Dies ist die Einleitung zu einer Beitrags-Reihe zu Rick Warrens Buch “The Purpose Driven Life” (Leben mit Vision), welches ich mit grossem Gewinn gelesen habe. Keine Angst, in der Reihe werde nicht bloss den Inhalt des Buches abspulen, sondern werde berichten, in welchen Bereichen meines Lebens ich mich vom Buch herausgefordert sehe, in der Hoffnung, dass diese Anregungen dir als Leser ebenso gewinnbringend sein werden wie mir.
Wie das Buch zum Besteller wurde
Rick Warren ist Pastor der Saddleback-Church in Kalifornien. Sein Anliegen ist dabei, dass die Gemeinde im Wandel mit Gott reift, dass sie im Wort “unterwiesen” wird.
Um 2000 hat er für seine Gemeinde eine Kursreihe erstellt, die er in seiner Gemeinde durchnahm. Nach dem Durcharbeiten des Materials hat er es 2002 in Buchform publiziert, mit der Annahme, dass nur Christen das Buch lesen würden. Kurz vor Publikation des Buches hat er es erweitert, sodass auch Nichtchristen es lesen können und es ihnen hilft, Jesus Meister ihres Leben zu machen.
Dann passierte das Überraschende: Das Buch wurde ein “overnight success”, es war während neunzig Wochen in der “New York Times Bestseller List”. Mittlerweile wurden vom Buch fünfzig Millionen Exemplare verkauft.
Von evangelikalen Christen wurde das Buch aber kritisiert: Zum einen würde es die Gnade Gottes zu wenig thematisieren, zum anderen würden häufig zu freie Bibelübersetzungen verwendet.
Ich hatte weder von Rick Warren noch von “Purpose Driven Life” etwas gehört, bis John Piper ihn 2010 zu einer Konferenz einlud und damit bei Warren-Kritikern Unverständnis auslöste. Als Antwort darauf führte Piper ein Interview mit Warren, in dem er ihm in einem positiven Setting Fragen zum Buch stellte.
Was mich bei diesem Interview beeindruckte, war einerseits Rick Warrens Herz als Pastor: Er schrieb das Buch, weil er sich als Hirte seiner Gemeinde verstand. Er wollte ihr Richtung geben, sie nicht in der Welt alleine lassen.
Andererseits beeindruckte mich, wie er mit dem Erfolg umging. Die phänomenalen Verkaufszahlen von “Purpose Driven Life” machten ihn zu einem reichen Mann. Er blieb aber in bescheidenen Verhältnissen und fing an, den “umgekehrten Zehnten” zu geben, nämlich neunzig Prozent zu spenden und nur zehn Prozent zu behalten. Am Schluss des Interviews geht Warren auf die Frage ein, wie er mit Geld und Ruhm umgeht.
Das Interview motivierte mich, das Buch zu lesen, und nun, gut einen Monat später, bin ich noch immer begeistert. Darum diese Rezension. Doch nochmals zurück zu dem, was am Buch kritisiert wird.
Kritik am Buch
Das Buch wird vor allem darum kritisiert, weil Warren oft sehr freie Bibelübersetzungen benutze, und zwar so, dass er sich einfach die Bibelstelle in der passenden Übersetzung suche, die sein Argument gerade am besten untermauert. In der Tat nutzt er z.B. “The Message”, die eher in die Kategorie “Umschreibung” als in die Kategorie “Übersetzung” fällt (das versteht auch Warren so in seinem Buch, wird aber nicht sehr explizit erwähnt). Ebenso die “New Living Translation”, eine Übersetzung, welche in der Art der deutschen “Guten Nachricht” recht nahekommt.
Warrens Antwort auf die Anschuldigung: Er wählte diese Übersetzungen, um Christen “aus der Bahn” zu werfen, sie aufmerken zu lassen. Hätte er traditionellere Übersetzungen gewählt, so hätten viele Christen über sie hinweggelesen mit “ah ja, diese Stelle, die kenne ich…”.
Ich habe beim Lesen des Buchs fast jede Stelle mit der Schlachter-Übersetzung verglichen. Manchmal kam ich zum Schluss: »Diese Übersetzung lässt spannende Feinheiten aus und vereinfacht Dinge weg, welche im Text wichtig sind!«, manchmal aber auch »Oh, so habe ich diese Bibelstelle noch nie wahrgenommen, und im Kontext sieht es danach aus, als wäre dieser Bibelvers genau so zu verstehen…«.
Ob Rick Warrens Herz wirklich war, dem Christen mithilfe der unorthodoxen Übersetzungen die Augen zu öffnen, weiss ich nicht. Was ich aber weiss, ist dies: Die Aussagen im Buch decken sich grösstenteils mit meinem Verständnis der Bibel und es hätten sich für den Beweis seiner Aussagen eine Vielzahl von anderen Bibelversen zitieren lassen. Daher ist mein Urteil: Seine Methode ist teilweise unorthodox, der Inhalt ist aber sehr wohl orthodox.
Die andere Kritik an Warren ist, dass er ein Werk der Pop-Psychologie geschrieben habe, das nur entfernt etwas mit der Bibel zu tun habe. In der Tat nutzt Warren (bewusst) oft eine einfache Sprache, die den Schluss zulässt, dass Warren biblisch nicht fundiert sei. Doch weit gefehlt: Im oben erwähnten Interview erzählt Warren zum Beispiel, das er alle Werke von Jonathan Edwards gelesen habe. Er hat seine Wurzeln sehr wohl im Wort Gottes und in der christlichen Tradition (insbesondere die Puritaner). Er weiss definitiv, wovon er spricht und seine Theologie ist stimmig.
Was mich an der Kritik stört, ist, dass sie verkannt, wozu das Buch eigentlich dient, nämlich Menschen dazu zu motivieren, ihr Leben unter die Herrschaft von Jesus stellen. Jeden Lebensbereich. Wenn nur 10% aller, die das Buch lesen, die Dinge aus dem Buch in ihrem Leben umsetzen würden, dann würde dies dem Christentum in der westlichen Welt einen enormen Schub geben. Beim Lesen des Buchs wurde mir bewusst, wie weit weg mein eigenes Leben vom Massstab der Bibel ist. Wenn die Kritiker nun auf stilistische Mängel hinweisen, auf die populäre Sprache und so weiter, so haben sie einerseits recht, andererseits legen sie den total falschen Fokus.
Wie hört denn die Bergpredigt auf? Damit, dass man in Kleingruppen darüber diskutieren soll? Damit, dass man nach Hause gehen soll, um die theologischen Zusammenhänge und Referenzen auf das Alte Testament richtig zu verstehen? Ist es ein Aufruf, über die philosophischen Ideen wie Gewaltlosigkeit zu diskutieren? Nein, sondern »jeder nun, der diese meine Worte hört und sie tut, den will ich mit einem klugen Mann vergleichen« aber » jeder, der diese meine Worte hört und sie nicht tut, wird einem törichten Mann gleich sein«. Warrens Buch legt das Gewicht auf das “Tun des Worts”, und das ist das, was mich angesprochen, herausgefordert hat.
Das Buch geht durch alle Bereiche des Lebens und stellt sie unter die Herrschaft Gottes. Gerade das macht das Buch so herausfordernd und gewinnbringend. Ich fühlte mich oft bei Dingen ertappt, welche aus Gründen nicht (mehr) unter Gottes Herrschaft standen, bewusst oder unbewusst. Jemanden zu haben, welche diese Bereiche anspricht, und die Umkehr davon als etwas Herrliches beschreibt, das hat mir geholfen.
Zum Buch und wie ich es gelesen habe
Was mich zunächst enttäuschte, war dass das Buch in 42 Tage eingeteilt ist. Ich mag solche Bücher nicht, da ich mein Lesetempo lieber selber einteile. Im Nachhinein half es mir aber, weil ich mir dadurch täglich dreissig Minuten Lesezeit reservierte und sich ein guter Leserhythmus einstellte. Ich las das Buch jeweils nach dem Mittagessen. Ich empfehle es nicht als Ersatz zum täglichen Bibellesen, da ich finde, dass nichts eine persönliche Auseinandersetzung mit dem Wort Gottes ersetzen sollte.
Rick Warrens Stil ist einprägsam: Er strukturiert seine Themen in drei bis fünf Punkte, welche entweder alle mit dem gleichen Buchstaben anfangen oder zusammengesetzt Wörter wie SHAPE ergeben. Sein Stil ist ausserdem sehr anschaulich: Er nutzt Vergleiche, Beispiele, Gleichnisse, Wortspiele, Reime und man merkt, dass er aus einem grossen Fundus an Ideen schöpfen kann.
Er ist dabei sehr praktisch, gibt etwa beim Thema “Versuchung” konkrete Hinweise, wie man Versuchungen begegnen kann, hat sich dann aber davon gehütet, Anweisungen oder Aufgaben zu verteilen. Es gibt kein “nimm dir heute vor, …” oder “überlege dir, welche Bereiche in deinem Leben…”. Es hat am Schluss jedes Kapitels eine Bibelstelle, welche das Kapitel zusammenfasst, und ein “Punkt zum Nachsinnen”, und das war es dann auch. Sein Stil ist eher geprägt zu motivieren als zu instruieren. Und so hat das Buch für mich auch gut funktioniert.
Am Anfang des Buches empfahl er, die tägliche Bibelstelle auswendig zu lernen. Das habe ich auch gemacht (ich nutzte das Programm Anki dafür). Durch das Auswendiglernen der Bibelstelle wurde der Punkt von einzelnen Kapiteln erst richtig lebendig. Weil 40 Tage durch verschiedene Themen zu rasen, bringt normalerweise nicht viel, aber wenn sich das Wort Gottes im Herzen festsetzt, dann kann es über die 40 Tage hinaus im Leben wirksam sein.