Wir waren in den Sommerferien. 2 Wochen im Zelt auf dem Campingplatz. Diese Art von Ferien ist für mich immer die Möglichkeit, den Alltag hinter mir zu lassen. Kein Computer, (fast) kein Handy, keine Musik, keine News.
Doch da der Tagesablauf total anders war, fiel meine Gebetszeit am Morgen ins Wasser. Sprich ich habe 2 Wochen lang nicht mehr gebetet.
Richtig bewusst wurde mir das aber erst, als ich wieder zu Hause war und ich am ersten Arbeitstag aufstand. Soll ich nun wieder beten gehen? Wirklich Lust habe ich nicht. Doch, was solls, schaden kanns ja auch nicht wirklich.
Und so machte ich mich parat auf meinen ersten Gebetsspaziergang nach den Ferien. Im geistigen Auge laufe ich durch die Kornfelder, spreche mit Gott, rezitiere vielleicht ein bis zwei Bibelverse und komme dann mit fröhlichem Herzen wieder nach Hause. So weit meine Vorstellung vom Gebetsspaziergang.
Was aber tatsächlich passiert ist: Ich spreche Gott an, bete vielleicht ein bis zwei Sätze, und verfalle in ein Grübeln über die Arbeit und die Familie. Gedankenverloren spaziere ich durch die Felder und merke erst auf halben Weg, dass ich ja gar nicht am Beten bin.
Das passiert mir nicht zum ersten Mal, und ist jedes Mal beschämend. Doch ich erinnere mich an das erste Kapitel aus Paul Millers Buch “A Praying Life - Connecting with God in a Distracting World“:
Wir halten etwa fünfzehn Sekunden durch, und dann taucht wie aus dem Nichts die Todoliste des Tages auf und unsere Gedanken schweifen ab. Wir merken es und kehren mit schierer Willenskraft zum Gebet zurück. Ehe wir uns versehen, ist es schon wieder passiert. Statt zu beten, treiben wir in einer verwirrenden Mischung aus Umherschweifen und Grübeln umher. Dann setzen die Schuldgefühle ein. Irgendetwas muss mit mir falsch sein. Andere Christen scheinen diese Probleme mit dem Beten nicht zu haben. Nach fünf Minuten geben wir auf und sagen: “Ich bin nicht gut darin. Ich könnte genauso gut etwas arbeiten”.
Ich finde es immer erfrischend, wenn Christen ehrlich über ihre Schwachheit sprechen. Das ist auch einer der Gründe, wieso ich diesen Blog schreibe und nicht davor zurückschrecke, Dinge aus meinem Leben zu erzählen, die eben vom “Christlichen Soll” abweichen.
Paul Miller schreibt danach:
Richtig, irgendetwas stimmt nicht mit uns. Unser natürlicher Wunsch zu beten kommt von der Schöpfung. Wir sind nach dem Ebenbild Gottes geschaffen. Unsere Unfähigkeit zu beten kommt vom Sündenfall. Das Böse hat uns verunstaltet. Wir wollen mit Gott sprechen, können es aber nicht. Die Spannung zwischen unserem Wunsch zu beten und unseren stark beschädigten Gebetsantennen, führt zu ständiger Frustration.
Was ich in solchen Situationen immer zu Gott sage ist: “Gott, lehre mich zu beten”. Er war es, der in mir überhaupt den Glauben erschaffen hat, er wird es auch zustande bringen, dass ich in meinem unfähigen Zustand zu einem ehrlichen, erbaulichen Gebet finde.
Und so habe ich wieder angefangen zu beten. Jeden Tag, obwohl es sich nicht danach angefühlt hat. Nach ein paar Tagen hatte ich einen schweren Abend. Es war nach einem anstrengenden Arbeitstag und in der Familie hatten wir Streit. Ein Gedanke meldete sich: “Morgen kannst du das Gebet gut auslassen und es dir mal etwas gut gehen lassen, das musst du jetzt nicht auch noch machen!”. Doch schnell wurde mir klar: Oha, das Gebet ist unbewusst zur Pflichtübung geworden. Ein Todo, das ich auslassen kann, wenn es gerade zu stressig wird. Zum Glück meldete sich Sekunden danach ein ganz anderer Gedanke: “Gerade jetzt brauchst du das Gebet! An der Arbeit läuft es nicht gut, in der Familie ist Streit, wie genau soll sich das verbessern, indem du es dir einmal gut gehen lässt?”.
Es kam mir das Gleichnis des Pharisäers und des Zöllners in der Synagoge in den Sinn wo der eine betete: “wie gut bin ich, Herr, dass ich hier täglich bete” - Genau das hat sich bei mir eingestellt, ich suchte das Gebet, damit ich mich von den anderen abheben kann, damit ich von Gott mehr Segen bekam. Der andere aber betete in der Verzweiflung: Gott, sei mir Sünder gnädig - bei mir: Es läuft nicht gut in Arbeit und Familie. Schau nicht auf meine erbärmlichen Gebete und erhöre mich trotzdem!
Es ist mir bewusst geworden, dass ich meine Gebete als “geistliche Übungen” sah, die nicht viel mit meinem Leben zu tun haben. Denn wenn sie tatsächlich helfen würden, dann hätte ich keinen Reflex sie auszulassen, wenn es mir mal nicht gut geht.
Und zum Schluss wurde mir auch klar, wieso meine Gedanken immer wieder vom Gebet “abwanderten”: weil sie nicht mit meinen wahren Anliegen übereinstimmten. Denn meine Gedanken gingen dahin, wo meine Sorgen waren, doch mit meinem Gebet versuchte eher, Gott zu beeindrucken und fromme Worte hervorzubringen.
Dies beschreibt Paul E. Miller in “A Praying Life” so:
Der einzige Weg, zu Gott zu kommen, ist das Ablegen jeder spirituellen Maske. Dein wahres Ich muss den wahren Gott treffen. Er ist eine Person.
Anstatt Dich darüber zu sorgen, dass deine Gedanken sich nur um dich selber drehen, sprich mit Gott über deine Sorgen. Sag ihm, wo du müde bist. Wenn du nicht damit beginnst, wo du bist, dann wird sich das, wo du bist, durch die Hintertür hineinschleichen. Dein Geist wird dorthin wandern, wo du müde bist.
Wir sind oft so beschäftigt und überwältigt, dass wir, wenn wir uns zum Beten zurückziehen, nicht wissen, wo unser Herz ist. Wir wissen nicht, was uns bedrückt. Also müssen wir uns seltsamerweise vielleicht Sorgen machen, bevor wir beten. Dann werden unsere Gebete einen Sinn haben. Sie werden von unserem wahren Leben handeln.
Und so ging ich am nächsten Morgen doch beten. Und rief zu Gott, er solle sich doch meiner Situation erbarmen. Und das Gebet wurde so viel realer, und schon bald merkte ich die ersten Gebetserhörungen.