Deutsche Bibelübersetzungen: Schlachter

Dieser Beitrag ist Teil einer Reihe über Bibelübersetzungen. Hier geht’s zur Übersicht.

Schlachter-Übersetzung

Schlachter Bibel

Gerade mal vorneweg: Das schlimmste an der Schlachter-Übersetzung finde ich ja den Namen. Da kommt mir “Schlachthof” in den Sinn und Blut, und Opfertiere. Ganz ehrlich: diese Abneigung hatte bei mir bisher genügt, um mich nie wirklich mit dieser Übersetzung auseinander zu setzen. Schade, denn bei näherem Studium hat sie sich zu meiner Lieblings-Übersetzung gemausert. Aber nun mal von Vorne.

Franz Eugen Schlachter

Die Übersetzung ist das Werk von Franz Eugen Schlachter, welches er im Alleingang um 1900 schrieb. Er war Prediger in Bern und war Teil der Erweckungsbewegung. Daher hat diese Übersetzung freikirchliche Wurzeln. Das ist vor allem wichtig, wenn man Einleitungen zu den Büchern liest oder Erklärungen im Anhang. Was ich da bisher gelesen habe war sehr gut.

Schlachter orientierte sich bei seiner Übersetzung an den schon bestehenden Übersetzungen “Luther” und “Zürcher-Bibel”. Die 3 Übersetzungen sind im Wesen sehr ähnlich: Die christlichen Begriffe wir Sühne werden stehen gelassen, aber der restliche Wortschatz ist in den neueren Versionen recht zeitgemäss und gut verständlich.

Schlachter ist zwar nicht so leicht zu lesen wie die NGÜ, dafür übersetzt sie “wörtlich” (Strukturtreu) und ist daher viel näher am Urtext als die NGÜ. Sie ist auch wesentlich kürzer als die NGÜ, daher ist die Schlachter ideal zum Auswendiglernen.

Sprachliche Unterschiede zu Luther und Elberfelder

Als Vergleich zur Elberfelder und Luther nochmals Römer 3:25:

| Elberfelder | Schlachter | Luther |
-|-
| Ihn hat Gott hingestellt als einen Sühneort durch den Glauben an sein Blut | Ihn hat Gott zum Sühnopfer bestimmt, [das wirksam wird] durch den Glauben an sein Blut | Den hat Gott für den Glauben hingestellt als Sühne in seinem Blut |
| zum Erweis seiner Gerechtigkeit wegen des Hingehenlassens der vorher geschehenen Sünden | um seine Gerechtigkeit zu erweisen, weil er die Sünden ungestraft ließ, die zuvor geschehen waren, | zum Erweis seiner Gerechtigkeit, indem er die Sünden vergibt, die früher begangen wurden |

Ich finde die Schlachter-Version hier sehr gelungen: Der Zusammenhang zwischen Glauben und Sühne ist gut verständlich, es ist auch klar, dass [das wirksam wird] ein Erklärungs-Einschub ist, der im Urtext nicht vorhanden ist.

Ich finde auch weil er die Sünden ungestraft liess besser als das wegen des Hingehenlassens (ELB) oder indem er die Sünden vergibt (LUT).

Präpositionen

Allgemein sind die Präpositionen in der Schlachter besser gewählt als bei Elberfelder oder Luther, als Beispiel Johannes 6:10a:

| Elberfelder | Schlachter | Luther |
-|-
| Jesus sprach: Macht, dass die Leute sich lagern! Es war aber viel Gras an dem Ort | Jesus aber sprach: Laßt die Leute sich setzen! Es war nämlich viel Gras an dem Ort | Jesus aber sprach: Lasst die Leute sich lagern. Es war aber viel Gras an dem Ort |

Im Urtext steht δέ - was mit und, aber oder auch, etc. übersetzt werden kann. Luther und Elberfelder suggerieren mit aber, dass das Gras ein Problem ist; dass sich die Leute hinsetzen sollten aber wegen dem Gras das nicht möglich war. In Wahrheit ist genau das Gegenteil der Fall: das Gras lud gerade dazu ein, sich hinzusetzen. Wieso Luther und Elberfelder an dem aber festhalten, ist seltsam.

ist Schlachter modern?

Im Allgemeinen finde ich die Schlachter 2000 bloss “ok” was den modernen Sprachgebrauch angeht. Es könnte eine Spur besser sein. Gegenüber der NGÜ wirkt Schlachter an manchen Stellen etwas antiquiert. Ich denke die Übersetzung könnte zeitgemässer sein ohne ihre Wörtlichkeit einzubüssen.

Als Beispiel Mt. 6:19

Schlachter NGÜ
Ihr sollt euch nicht Schätze sammeln auf Erden, wo die Motten und der Rost sie fressen und wo die Diebe nachgraben und stehlen. Sammelt euch keine Reichtümer hier auf der Erde, wo Motten und Rost sie zerfressen und wo Diebe einbrechen und sie stehlen

Im Vergleich zu anderen wörtlichen Übersetzung (Luther und der Neuen Zürcher Bibel) ist die Schlachter aber ebenbürtig was den modernen Sprachgebrauch angeht. Mehr dazu im nächsten Beitrag.

Textus Receptus vs. Nestle Aland

Zum Schluss noch zu einem recht heiklen Thema: Die Schlachter übersetzt aus dem “Textus Receptus”, einer älteren Zusammenstellung des griechischen Urtexts. Alle anderen bekannten deutschen Bibeln übersetzen aus “Nestle Aland”, einer Textform des Neuen Testaments, welche auf neueren Erkenntnissen (Funden) beruht, und daher ein wissenschaftlicherer Ansatz zur Wiederherstellung des Urtextes ist als “Textus Receptus”.

kurzer Exkurs in die Geschichte des griechischen Urtexts

Ob “Textus Receptus” oder “Nestle Aland”: darüber wird heftig debattiert. Die neueren deutschen Bibeln nehmen alle “Nestle Aland” als Urtext, ausser eben die Schlachter. Bei den englischen Bibeln sieht es ähnlich aus: Die “New King James Version” (NKJV) ist eine der wenigen, welche noch auf Textus Receptus beruht.

Wen es interessiert, der findet auf dem Netz hunderte Abhandlungen. Ich versuche die Diskussion hier zusammenzufassen (das Meiste habe ich von “The Integrity of the New Testament” von Dan Peters):

Die Darstellung rechts zeigt die Funde von griechischen Abschriften des Neuen Testamentes: Je breiter der schwarze Balken, desto mehr Funde:

Gefundene Abschriften Alexandrinisch, Western und Minisculen (Byzantinisch)

Die Funde kann man 3 Text-Gruppen zuordnen:

  • Gruppe A: Die Alexandrinischen Textfunde (auf dem basiert Nestle Aland hauptsächlich)
  • Gruppe M: die Minisculen Textfunde, auch Mehrheitstext genannt (auf dem basiert Textus Receptus hauptsächlich)
  • Gruppe W: der “Western Text” (wird für keine Übersetzung gebraucht)

Zur Zeit der Reformation gab es nur die lateinische Vulgata und die Zusammenstellung von griechischen Texten von “Erasmus von Rotterdam”, welche auf einem halben Dutzend Manuskripten beruhte, die damals im Umlauf waren. Da die Mehrheit der damaligen Manuskripte aus der “Gruppe M” kamen, basiert der Textus Receptus hauptsächlich darauf (abgesehen von ein paar Abweichungen).

Als später dann mehr und mehr Texte der Gruppe A gefunden wurden, wurde der Text-Apparat für die neueren Übersetzungen geschaffen (“Nestle Aland” und andere).

Geographische Zuordnung Funde Textus Receptus (Alexandrinisch) und Nestle Aland (Byzantinisch)

Wieso waren die Abschriften der Gruppe A (Alexandrinische Texte) praktisch ausgestorben? Das kommt daher, dass um 650 die Islamische Expansion auch Ägypten erreichte und das Christentum dort unter Druck kam. Somit verringerte sich die Anzahl Abschriften dieses Text-Typs, bis er um 1400 endgültig ausstarb.

Die Abschriften der “Gruppe M” wurden im byzantinischen Reich kopiert, welches der Muslimischen Expansion standhalten konnte, daher konnte sich diese Version gut halten und wurde durch das Mittelalter hindurch bis zur Reformation vervielfältigt.

So kam es also, dass die erste Luther-Übersetzung, die King James und alle anderen Übersetzungen um die Reformation aus dem “Textus Receptus” übersetzt wurden.

Nun gibt es auch heute Christen, welche den griechischen Text des “Textus Receptus” vorziehen. Sie argumentieren, dass Gott in seiner Allmacht Abschreibefehler gar nicht zugelassen hätte, und daher der “Textus Rezeptus” der richtige überlieferte Text ist (“Textus Receptus” heisst übersetzt “der empfangene Text”). Ausserdem habe Gott durch die King James Version und die originale Luther-Übersetzung auf der Welt eine Erweckung bewirkt und das beweise, dass dies die wahre Überlieferung sei.

Ich finde diese Argumentationen fragwürdig, denn Gott hat ja auch zugelassen, dass sich schon relativ früh Irrlehren in die katholische Kirche eingeschlichen hatten (z.B. Kindertaufe und Priesterweihe waren schon bei den Kirchenvätern verbreitet). Und dass Gott trotz Fehlern ein Vorhaben segnet, das sehe ich selber in meinem eigenen Leben.

Ich glaube Gott ruft uns dazu auf, sein wahres Wort wiederherzustellen. Daher glaube ich an den wissenschaftlichen Ansatz zur Wiederherstellung der Bibel.

Unterschiede zwischen “Textus Receptus” und “Nestle Aland”

Wie gross sind eigentlich die Unterschiede der beiden Urtext-Varianten? Kommt es überhaupt drauf an, aus welchem Urtext eine Bibelübersetzung stammt?

Die kurze Antwort: Es kommt nicht drauf an. Es gibt keine mir bekannte Lehre, welche nur auf der “Textus Receptus” beruht oder nur auf “Nestle Aland”.

Die längere Antwort: Ja, in vielen Versen gibt Unterschiede, aber keiner der Unterschiede ist wirklich relevant. Meine Schlachter-Bibel führt im Anhang eine Liste der Unterschiede zwischen dem Textus Receptus und der “Mehrheitstext” auf (Gruppe M). Das ist etwas verwirrlich, denn ich erwartete da eine Gegenüberstellung zwischen Textus Receptus (Basis für Schlachter) und dem Nestle-Aland-Text (Basis für alle anderen deutschen Bibeln). Die Liste habe ich hier zusammengestellt. Keiner der Unterschiede finde ich relevant.

Die Liste, welche ich eigentlich erwartet hätte findet man hier (Englisch): Diese Auflistung zeigt die wichtisten Unterschiede zwischen Nestlé Aland und Textus Receptus.

Die meisten dieser Unterschiede sind bei der Elberfelder-Bibel als Fussnoten vermerkt. Einige wenige auch bei Luther (z.B. der Zusatz beim Vater unser: denn dein ist das Reich und die Kraft und die Herrlichkeit in Ewigkeit). Leider hat die Schlachter selber an diesen Stellen keine Randbemerkungen, damit muss man andere Übersetzungen zur Hand nehmen, um die Unterschiede Textus Receptus/Nestle Aland festzustellen.

Trotz der scheinbar langen Liste der Unterschiede wird klar: Die Unterschiede zwischen den deutschen Bibeln kommt vor allem von der Wortwahl bei der Übersetzung, nicht so sehr vom Wahl des Urtextes.

Und das ist recht erstaunlich! Die “Gruppe A” und die “Gruppe M” wurden etwa ein Jahrtausend voneinander getrennt vervielfältigt und nach 1000 Jahren findet man keine Lehre nur in der einen oder nur in der anderen Übersetzung.

Das ist doch phänomenal! Wer kann da noch behaupten, dass die katholische Kirche ihre Macht missbraucht hätte und systematisch Bibeln abgeändert hätte, so dass sie weiter in der Macht bleiben kann?

Fazit

Trotz dem Wermutstropfen, dass die Schlachter auf dem Textus Receptus beruht, finde ich die Schlachter-Übersetzung sehr gelungen. Sie ist nahe am Urtext und doch in einer recht modernen Sprache. Sie ist zwar vom Sprachgebrauch her nicht so modern wie NGÜ, aber verglichen mit Luther und der Zürcher Bibel mindestens gleichauf.

Gegenüber der Luther hat die Schlachter den Ruf genauer zu sein. Gegenüber der Zürcher Bibel sind die Einleitungen und der Anhang “gläubig” und nicht Bibel-kritisch, ich kann also die Bibel ohne Aber getrost jemandem schenken.

So gesehen sticht die Schlachter nirgends besonders heraus, ist aber doch die beste ihrer Art.

Für mich nehme ich die Schlachter gerne für mein Bibelstudium wie auch zum Auswendiglernen.

Über weitere Übersetzungen werde ich in den nächsten Tagen schreiben. Als Nächstes werde ich Luther und die Neue Zürcher Bibel unter die Lupe nehmen.

Älterer Beitrag: Deutsche Bibelübersetzungen: Neue Genfer Übersetzung Neuerer Beitrag: Deutsche Bibelübersetzungen: Luther, die Mutter aller deutschen Bibeln

Kommentare

Your browser is out-of-date!

Update your browser to view this website correctly. Update my browser now

×