Deutsche Bibelübersetzungen: Neue Genfer Übersetzung

Dieser Beitrag ist Teil einer Reihe über Bibelübersetzungen. Hier geht’s zur Übersicht.

Neue Genfer Übersetzung (NGÜ)

Neue Genfer Übersetzung In den 80er Jahren wollte die Genfer Bibelgesellschaft die Schlachter-Bibel modernisieren. Da eine neuere Übersetzung die Tradition der Schlachter wahren musste (um "Rückwärts-Kompatibel" zu sein), war der Spielraum einer neuen Übersetzung recht beschränkt. Daher entschied sie sich für 2 Versionen: Die Revision der Schlachter (welche dann 15 Jahre später als Schlachter 2000 herauskam) und der Lancierung einer etwas freieren und moderneren Übersetzung, der "Neuen Genfer Übersetzung" (NGÜ).

Von der NGÜ sind bisher erst das Neue Testament und die Psalmen erschienen.

Die Sprache ist frisch und zeitgemäss, aber nicht salopp. Beim Lesen entsteht ein wirklich schöner Sprachfluss, literarisch gesehen finde ich das eine der gelungensten Übersetzungen.
Die christlichen Wörter wie “Sühne” werden verwendet. Das macht sie wesentlich genauer als die anderen kommunikativen (sinntreuen) Übersetzungen wie “Hoffnung für Alle”. Auf der andern Seite ist sie weniger genau als die strukturtreuen (wörtlicheren) Übersetzung wie Elberfelder oder Schlachter, dafür besser verständlich als diese.

Als Beispiel wiederum Röm. 3:25:

Elberfelder NGÜ
Ihn hat Gott hingestellt als einen Sühneort Ihn hat Gott vor den Augen aller Welt zum Sühneopfer für unsere Schuld gemacht.
durch den Glauben an sein Blut Durch sein Blut, das er vergossen hat, ist die Sühne geschehen, und durch den Glauben kommt sie uns zugute.
zum Erweis seiner Gerechtigkeit Damit hat Gott unter Beweis gestellt, dass er gerecht gehandelt hatte
wegen des Hingehenlassens der vorher geschehenen Sünden als er die bis dahin begangenen Verfehlungen der Menschen ungestraft ließ.

Ausführlichkeit

Die NGÜ ist viel ausführlicher als die wörtlichen Übersetzungen, im Vergleich mit der Elberfelder:

  1. die Elberfelder hat 1 Satz, die NGÜ 3 Sätze
  2. Elberfelder: 24 Wörter, NGÜ: 55 Wörter

Schwierige Passagen werden umschrieben. Aus

Glauben an sein Blut

wird

Durch sein Blut, das er vergossen hat, ist die Sühne geschehen, und durch den Glauben kommt sie uns zugute

Dies ist natürlich viel verständlicher. Damit eignet sich die NGÜ hervorragend, um biblische Bücher schnell durchzulesen um einen Überblick zu gewinnen. Selbst den Römerbrief hat man schnell durch und versteht die Kernaussagen und den Aufbau.

Dies hilft dafür nicht beim Auswendiglernen: Sie ist doppelt so lang, daher muss man sich auch doppelt so viel merken.
Ausserdem: wenn ich weiss, dass die Wörter eh nur umschrieben sind, wieso soll ich dann wörtlich auswendig lernen? Dann lerne ich lieber den Sinn auswendig, aber das kann man dann wiederum nicht als auswendig lernen bezeichnen…

Wieviel interpretiert die NGÜ?

Als ich die NGÜ das Erste Mal las, war ich etwas schockiert, wie weit sie im Interpretieren des Textes geht. Das kommt daher, dass sie nach der Methode der “dynamischen Äquivalenz” entstand, nach der gleichen Methode, die auch “Gute Nachricht” und “Hoffnung für alle” verwenden.

Doch wie weit geht die NGÜ wirklich? Jede Übersetzung muss “Weichen stellen”. Z.B. προέθετο (was die Elberfelder mit “hingestellt” übersetzt) kann 2 Bedeutungen haben:

  1. vorherbestimmen
  2. darstellen, offenbar machen

Schlachter und Einheitsübersetzung übersetzen mit Variante 1, Elberfelder, Luther, NGÜ und Gute Nachricht übersetzen es mit Variante 2. Das ist ein gutes Beispiel dafür, dass es sich lohnt, mehrere Übersetzungen parallel zu lesen um die verschiedenen Lesarten (Übersetzungsmöglichkeiten) zu erkennen.

Wenn die NGÜ Wörter zur Erklärung einschiebt, so tut sie dies `zwischen zwei Apostrophs`. Dies macht weder die “Hoffnung für alle” noch die “Gute Nachricht”. Man merkt also während des Lesens, welche Teile im Griechisch zu finden sind, und welche nur eingeschoben sind zur Erklärung.

Zusätzlich bietet die NGÜ in den Fussnoten die wörtliche Übersetzung und, wenn vorhanden, die verschiedenen Lesarten. Somit eignet sich die NGÜ gut, um schnell einen Überblick zu gewinnen und dann auch Vers für Vers zu vertiefen.

Allerdings: Bei Rom.3:25 hätte ich erwartet, dass die NGÜ vor den Augen aller Welt zwischen Apostrophs setzt, dies hat sie aber nicht getan. Und auch die mögliche Bedeutung, dass Gott Jesus vorherbestimmt hat, lässt sie in den Fussnoten aus. Die Vertiefung gelingt also nicht immer.

Fazit

Die NGÜ interpretiert die Verse zwar, aber nur an den Stellen, wo die Interpretation entweder notwendig (Weichen stellen) oder recht eindeutig ist (Einschub von vor den Augen aller Welt).

Ich finde die Übersetzung sehr gewinnbringend für das Erste Lesen eines Textes (an ein Kapitel herangehen). Für die Vertiefung braucht es dann andere Übersetzungen wie z.B. die Elberfelder.

Sehr gut gelungen finde ich die Psalmen. Ich nehme sie häufig für mein persönliches Gebet. Ich lese einen Vers und bete dann darüber. Da eignet sich die NGÜ hervorragend, da ich sie zügig lesen kann.

Die NGÜ eignet sich auch hervorragend um Nichtchristen das Evangelium näher zu bringen: Durch eine Bibelstudie können Wörter wie Sünde, Gerechtigkeit und das Kreuz erklärt werden, und dann steht dem persönlichem Studium nichts mehr im Wege. Ich habe seinerzeit mit Luther angefangen, und wäre sehr froh gewesen, für eine etwas zugänglichere Übersetzung.

Über weitere Übersetzungen werde ich in den nächsten Tagen schreiben. Als Nächstes werde ich die Schlachter 2000 unter die Lupe nehmen.

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