#Martin Luther

Oft, wenn ich am Morgen aufstehe, habe ich keine Lust zum Beten. Wenn ich am Beten bin, sind meine Gedanken schon bei der Arbeit.

Was soll ich tun? Verzweifeln, weil mein Herz sich nicht zu Gott hingezogen fühlt? Nur dann beten, wenn ich auch Lust dazu habe? Oder mit lustlosem Herz das Gebet bestreiten?

Nein, sagt Jakobus, sondern…

Naht euch zu Gott, so naht er sich zu euch! […] heiligt eure Herzen, die ihr geteilten Herzens seid!

Ist dein Herz geteilt - es hat sowohl ein bisschen Lust an Gott, aber ebenso oder noch mehr Lust an der Welt - dann verzweifle nicht, sondern nähere dich Gott indem du dein Herz heiligst.

Wie geht das? Luther schreibt an seinen Freund Peter der Barbier Folgendes:

Lieber Meister Peter. Ich sage Euch, so gut ich es vermag, wie ich es selbst mit dem Beten halte. Unser Herr und Gott gebe es Euch und allen anderen, es besser zu machen. Amen.

Wenn ich fühle, dass ich durch fremde Geschäfte oder Gedanken kalt und unlustig zum Beten geworden bin, weil ja das Fleisch und der Teufel immerzu dem Gebet widerstehen und es verhindern, so nehme ich mein Psalterbüchlein und laufe damit in meine Kammer. Wenn es Tag und Zeit ist, gehe ich in die Kirche und unter das Volk. Dann fange ich an mit den Zehn Geboten und dem Glaubensbekenntnis, und wenn ich Zeit habe, sage ich mir etliche Sprüche Christi oder des Paulus oder Psalmen auf, so wie es die Kinder tun.

Es ermutigt mich zu sehen, dass Leute wie Luther damit zu kämpfen hatten, dass ihr Herz kalt geworden ist. Denn dann befremdet mich mein eigenes kaltes Herz nicht, sondern lässt mich hoffen, dass es wieder erwärmt werden kann.

Zum Aufwärmen am Morgen hilft mir das Vaterunser, auswendig gelernte Bibelverse oder eine Seite aus Luthers “Aus der Tiefe, rufe ich Herr zu dir“.

Martin Luther, aus den Vorlesungen über 1. Mose:

Wenn wir deutlich aufzeigen wollen, was unser Gebet ist, so stellt sich heraus, dass es in Wahrheit nichts weiter als das Stammeln eines Kindes ist, das am Tisch steht und nicht weiß, ob es um Brot oder um Fleisch bittet. Denn wir wissen nicht, wie wir beten sollen. Die Dinge und Güter, um die wir bitten, sind größer als unsere Vernunft und unser Verstand, und der sie gibt, ist noch viel größer; und daher sind auch seine Güter und Gaben größer, als dass wir sie mit unseren Herzen erfassen könnten.

All das sage ich, damit ich euch und mich dadurch erwecke, nicht zu verzweifeln, weil wir Gottes Majestät gegenüber so unwürdig sind. Wie ich schon sagte, können wir die Dinge, um die wir bitten, wegen ihrer Größe mit unserem Verstand nicht begreifen. Abraham hat wahrlich mehr empfangen, als er erbeten hatte. Das sollte uns zum Vorbild dienen, damit wir nicht vom Gebet ablassen oder meinen, es sei ohne Nutzen oder Frucht. Denn Gott sieht das Innerste unseres Herzens und versteht das unaussprechliche Seufzen, das in uns ist. Wir sind wie Kinder, die am Tisch stehen und stammeln und sich noch nicht auszudrücken verstehen.


Zitat entnommen aus: “Aus der Tiefe rufe ich HERR, zu dir”, erschienen im CLV-Verlag.

Bild: Franz von Defregger - Grace Before Meal

Martin Luther ist bekannt für die 95 Thesen, für seinen Kampf mit der katholischen Kirche, für seine Bibel-Übersetzung.

Weniger bekannt ist er für sein Gebet. Er hat sein Leben lang gerungen, ein Mann des Gebets zu werden und dazu auch einige Schriften veröffentlicht. Ich kann dazu das Buch “Aus der Tiefe rufe ich Herr, zu dir“ sehr empfehlen. Es ist ein Andachtsbuch, es enthält 365 Anregungen für das Gebet.

Aus der Einleitung:

Im Jahr 1522 erschien in Wittenberg das Betbüchlein, an dem Luther selbst schon eine geraume Zeit gearbeitet haben musste. Schon in den Jahren zuvor hatte er nämlich eine Menge übers Beten und Nachsinnen veröffentlicht: vor allem die kurze Erklärung zum Vaterunser, zu den Zehn Geboten und dem Glauben […] Damit wollte Luther endlich gegen die damals üblichen Gebetbücher vorgehen. Der Einfluss jener mittelalterlichen Gebetbücher war offensichtlich sehr groß. […] Luther wollte damit nicht erreichen, dass diese Gebete zu festgelegten Zeiten als gottesdienstliche Pflicht gedankenlos heruntergelesen oder nachgebetet wurden. Vielmehr wollte er dem »evangelischen Volk« Anregungen und Vorbilder für eigene Andachten geben und die Leute lehren, wie sie auf eigenständige Weise beten und mit ihren eigenen Worten freiheraus mit Gott reden könnten.

Die Andachten in “Aus der Tiefe” wurden nicht nur aus Luthers Gebetsbuch, sondern auch aus anderen Publikationen Luthers zusammengestellt.

Hier eine Kostprobe, aus einer Vorlesung über 1. Mose zum Text: “Ach siehe, ich habe mich unterwunden zu reden mit dem HERRN, wiewohl ich Erde und Asche bin.” (1. Mose 18,27)

Was mir gefällt ist, wie Luther ringt im Gebet, weil das Gebet schwer ist. Das erlebe ich auch, und gerade deshalb ist mir jede Ermutigung teuer.

Beten ist eine sehr schwierige Sache und eine schwere Arbeit und viel anstrengender als die Predigt des Wortes oder andere Aufgaben in der Gemeinde […] Beten ist das allerschwerste Werk, und darum ist es auch so selten. Es ist tatsächlich eine große Sache, wenn ein Mensch seine Augen und Hände zu Gott, der höchsten Majestät, aufzuheben wagt, um bei ihm zu bitten und zu suchen und anzuklopfen.

Es ist wohl auch eine große Sache, wenn Gott mit uns redet, aber mit ihm zu sprechen, ist schwerer, weil uns unsere Schwachheit und Unwürdigkeit aufhält und zurückzieht, sodass wir denken: ›Wer bin ich, dass ich meine Augen und Hände zu der göttlichen Majestät aufheben darf, vor der die Engel stehen und vor deren Wink die ganze Welt erzittert? Darf ich armer Mensch dann vor ihn treten und sagen, dass ich dies haben will, und ihn bitten, es mir zu geben?‹


“Aus der Tiefe rufe ich HERR, zu dir” ist erschienen im CLV-Verlag.
Es gibt auch eine PDF-Version gratis zum Download.
Ich habe mir die PDF-Version für private Zwecke zu einem Ebook umformatiert und hatte es ein Jahr lang benutzt als Anregung vor meinem Gebet.

Weiterführende Lektüre:

Dieser Beitrag ist Teil einer Reihe über Bibelübersetzungen. Hier geht’s zur Übersicht.

Luther

Luther-Bibel

Martin Luther übersetzte die Bibel in einer Zeit, als immer noch die Meinung herrschte, die Bibel sei nichts für den “normalen Mann”. Es gab zwar schon andere deutsche Übersetzungen, diese waren aber alles Wort-für-Wort—Übersetzungen aus der lateinischen Vulgata.

Luthers Argumentation für eine freie Übersetzung

Luther wollte aber die Bibel dem Volk öffnen und hielt nichts von den Wort-für-Wort-Übersetzungen. Er schrieb:

man muss nicht die Buchstaben in der lateinischen Sprache fragen, wie man soll Deutsch reden, wie diese Esel tun, sondern man muss die Mutter im Hause, die Kinder auf der Gassen, den gemeinen Mann auf dem Markt drum fragen und denselbigen auf das Maul sehen, wie sie reden, und darnach dolmetschen; da verstehen sie es denn und merken, daß man deutsch mit ihnen redet.

Er wurde scharf angegriffen - vor allem von der katholischen Kirche - da er sich von der wörtlichen Übersetzung distanzierte und Redewendungen ins Deutsche übertrug. Luther schoss zurück: in seinem Sendebrief vom Dolmetschen nennt er seine Gegner Buchtabilisten und verteidigt seine Art zu Übersetzen.

An was störten sich die Buchstabilisten? An dem, dass Luther so übersetzte: statt Gegrüßet seist du, Maria voll Gnaden schrieb er Gegrüßet seist du, Maria du Holdselige (Lk 1:28), denn:

welcher Deutscher verstehet, was da heißt: voll Gnaden? Er muss denken an ein Fass voll Bier oder Beutel voll Geldes; darum hab ich’s verdeutscht: Du Holdselige

Anstatt Aus dem Überfluss des Herzens redet der Mund übersetzte er Wes das Herz voll ist, des gehet der Mund über (Mt. 12:34). Denn:

Was ist Überfluss des Herzen für ein Ding? Das kann kein Deutscher sagen, es sein denn, er wollte sagen, es bedeute, daß einer ein allzu groß Herz habe oder zuviel Herz habe; wiewohl das auch noch nicht recht ist, denn Überfluss des Herzens ist kein Deutsch, so wenig als das Deutsch ist: Überfluss des Hauses, Überfluss des Kachelofens

Die Diskussion, ob die Bibel möglichst wörtlich oder möglichst verständlich übersetzt werden soll, ist spannend und wird auch heute noch geführt, allerdings häufig viel zu erbittert: Im Netz fand ich endlose Schimpftiraden gegen freie Übersetzungen: Nicht nur gegen “Hoffnung für alle” sondern auch gegen die “Neue Genfer Übersetzung” wird gewettert. Den freien Übersetzungen wird vorgeworfen, das Wort Gottes so zu verdrehen, dass es die eigene Ansichten unterstütze. Ironischerweise werden diese Argumente von Befürwortern der alten Luther benutzt; gerade die Bibel, welche zu ihrer Zeit als “freie Übersetzung” galt.

Dabei geht es doch darum, das Wort Gottes den Menschen näher zu bringen. Und da ist es doch klasse, dass wir im deutschen Raum so viele verschiedene Übersetzungen haben. Da können wir doch den kirchenfremden eine NGÜ geben und den Intellektuellen eine Elberfelder. Geht doch!

Das “Luther-Deutsch”

Doch zurück zu Luther: Als ich vor knapp 20 Jahren Christ wurde, kannte ich die Bibel noch gar nicht. Für mein persönliches Bibelstudium bekam ich eine Luther-Bibel geschenkt. Ich erinnere mich noch, wie ich jeden Morgen in dieser Bibel las und dabei nicht nur der Inhalt neu war, sondern auch die Sprache: Denn wes das Herz voll ist, des geht der Mund über (steht immer noch in der Version von 1984!); das verstand ich zwar, vermittelte aber, dass Christentum etwas antiquiertes war. Nach einiger Zeit gewöhnte ich mich daran und dachte: «Nunja, das ist halt wie Gott spricht»

Was heute so antiquiert klingt war zu Luthers Zeit höchst aktuell: Luther hat “dem Volk auf’s Maul geschaut”: Statt die lateinischen oder griechischen Wörter direkt zu übertragen, hat er Wörter aus der Umgangssprache seiner Zeit genommen und diese benutzt, um den Text zu erklären. Dabei hat er einige Wörter erfunden oder zumindest geprägt und hat so sogar das “Hochdeutsch” (nämlich dem Deutsch in der Region Luthers) zum Standard-Deutsch erhoben.

Ein paar Beispiele:

  1. Das Scherflein der Witwe (Lk. 21:2): Ein Scherf war eine geringe Kupfermünze in seiner Region zur Zeit von Luther, nicht etwa eine Geldmünze zur Zeit des neuen Testaments.

  2. das Licht unter den Scheffel stellen (Mt. 5:15). Scheffel war nicht etwa eine Masseinheit der Zeit Jesu’ sondern diese wurde ab dem Mittelalter benutzt.

  3. Götze (z.B. Apg.15:20) Das griechische Wort ist εἴδωλον (eidōlon) und wörtlich übersetzt wäre es “Idol”, Luther hat hier das mittelhochdeutsche Wort “Götze” genommen, das zu dieser Zeit ein Wort für Heiligenbilder war (auch die der katholischen Kirche!).

  4. Magd (z.B. Lk 1:48) oder Knecht (z.B. Lk 7:2): Das griechische Wort kommt von odδοῦλος (doulos) und bezeichnet ein Sklave oder ein Bediensteter. Zu Luthers Zeit sagte man dem eben Knecht oder Magd.

Spannend ist nun, dass Scherflein, Scheffel und Götze alles Wörter sind, welche wir heute nur noch aus der Bibel kennen; zur Zeit Luthers aber waren es Wörter der Umgangssprache. Das wären eigentlich die Wörter, welche von modernen Übersetzungen ersetzt werden müssten.

Eigenartig ist nun, dass Luther, Elberfelder, Schlachter und die Zürcher-Bibel alle immer noch Licht unter den Scheffel haben, obwohl es das Mass längst nicht mehr gibt. Ebenso verhält es sich mit Scherflein, oder Knecht und Magd (heute wären dies Bedienstete oder Mitarbeiter).

Dies zeigt, was für einen enormer Einfluss die Luther-Bibel auf alle wörtlichen Übersetzungen hatte und auch heute noch verübt. Sie war und ist die populärste aller deutschen Bibeln. Die Luther-Bibel lag einmal in jedem 5. deutschen Haushalt! Nun wagt es keine der namhaften Übersetzungen, sich vom “Mittelalter-Vokabular” von Luther zu lösen.

Das Problem ist nämlich, dass sich die Kirche so an die Übersetzung gewöhnte, dass neuere Übersetzungen abgelehnt wurden, welche eben diese Wörter durch neuere Begriffe ersetzen wollten.

So z.B. die Revision der Lutherbibel von 1975: aus Scheffel wurde Eimer und prompt wurde die Übersetzung abgelehnt! Die Revision wurde verspottet und kriegte den Übernamen “Eimertestament”. Die Menschen hätten sich zu sehr an die Wörter gewöhnt.

Die neueste Revision der Luther-Bibel (1984), machte also die Vorschläge von 1975 rückgängig und nahm nur dort neueres Vokabular, wo die Verse nicht allzu bekannt waren.

Und das ist nun der Zustand der heutigen Luther-Bibel: An einigen Stellen gut, bei anderen extrem verstaubt. Vor allem bei bekannten Stellen (da wo die Luther-Bibel den Text fett hat). Einen Vergleich der Wortwahl zwischen Luther, Schlachter und Elberfelder habe ich hier zusammengestellt.

Anmerkungen

Wie steht es mit Anmerkungen (Einleitungen, Glossar)? Die Luther-Bibel wird von der reformierten Kirche Deutschlands herausgebracht, daher hatte ich befürchtet, dass sie sehr bibelkritisch oder “reformiert” sind (so wie die Einheitsübersetzung oder die Neue Zürcher)

Aber dem ist nicht so. Zumindest in meiner Ehe-Bibel mit Apokryphen war der Glossar recht ok: Die Schreiber nehmen an, dass das Paradies bei Adam und Eva tatsächlich existierten. Die Geschichte von Jona kommentieren sie mit “im alttestamentlichen Jonabuch wird erzählt…”:

Überall schimmert ein Zweifel durch, aber nirgends wird die Unfehlbarkeit der Bibel explizit in Frage gestellt. Es scheint, als wollten die Schreiber auch in den Anmerkungen Luther treu bleiben.

Fazit

Die Luther-Bibel ist eine genaue und gut lesbare Übersetzung, welche ich Menschen mit Kirchen-Hintergrund gerne empfehlen würde.

Sprachlich steht die Luther leicht hinter der Schlachter und der Zürcher-Bibel, vor allem dort wo sie nicht revidiert wurde. Wenn jemand mit Hoffart, Heiland und Kleinoden keine Probleme hat, ist Luther voll ok, für andere welche eine genaue Übersetzung suchen würde ich eher Schlachter empfehlen.

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