass ich nach der Taufe auf dem Nachhauseweg die ganze Welt hätte umarmen können. Ich wollte alles für Gott tun, für ihn in die Mission gehen, auch an die entferntesten Orte.

Es war so viel passiert innerhalb von drei Monaten, dass es mir schwerfiel, den Leuten zu erklären, was mit mir geschehen war. Meine Eltern verstanden es nicht, mein Bruder leider auch nicht. Und auch im Studium konnte ich es niemandem so richtig erklären. Ich verstand nicht, wieso sie die Herrlichkeit des Evangeliums nicht sehen konnten. Vielleicht taten sie es als Strohfeuer ab. Doch das Feuer blieb.

Auch heute, nach dreiundzwanzig Jahren, bleibt das Feuer in mir bestehen. Gott hat mir seinen Heiligen Geist gegeben. Der führte mich immer wieder zu ihm, durch alle Schwierigkeiten in Gemeinden und durch veränderte Lebensumstände. Immer blieb Gott mir treu und darum blieb auch ich ihm treu.

Die Hoffnung aber lässt nicht zuschanden werden; denn die Liebe Gottes ist ausgegossen in unsere Herzen durch den Heiligen Geist, der uns gegeben worden ist (Rom 5,5)

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