Meine Bekehrungsgeschichte

Meine Bekehrungsgeschichte beginnt mit Pulp Fiction. Es ist ein denkbar seltsamer Anfang, aber in diesem Kult-Film geht es eigentlich darum, wie Jules merkt, wie Gott ihn gerade vor dem Tod bewahrt hat. Die einzige logische Reaktion war, dass er seinen Job aufgab und ab sofort Jesus nachfolgte. Das ist vermutlich nicht die anerkannte Zusammenfassung des Plots. Aber glaubt mir, darum geht es eigentlich im Film und so hat Gott ihn auch in mein Leben gestellt.

Ich sah mir den Film an und war tief beeindruckt. Ich wusste zwar nicht wovon, aber nach dem Film stand ich auf, drehte den Fernseher ab und wusste: Etwas muss in meinem Leben geschehen. Es erwachte in mir der Wunsch, nach der Wahrheit zu suchen. Ich stand mitten im Wohnzimmer meines Elternhauses. Es war niemand zu Hause. Meine Augen schweiften durch die Büchergestelle auf der Suche nach einem Buch, das mich über die Wahrheit des Lebens erleuchten könnte. Sowas hatte ich zuvor nicht gemacht. Ich hatte mich nie für Philosophie interessiert. Mein Leben war geprägt von Realismus, von Naturwissenschaften, aber nach Pulp Fiction musste etwas verrücktes her, etwas ganz anderes.

Nun gab es in diesem Büchergestell leider keine christlichen Bücher, denn meine Eltern hatten sich vom Christentum abgewendet. Mein Vater war in einer christlichen Familie aufgewachsen. Seine Eltern und alle seine Geschwister gingen in den Brüderverein, eine strenge, gesetzliche Freikirche. Er wollte aus dieser Enge ausbrechen, verwarf den christlichen Glauben, und wendete sich der Esoterik zu. Meine Mutter war katholisch aufgewachsen. Sie wurde in einer klösterlichen Schule unterrichtet, ihre Eltern waren streng katholisch und lehnten alles ausserhalb der katholischen Kirche ab. Auch sie wollte aus dieser Enge ausbrechen und wendete sich, zusammen mit meinem Vater, der Esoterik zu. Mein Bruder und ich wurden in der esoterischen Weltsicht erzogen. Zu viert lachten wir über die Enge des Christentums. Meine Verwandten väterlicherseits schickten uns gelegentlich christliche Traktate zu, in der Hoffnung, wir Kinder würden sie lesen, aber stattdessen machten wir uns über diese Hefte lustig. Ich erinnere mich an eine Zeichnung mit dem Titel “der schmale Weg”. Es zeigte den richtigen, christlichen Weg, der zum Himmel führt und daneben den “breiten Weg”, welcher gesäumt war mit Menschen, die tanzten, tranken und sich mit Glücksspiel vergnügten und der natürlich in der Hölle endete. “Wie hinterwäldlerisch”, dachten wir, “wie langweilig!”. Es gab nichts, was mich am christlichen Glauben auch nur im Ansatz interessiert hätte.

So kam es, dass ich kein christliches Buch aus diesem Büchergestell nahm. Auch wenn es eines gegeben hätte, ich hätte es höchstens als Belustigung gelesen. Was ich dann fand, war “Siddharta” von Hermann Hesse. Ich nahm es nach oben in mein Schlafzimmer und fing an, darin zu lesen.


Zu diesem Zeitpunkt war ich neunzehn Jahre alt. Ich hatte gerade meine obligatorische Militärzeit (Rekrutenschule) abgeschlossen und mein Informatikstudium an der Universität (ETH Zürich) begann. Leider kannte ich in meiner Klasse niemanden. Mein bester Freund in der Kantonsschule hatte sich zwar auch für das Informatikstudium entschieden, aus irgendeinem Grund wollte er aber in Lausanne studieren. Im Nachhinein sagt er, das wäre eine Fehlentscheidung gewesen, doch für meine Bekehrungsgeschichte war diese Entscheidung wichtig, denn so war ich darauf angewiesen, im Studium neue Freunde zu finden.

Meine Passion zu dieser Zeit war die “Demoscene”. Das waren Programmierer, welche Computeranimationen programmierten und sie mit Musik hinterlegten. Ich hatte mit meinem Freund aus der Kantonsschule eine Gruppe gegründet und wir hatten einige dieser “Computer-Demos” programmiert. Ich war für die Musik zuständig und wendete all meine Freizeit dafür auf.

Eines Tages, als ich mit dem Shuttle-Bus zu einem entfernten Gebäude der ETH fuhr, dünkte mich, ich hörte zwei Studenten über die Demoscene sprechen. Ich war mir zwar nicht ganz sicher, aber da ich sowieso keine Freunde hatte, nahm ich all meinen Mut zusammen und sprach sie an, mit dem Risiko, dass ich mich lächerlich machte. Und siehe da, sie waren wirklich Demo-Programmierer! Die Freude über das gemeinsame Hobby war gross und so verbrachten wir von diesem Tag an viel Zeit zusammen.

Der eine der beiden hiess Josi (eigentlich Josua) und wie sich bald herausstellte, war er Christ. Es störte ihn nicht, dass keiner seiner Mitstudenten an Jesus glaubte. Er war sich seiner Sache sicher und erzählte auch mir bald in einer sehr natürlichen Art und Weise vom Christentum, weil Jesus das Zentrum seines Lebens war. Dabei schien er sich ehrlich für mich zu interessieren, bat mich zum Beispiel zu ihm zu sitzen in den Vorlesungen; mein Bedürfnis nach Freundschaft wurde grosszügig gestillt.

Kurze Zeit später zog ich für eine Woche in die WG von Josi und seinen zwei Mitstudenten. Wir wollten mehr Zeit zusammen verbringen, über Computer-Demos sprechen und übers Programmieren austauschen. Ich übernachtete in Josis Zimmer. Eines Abends, nachdem wir uns zu Bett gelegt und schon das Licht gelöscht hatten, fragte er mich, wieso ich denn nicht an Gott glaube. Ich erwähnte, dass die Evolution eine ganz gute Erklärung für die Welt sei, doch Josi konterte: Es sei gar keine gute Erklärung. Wie sollte zum Beispiel ein Auge entstehen? Ein Auge ist so kompliziert, da braucht es die Netzhaut und die Nerven, es braucht ein Gehirn und so weiter. Wenn die Evolution durch Vererbung nur jeweils Mutation für Mutation voranschreitet, dann muss es einen Fisch gegeben haben mit einem “halben Auge”, das wäre für den Fisch aber nur nachteilig gewesen und er hätte sich gegenüber den anderen Fischen nicht durchgesetzt. Diese Argumentation schien mir logisch und mein grösstes naturwissenschaftliches Argument gegen Gott wurde entkräftet.


Am vierundzwanzigsten Dezember ging ich in das Zimmer meines Bruders und stellte mit Schrecken fest, dass er sich gerade die CD gekauft hatte, die ich ihm für Weihnachten gekauft hatte. Ich war verwundert, denn ich schenkte ihm jede Weihnacht die neueste CD seiner Lieblingsband, es war mir überhaupt nicht verständlich, wieso er nun wenige Tage vor Weihnachten diese CD kaufte. Mir war natürlich nicht bewusst, dass Gott im Hintergrund die Fäden spannte und dass dieses Missgeschick Teil seines Plans war. Mir blieb also nichts anderes übrig, als nach Zürich zu fahren und die CD umzutauschen. Als ich aus dem CD-Laden spazierte, begegnete ich Josi, der gerade den Zug zu seinen Eltern nehmen wollte. Wir freuten uns, einander zu sehen und er lud mich zu einem Spaziergang im Park ein. Im Park erzählte er mir seine Geschichte mit Gott. Geblieben waren mir vor allem die übernatürliche Wunder, die er mit Gott erlebt hatte.

Am Abend, nach der Weihnachtsfeier bei uns zu Hause, ging ich ins Bett. Im Bett dachte ich darüber nach, was Josi mir im Park erzählt hatte. Ich dachte: Wenn Josi so etwas erlebt, dann kann ich das mit Gott auch erleben. Also betete ich zu Gott: “Gott, wenn es dich gibt, dann zeige mir deine Liebe”. Und sofort durchströmte mich ein so intensives Gefühl, wie ich es noch nie erlebt hatte. Es war ein warmer Strom von Freude, der mich durchströmte, für einige Sekunden. Es war die Bestätigung, dass es Gott gibt und er mich liebt.

Dieses Erlebnis, davon bin ich überzeugt, war meine Wiedergeburt. In Johannes 3 wird beschrieben, dass es sich mit der Wiedergeburt so verhält, dass man nicht wisse, woher sie komme, wie ein Wind, der plötzlich bläst. Ein paar Wochen zuvor hatte ich Gott nicht gesucht, ja sogar über Gott gelacht, ihn verachtet, ihn als nutzlose Krücke abgetan, und nun hatte er meine Barrikaden durchbrochen und gab mir ein neues Herz, das ihn als etwas Wertvolles betrachtete.

Um die Zeit meiner Bekehrung fing ich an, regelmässig Tagebuch zu schreiben und auch am vierundzwanzigsten Dezember am Abend, vor dem ins Bett gehen, schrieb ich einen Eintrag und schloss ihn ab mit “mehr nach der Werbung…….”. Als Fernsehkind wollte ich einfach irgendeinen zufälligen Spruch aufschreiben, ohne Kontext, einfach weil es lustig war. Was ich nicht wusste: Gott würde nur wenige Minuten danach wirklich Werbung machen, und zwar eine Werbung, die unwiderstehlich war.


Das Problem war: Josi konnte mich in keine christliche Gemeinde mitnehmen. Für das Studium war er von zu Hause nach Zürich gezogen und besuchte übers Wochenende seine Eltern im Kanton Bern.

Das Weihnachtserlebnis allein ohne Gemeinde hätte nur einen kurzfristigen Effekt gehabt. Schon am Tag danach schrieb ich in mein Tagebuch, dass ich Angst habe, dass sich das alles auf ein Gefühl reduziere und sobald das Gefühl verflogen wäre, alles wieder beim Alten wäre.

Doch auch hier hatte Gott vorgesorgt. Etwa zwei Monate vor Weihnachten wurde ich auf der Strasse angesprochen. Ob ich Interesse hätte, in einen Gottesdienst zu kommen. Nein. Sie würden auch regelmässig Partys feiern, wo ich andere Studenten kennenlernen könne. Nein. Der Mann auf der Strasse liess nicht locker: “Hier ist meine Telefonnummer, wie lautet deine?”. Zum Nein sagen fehlte mir der Mut. Ich dachte daran, die falsche Nummer anzugeben, aber dafür war ich zu ehrlich. Also sagte ich ihm meine richtige Nummer. Und natürlich rief er an. Nach einiger Überzeugungsarbeit willigte ich ein, zu einer Party zu gehen. Und die gefiel mir, denn die Gemeinschaft war grossartig. Ähnlich wie bei Josi gab es da plötzlich Leute, die sich für mich interessierten und die auch untereinander nahe Freundschaften hatten. Ich wollte herausfinden, was das Geheimnis hinter dieser liebevollen Gemeinschaft war. Also fing ich an, in den Gottesdienst zu gehen. Doch meine Barrikaden blieben oben, weil es noch vor meinem Weihnachtserlebnis war.

Ich merkte schnell, worauf es hinauslief. “Jesus als einziger Weg in den Himmel” war inkompatibel mit meiner esoterischen Erziehung. Ich war überzeugt, dass jede Weltreligion zum Ziel führt, insbesondere der Buddhismus, da ich ja kurz zuvor Siddharta gelesen hatte. “Kein Sex vor der Ehe” kam mir nicht zeitgemäss vor. Obwohl ich als introvertierter Informatiker keine Freundin hatte, wo das ein Problem hätte sein können, waren solche Ansichten über die Sexualität unter meinen Mitmenschen eine lächerliche Kuriosität.

Ich überlegte mir, von dieser Gemeinde nur die Lebenspraktiken zu übernehmen, ohne dabei ihre Lehre anzunehmen. Dann könnte ich auch so lieben wie sie, ohne meine Überzeugungen und das Ansehen meiner Umgebung über Bord werfen zu müssen.

Aber dann kam es eben anders. Nach dem ersten Gottesdienstbesuch hatte ich das Weihnachtserlebnis, und dies bewegte mich, Gott zu suchen. In den Tagebucheinträgen fing ich an zu schreiben, dass ich will, dass Gott mein bester Freund wird. Plötzlich war ich bereit, nicht nur die Lebenspraktiken, sondern auch die Lehre zu übernehmen.

Bei der christlichen Gemeinde handelte es sich um die “International Church of Christ”, eine Abspaltung von der “Church of Christ”. Wie man aus der Episode der Strassenevangelisation herauslesen kann, war dies eine strenggläubige Gemeinde, die von den Mitgliedern höchste Hingabe erwartete. Sie hatte durchaus sektiererische Tendenzen. Trotzdem hatte Gott diese Gemeinde ausgesucht als Brutkasten für mich den Babychrist. Es ist wunderschön, wie Gott unperfekte, ja sogar fast sektiererische Gemeinden benutzen kann, um sein Reich zu bauen.

Nach dem zweiten Gottesdienstbesuch wurde ich gefragt, ob ich Interesse hätte, die “Bibel zu studieren”. Natürlich war ich interessiert! Ich wollte mehr über diesen Gott herausfinden. Wie sich herausstellte, war das ein Glaubens-Grundkurs, allerdings als Einzelunterricht. Ich sass jeweils mit zwei bis drei Männern dieser Gemeinde zusammen, meistens in einer ihrer WGs. Sie lehrten mich, wie ich die Bibel lesen kann und wie man betet. Dazu beteten wir alle zusammen laut. Sie lehrten mich über die Hingabe an die Gemeinde und die Sünde. Dabei bekannte jeder seine Sünden laut vor allen anderen. Weiter lehrten sie mich über das Kreuz, die Vergebung und die Taufe. Wir sassen täglich zusammen, jeden Abend. Sie sagten mir, dass dieser Prozess normalerweise viel länger gehe. Aber da ich schon wiedergeboren war, gab es bei mir nicht viel zu überlegen.

Die grösste Herausforderung für mich war, meine raubkopierte Software zu löschen. Nach dem Thema “Sünde” war klar, dass ich mich als Christ von jeder Sünde abwenden will, auch von dieser. Das Löschen der Software selbst war keine grosse Sache. Für Vieles gab es Freeware- oder Opensource-Alternativen, oder es liess sich eine günstige Studentenversion finden. Die grössere Sache war, meinen Mitstudenten zu erklären, warum ich keine raubkopierte Software mehr benutze. Es war das erste Mal, dass ich mich zu Jesus bekennen musste.

Am ersten Februar 1998 liess ich mich taufen. Vor der Taufe prüften die Brüder mein Herz: Was treibt dich an? Hast du wirklich Jesus als Heiland angenommen? Bist du von deinen Sünden umgekehrt? Hast du Jesus als Herr angenommen über all deine Lebensbereiche?

Ich verstand, dass dies eine grosse Entscheidung war. Ich erinnere mich an den einen Gebetsspaziergang, wo ich mit Gott rang. Sollte ich wirklich Jesus als Herr meines ganzen Lebens annehmen? Es kam mir vor, als müsse ich einen Schritt ins Leere tun und darauf hoffen, dass Gott mich hält.

Die Taufe selbst war ein grossartiges Erlebnis. Ich erinnere mich, dass ich nach der Taufe auf dem Nachhauseweg die ganze Welt hätte umarmen können. Ich wollte alles für Gott tun, für ihn in die Mission gehen, auch an die entferntesten Orte.

Es war so viel passiert innerhalb von drei Monaten, dass es mir schwerfiel, den Leuten zu erklären, was mit mir geschehen war. Meine Eltern verstanden es nicht, mein Bruder leider auch nicht. Und auch im Studium konnte ich es niemandem so richtig erklären. Ich verstand nicht, wieso sie die Herrlichkeit des Evangeliums nicht sehen konnten. Vielleicht taten sie es als Strohfeuer ab. Doch das Feuer blieb.

Auch heute, nach dreiundzwanzig Jahren, bleibt das Feuer in mir bestehen. Gott hat mir seinen Heiligen Geist gegeben. Der führte mich immer wieder zu ihm, durch alle Schwierigkeiten in Gemeinden und durch veränderte Lebensumstände. Immer blieb Gott mir treu und darum blieb auch ich ihm treu.

Die Hoffnung aber lässt nicht zuschanden werden; denn die Liebe Gottes ist ausgegossen in unsere Herzen durch den Heiligen Geist, der uns gegeben worden ist (Rom 5,5)

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