Es war vor zwei Jahren, Anfangs Januar. Im Minimalisierungs-Fieber fragen wir uns: könnten wir auf unser Auto verzichten? Es gab keinen zwingenden Grund es zu behalten, wir wussten aber nicht, ob wir etwas übersehen hätten. Da kam uns eine Idee: Lass uns einen Selbst-Versuch wagen: Wir versuchen das Auto einen Monat lang nicht zu benutzen.
Hier kurz etwas zu unserer Situation: wir wohnen zwar auf dem Land, aber brauchten das Auto sowieso nur selten. Ich gehe mit dem Zug zur Arbeit. Die Kinder gehen im Dorf zur Schule und haben keine Hobbies, wo wir sie hinfahren müssten. Meine Frau geht seit Jahren mit dem Fahrrad einkaufen. Den Gottesdienst besuchen wir auch in unserem Dorf. Wir hatten also schon vorher unser Leben so eingerichtet, dass wir das Auto möglichst wenig brauchen und lokal unterwegs waren.
Im Januar waren wir auf Besuch eingeladen, wir fuhren mit dem Zug hin und waren froh, dass die Kinder gut mitmachten. Die Reisezeit mit dem Zug ist zwar meistens eineinhalb Mal so lang wie mit dem Auto, aber dafür ergab sich manches interessante Gespräch oder Spiel im Zug.
Dann kam Februar und wir dachten: “lass uns das einfach so lange wie möglich durchziehen”, März, April. Nach etwa drei Monaten brauchten wir das Auto für eine Fahrt, die mit dem öffentlichen Verkehr viel zu lange gedauert hätte. Aber, oh Schreck: das Auto sprang nicht mehr an, die Autobatterie war leer! Nach dem Überbrücken sprang das Auto wieder an. Doch schon kurze Zeit später war die Batterie erneut leer. Uns wurde klar, dass ein Auto mindestens monatlich gefahren werden muss damit es fahrtüchtig bleibt.
Von da an haben wir uns ernsthaft überlegt, das Auto zu verkaufen. Was uns einerseits davon abhielt waren die Ferien: Als Zelter haben wir so viel Gepäck, dass Verreisen mit dem Zug nicht in Frage kommt. Jemand empfahl uns billiger-mietwagen.de und wir haben uns ausgerechnet, dass auch wenn wir mehrmals pro Jahr per Mietwagen verreisen, es uns wesentlich günstiger kommt, als ein Auto zu besitzen.
Zum Anderen hatten wir Respekt vor der Reaktion unserer Kinder. Uns ist wichtig, dass unsere Kinder beim Minimieren mitziehen. Das ist schwer, weil sie orientieren sich an der Welt, an ihren Kameraden in der Schule. Und da gilt: “mehr ist mehr”. Wer hat das schnellere Auto, wer wohnt im grösseren Haus, wer hat die cooleren Spielzeuge. Alle bei uns im Dorf haben ein Auto, viele haben zwei. In diesem Sog kommen wir zu unseren Kindern und erklären ihnen: “wir wollen unser Auto verkaufen”. Ihre erste Reaktion: “die lachen uns aus in der Schule”. Es ergab sich ein gutes Gespräch über Ansehen in der Schule, und wir wurden uns einig: jemanden auslachen, bloss weil er weniger Besitz hat, das ist dumm.
So kam es, dass wir unser Auto verkauften. Unsere Kinder wurden nicht ausgelacht in der Schule. Wir hatten tolle Mietautos für unsere Ferien (unsere Kinder freuten sich, dass wir mit durch das Mieten zu modernen und komfortablen Autos kommen). Vermissen wir das Auto? Nein. Aber manchmal ist es etwas umständlicher. Wir verzichten vielleicht auf einen Ausflug, weil es umständlicher ist, aber sonst geht unser Leben weiter wie bisher.
Wieso schreibe ich das auf? Weil ich will, dass alle ihre Autos verkaufen? Sicher nicht. Für viele ist das Auto eine Notwendigkeit für den Alltag oder eine Möglichkeit zum Dienen. Ich wollte mit diesem Artikel Mut machen, neue Wege zu gehen, auch wenn es niemanden in der Umgebung gibt, der so handelt. Wir haben uns darauf eingestellt, dass der Auto-Verkauf Unverständnis hervorrufen wird. Vielleicht hat es, der ist aber bisher nicht bis zu uns durchgedrungen. Aber auch wenn, in der Bibel sehe ich mich aufgerufen:
Wenn wir geschmäht werden, segnen wir; wenn wir Verfolgung leiden, halten wir stand; wenn wir gelästert werden, spenden wir Trost (1. Kor 4,12-13)