#Kindererziehung

Philipp Mickenbeckers Kritik an der Schule und seine romantisch wirkenden Erinnerungen an sein eigenes Lernen im Homeschooling, in der Natur und beim Experimentieren scheinen etwas extrem. Und doch trafen sie bei mir einen Nerv.

Ich bin Informatiker, und als ich zur Schule ging, gab es noch keine Programmierkurse. Ich habe mir das Programmieren selbst beigebracht durchs Lesen von anderen Programmen, Kaufen von Programmierbüchern und gemeinsames Ausprobieren mit Freunden. Daher kann ich Mickenbeckers Ode an selbstmotiviertes, freies, kreatives Lernen sehr unterstreichen. Obwohl ich denke, dass es nicht auf alle Lernbereiche anwendbar ist.


Dies ist ein Zitat aus dem Buch “Meine Real Life Story: Und die Sache mit Gott”, zu dem ich hier eine Zusammenfassung/Rezension geschrieben habe.


Wir haben bis zur vierten Klasse Heimschule gemacht. Bei uns zu Hause, auf einem kleinen ehemaligen Bauernhof. … [Da hatten wir eine] große Werkstatt! Eine alte Scheune, in der unser Vater alles hatte, was man zum Basteln brauchte. Schon von klein auf haben wir ihm zugeschaut und mitgeholfen, gemeinsam an Fahrrädern geschraubt oder Sachen repariert … Damals wurden wohl die Anfänge unserer Selbstbauleidenschaft gelegt. Das machte einfach viel mehr Spaß, als auf der Spielekonsole zu zocken.

Die ersten vier Jahre unserer Schulzeit mussten wir überhaupt nicht zur Schule gehen, sondern wurden von unserer Mutter zu Hause unterrichtet. … In vielen Ländern ist „Homeschooling“ inzwischen ein gängiges Konzept, nur in Deutschland wird das einfach nicht akzeptiert, obwohl man uns jederzeit auf unseren Leistungsstand hätte überprüfen können, der vermutlich besser war als bei den meisten „normalen“ Schülern. In der vierten Klasse haben wir schon mit x und y gerechnet – und das, obwohl wir nur drei oder vier Stunden am Tag Unterricht hatten. Den Rest des Tages konnten wir mit Freunden im “Real Life” verbringen. … Ab der vierten Klasse sind wir dann auf eine „christliche“ Schule gegangen. Der Staat hat uns beziehungsweise unsere Eltern dazu gezwungen.

Eingeführt wurde die Schulpflicht ja eigentlich mal, um ein gewisses Bildungsniveau für alle sicherzustellen. Schöner Gedanke, aber tatsächlich habe ich manchmal das Gefühl, dass es eher darum geht, Kinder zu beschäftigen und mit sinnlosem Wissen vollzustopfen, als sie zum selbstständigen Denken und zur Bildung einer eigenen Meinung anzuregen. … Ich sehe diesen hässlichen grauen Bau immer noch vor mir. … Hier gab es keine Werkstatt, keinen Wald, keinen Raum für Kreativität, keine Freiheit. Stattdessen hunderttausend sinnlose Regeln, die das ohnehin schon langweilige Schülerdasein so eintönig gemacht haben, dass wir uns vorkamen wie im Knast.

Ich konnte nie verstehen, warum wir die Einzigen waren, die dieses System gehasst haben, aber wahrscheinlich konnten nur wir das so sehen, weil wir das Leben ohne Schule kannten. Ohne diesen Zwang, jeden Morgen stundenlang im Klassenzimmer zu sitzen und sich den Unterricht anhören zu müssen, egal, ob man es schon längst verstanden hatte oder nicht. Wahrscheinlich ging es den anderen wie Hühnern, die in ihren Legebatterien groß geworden waren und das Leben da draußen gar nicht kannten. Die nicht wussten, wie viel Freude es macht, kreativ zu sein, zu versuchen, das Unmögliche zu schaffen und selbst neue Lösungswege zu entdecken, anstatt die Lösungswege auswendig zu lernen, die jemand anders entwickelt hat.

Früher hatten wir einfach aus Interesse gelernt. Ich weiß noch, wie unsere Mutter uns das Dividieren beigebracht hatte. Eigentlich hätten wir noch mit ganz kleinen Zahlen rechnen sollen, aber damals hatte uns der Wissensdrang gepackt. Voller Neugier hatten wir weiter gefragt und gelernt, wie man große Zahlen teilen konnte. Für uns war dieses neue Wissen so interessant, dass wir abends den Taschenrechner mit ins Bett schmuggelten. Dann dachten wir uns beliebige Zahlen aus und fingen an, fünf- oder sechsstellige durch dreistellige Zahlen im Kopf zu teilen. Wenn wir das Ergebnis hatten, rechneten wir es mit dem Taschenrechner nach. Das machte einfach Spaß, wir freuten uns auf den Unterricht, wir lernten nie für Noten, nein, denn bei uns gab es überhaupt keine.

In der Schule lernte niemand aus Interesse. Hier lernte man für die Noten im Zeugnis. Man versuchte, seinem Gehirn durch endlose Wiederholungen vorzutäuschen, dass etwas wichtig sei, bis man es endlich wusste. Das Schlimmste war, sich nach einem siebenstündigen Unterrichtstag zu fragen, was man an diesem Tag tatsächlich gelernt hatte. Das war meist wenig. Und wenn man sich dann noch fragte, was man für sein Leben gelernt hatte, blieb so gut wie gar nichts übrig. Das hätte man auch in einer Stunde zu Hause lernen können.

Als frisch gebackener Vater musste ich mich dem Thema “Erziehung” stellen. Natürlich habe ich mir Bücher gekauft.

Vielleicht hätte ich das lieber nicht getan. Aber ich wusste es eben nicht besser. Ich habe gelernt: Kommt eine neue Situation auf mich zu, will ich mich darauf vorbereiten. Und das mache ich, indem ich Bücher lese.

Das erste Buch ging so: Zuerst wurde erklärt, wieso alle anderen Erziehungssysteme schlecht sind. Dann wurde das neue System erläutert (und auch gut mit der Bibel begründet!). Danach das Versprechen, dass dieses System in jedem Fall funktionieren würde. Dann Beispiele von Familien, wo das System nicht funktionierte und dann die Erläuterung, wieso es nicht klappte, nämlich: Die Familie hat das System nicht konsequent angewendet.

Nun. Ich bin voll darauf eingestiegen. Ich habe das Buch meiner Frau gezeigt und wir hatten grosse Hoffnungen. Das Problem: es funktionierte nicht. Aha! Wie bei dieser Familie im Buch! Die Lösung ist also, dass wir das System einfach konsequenter umsetzen, dann würde es besser. Wurde es aber nicht. Es wurde nur schlimmer und schlimmer.

Wir waren verzweifelt. Denn das System war biblisch begründet. Wir sind der Argumentation des Autors gefolgt. Es schien so, dass wenn wir das System verwerfen würden, so würden wir auch die Bibel verwerfen. Also blieben wir trotz Ausbleiben irgendeiner Besserung beim Befolgen des Systems. Bis Gott die Notbremse zog und mir in einem Traum deutlich machte, es sei schon gut, ich könne damit aufhören und ich würde den Glauben nicht verraten. Es fiel eine grosse Last von unseren Schultern.

Doch ich hatte meine Lektion nicht gelernt. Denn ich suchte mir einfach das nächste Buch. Ein neues System! Und - toll! - wieder das Versprechen, dass es in jedem Fall funktioniert! Das zweite System unterschied sich natürlich diametral vom Ersten. Alles andere hätte mich zu sehr ans erste System erinnert. Natürlich funktionierte auch das zweite System nicht.

Verwirrt gab ich auf und versuchte von da an, mich als Vater im Erziehungsalltag irgendwie “durchzuschlängeln”.


Ich liebe Philosophie. Ich liebe den Moment, wenn es “Klick” macht, wenn ich ein neues Konzept verstanden habe. Es fühlt sich an wie in der Mathematik, wo man Konzept um Konzept verstehen kann. Zuerst das Einmaleins. Dann Gleichungssysteme. Dann Integrale und Differenziale, dann Kreisintegrale, partielle Differenziale, Anwendungen auf die Physik und so weiter. Von der Mittelschule zur Universität konnte ich mich in immer höhere Gefilde hochschwingen und es fühlte sich fantastisch an.

Ebenso mit der Philosophie. Als ich in meinen Teenagerjahren zum Berufsberater ging, schlug er mir vor, Philosophie oder Physik zu studieren. Ich entschied mich dann für den etwas handfesteren Beruf des Informatikers, aber meine Interesse für Philosophie war ein ständiger Begleiter.

Doch mit der Philosophie verhielt es sich nicht viel anders als mit den Erziehungsbüchern: Jeder Philosoph hat sein eigenes System aufgebaut, in das er die ganze Welt hineinquetscht. Nehmen wir zum Beispiel David Hume : Er kommt aus der Strömung der Naturalisten. Er will die Welt vom Erfahrbaren her erklären. Also alles, was man anfassen und messen kann, das lässt er gelten, alles andere nicht. Dieser Schritt allein blendet die Hälfte der Welt aus, wie Liebe, Bewusstsein, Leben und Tod usw. Aber Hume, beflügelt von seiner Idee, geht noch weiter: Er lehnt nun sogar Gesetze wie die Schwerkraft oder das Gesetz über Ursache und Wirkung ab, weil diese nicht erfahrbar sind. Totaler Unsinn! Indem Hume die Welt in sein System pfercht und dabei keine Ausnahmen zulässt, treibt er seine Philosophie in die Absurdität. Jeder, der es liest, schüttelt den Kopf. Das kann es ja nicht sein.

Doch Hume ist nicht allein. Jede Philosophie, die ich bisher gelesen habe, versucht die Welt in ein System zu drücken. Die Idee der Philosophie ist zwar nett, der Moment, wenn ich dem Philosophen gedanklich folgen konnte, birgt ein Glücksgefühl, aber die Welt damit erklären, das lässt sich nicht.

Bei den meisten Philosophen ist dies ja harmlos. Doch es gibt Philosophen, die mit ihren Systemen grossen Schaden angerichtet haben. Allen voran Karl Marx, der den Kommunismus als Idee in ein Buch aufgeschrieben hat. Dieses Buch wurde als Anleitung für die russische Kommunismus-Revolution genommen. Als die Ideen vom Buch nicht funktionierten, war der logische Schluss: Die Ideen wurden zu wenig konsequent umgesetzt und der Staat wurde zur Diktatur, welche immer rigidere Strafen einsetzte. Irgendwann, so die Hoffnung, würde sich dann zeigen, dass das System funktioniert. Die Probleme bestünden nur am Anfang, doch einmal eingespielt, würde der Kommunismus das Volk zur Blüte bringen. Doch dieser Moment kam nie, und der erforderliche Apparat, um das System am laufen zu halten, wurde immer grösser.

Aus den logischen Gedanken von Marx wurden durch Schlussfolgerungen ein ganzes Gedankengebäude, das den Test der Praxis nicht bestanden hat. Statt das Gedankengebäude infrage zu stellen, hat Lenin es bis zum äussersten getrieben. Es wäre zu wünschen gewesen, dass er wie ich einen Traum gehabt hätte. Dass er zur Einsicht gekommen wäre, dass jetzt genug ist und das System sich nicht bewährt hat, auch wenn er nicht verstanden hat, wieso.


Ich folgere daraus, dass Systeme gefährlich sind, dass anfänglich gute Ideen, die weiter gesponnen werden, zu einer rigiden, herzlosen Maschine werden können. Ich mag mit dem Finger auf den fehlgeschlagenen Kommunismus in Russland zeigen, aber ich merke, dass mir bei der Kindererziehung dasselbe passiert ist, freilich nicht mit demselben Ausmass.

Und jetzt? Soll ich meinen jugendlichen Eifer für eine Idee ablegen und mich dem Impuls des Momentes hingeben? Soll ich meine Ideale ablegen und den Dingen einfach ihren Lauf lassen? Ist meine Aufgabe als Vater meine Kinder einfach “zu begleiten”, ihnen beizustehen im Leben, ohne ihnen eine Richtung zu geben?

Nein und Nein. Erstens Nein, weil ich damit den guten Kampf aufgebe, weil ich damit mich meinen Gefühlen hingeben würde, meinen momentanen Impulsen. Und denen traue ich ebenso wenig wie den Systemen. Wenn ich mich dem Impuls des Moments hingebe, dann lande ich entweder an einem Ort, wo ich nie hätte hingehen wollen, oder ich lande gar nirgends, weil ich mich nur im Kreis drehe.

Und zweitens Nein, weil die Alternative zu einem System nicht “kein System” ist, sondern immer ein anderes System. Ich kann nicht einfach keine Richtung im Leben haben. Ich folge immer einer Philosophie. Auch die Idee, im Moment zu leben, die Philosophie “geh wohin dein Herz dich trägt”, ist eine Philosophie, ein System, das genau so ausschliesslich ist wie die Autoritäreren Systeme der Kindererziehung und die Einführung einer klassenlosen Gesellschaft.

Was nun? Wenn alle Systeme und Philosophien gefährlich sind und es keine Möglichkeit gibt, das Leben system- oder philosophielos zu leben, was sollen wir dann tun?


Der einzige Ausweg besteht, nicht menschliche Ideen und Idealen zu folgen, sondern Gottes Offenbarung.

Das klingt fromm, ist in Tat und Wahrheit aber bloss ein Eingeständnis der Beschränktheit des Menschen: Jede menschliche Idee, jedes von Menschen aufgebaute System, wird, wenn es sich ohne Einschränkung entfalten kann und zur vollen Wirkung kommt in einem Desaster enden.

Diese Tendenz merke ich an mir täglich: Ich tendiere dazu, ein gerade gelesenes Prinzip mir zu Eigen zu machen - dies ist notwendig und gut, und gehört zum Lernprozess dazu - und das in meinem Leben umzusetzen. Und bei der Umsetzung ertappe ich mich, wie ich den Bogen überspanne, wie ich zu viel meines Lebens diesem eben gelernten Prinzip unterstelle. Und dann lese ich in der Bibel und merke, was gerade passiert ist: Ich habe die ursprünglich gute Idee zu weit gesponnen und es hat sich ein kleines System gebildet, das nun aber gerade von Gottes Wort korrigiert wird. Das kann allerdings nur dann passieren, wenn ich mich ehrlich dem Wort Gottes unterstelle, und ich versuche, es jeden Tag von Neuem zu verstehen (und es nicht meinem eben aufgebauten System zu unterwerfen versuche!)

Darum ist es für mich lebenswichtig, die Bibel zu lesen, damit die christlichen Idealen sich nicht zu kleinen Systemen entwickeln. Und dabei reicht es nicht, nur Teile der Bibel zu lesen, denn es gibt immer solche Teile, welche das System unterstützen und solche, welche es infrage stellen. Es reicht auch nicht, Bücher über die Bibel zu lesen, denn auch diese lassen durch die einseitige Prägung des Autors Dinge aus.


G.K. Chesterton ist einer meiner Lieblingsautoren. Er hat das Prinzip der gefrässigen Ideen im Buch “Orthodoxie” gut beschrieben:

Der christliche Hirte hütet keine Schafherde, sondern eine Horde Stiere und Tiger, einen Haufen furchterregender Ideale und gefräßiger Dogmen, von denen jedes stark genug war, um zur falschen Religion zu werden und die Erde zu verwüsten.

Die christlichen Hirten sind wir! Und die Stiere und Tiere sind die Idee und Philosophien. Jedes dieser Ideen muss in Schach gehalten werden, sonst wird es uns auffressen.

Er geht weiter und vergleicht die reinen Philosophien, die menschlichen Systeme (er nennt dies das Heidentum) mit dem Christentum so:

Das Heidentum gleicht einer Marmorsäule, es steht aufrecht, weil es symmetrisch gebaut ist. Das Christentum gleicht einem riesigen, zerklüfteten, romantischen Felsblock, der … weil seine enormen Auswüchse einander genau die Waage halten, seit tausend Jahren dort thront… scheinbar zufällige Dinge haben sich ausbalanciert.
Je länger ich [den christlichen Glauben] betrachtete, desto mehr kam es mir vor, als habe er zwar Gesetz und Ordnung geschaffen, aber das Hauptziel dieser Ordnung sei es, Raum zu gewähren, wo alles Gute sich austoben kann.

Chesterton sieht beim Anblick des christlichen Glaubens, beim Lesen der Bibel, etwas, das in der Balance steht. Etwas, das seit Jahrtausenden fest steht. Und ebenso überfällt mich ein Gefühl von Ehrfurcht, wenn ich die Bibel lese. Eine Ahnung, dass kein Mensch so etwas erschaffen kann. Denn auch meine heiss geliebten Autoren, so belesen und weise sie auch sind, sind alle einseitig und werden mich in die Irre führen, nur das Wort Gottes kann der Massstab sein, nach dem ich mein Leben führen kann.


Das wurde jetzt alles etwas philosophisch und theoretisch. Lasst mich diesen Beitrag mit zwei praktischen Wegweisern abschliessen.

Zum ersten Wegweiser: Karl Barth. Ja, er ist kompliziert. Ich habe eine lange Biographie über ihn gelesen und weiss immer noch nicht recht, was ich von ihm halten soll. Seine Theologie lässt sich nicht recht fassen, es scheint, als wolle er keine Farbe bekennen.

Trotzdem, was mir an Barth gefiel, war seine Art, sich von der Bibel leiten zu lassen und dann doch von Situation zu Situation zu entscheiden. Im Zweiten Weltkrieg versteckten sich viele seiner Theologie-Kollegen in ihrem System, haben es gar geschafft, den Nationalsozialismus in ihr System einzufügen. Nicht so Barth. Er gehörte zur lauten Opposition. Als Professor in Deutschland wurde ihm befohlen, vor den Vorlesungen jeweils den Hitlerschwur aufzusagen. Barth war bereit, dies zu tun, mit einem Zusatz (womit er natürlich nicht durch kam)

Dieser von mir vorgeschlagene Zusatz lautete: dem Führer Treue leisten zu können nur, »soweit ich es als evangelischer Christ verantworten kann«.

Er war ein lauter Zeuge für das Evangelium, indem er sich stets an der Bibel ausrichtete und dort Akzente setzte, wo er sah, dass es sie brauchte. Sein Leben unterstand diesem Prinzip:

Ein guter Theologe wohnt nicht in einem Gehäuse von Ideen, Prinzipien, Methoden. Er durchschreitet alle solchen Gehäuse, um immer wieder ins Freie zu kommen.

Und so ist mir Karl Barth ein Vorbild - nicht in seiner Theologie - sondern, in seiner Art, sich ehrlich mit der Bibel auseinanderzusetzen und in der richtigen Situation die richtigen Akzente zu setzen.

Und das ist anstrengend! Einfacher wäre es, wenn man sich ein System aneignen könnte und bis zum Schluss des Lebens daran festhalten könnte. Das ist das Versprechen der Philosophen und Erziehungsbüchern. Es wäre praktisch und gemütlich, es führt aber kein Weg daran vorbei, sich täglich neu auszurichten.

Und damit kommen wir zu meinem zweiten Wegweiser: Charlotte Mason. Sie ist leider wenig bekannt. Sie hat eine Schul-Methode begründet, die heute vor allem im Homeschooling verwendet wird.

Wer nun die Nase rümpft und sagt: Aha, eben doch wieder ein System. Dem kann ich entgegnen: Sie war Bekämpferin eben dieser Systemen. Sie war, wie Barth nach ihr, der Überzeugung, dass man “von Situation zu Situation entscheiden muss”. Dabei verstand sie, dass es nicht reicht, seinem Herz zu folgen, sondern dass es notwendig ist, von Gottes Wort durchtränkt zu sein, denn nur so kann es gelingen, in der Situation richtig zu entscheiden.

Sie schrieb eine sechsbändige Reihe zu Homeschooling, von der ich momentan am zweiten Band bin. Ehrlich gesagt ist Vieles nicht leicht zu verstehen, eben gerade darum, weil sie kein System beschreibt. Sie beginnt ihr erstes Band damit:

Das Befolgen einer Methode impliziert eine Idee, ein geistiges Bild, von dem Ziel oder Gegenstand, der erreicht werden soll. Was soll die Erziehung in und für Ihr Kind bewirken?

Was dann folgt, ist kein Set von Regeln. Kein “tu dies und es wird immer funktionieren”. Sondern eine Aufforderung, sich dem Kind zu stellen, es anzuschauen und ihm ein Gegenüber zu sein:

Der Erzieher hat es mit einem selbsttätigen, sich selbst entwickelnden Wesen zu tun, und seine Aufgabe ist es, die Produktion des latent Guten in diesem Wesen zu leiten und dabei zu helfen, das latent Böse zu zerstreuen, das Kind darauf vorzubereiten, seinen Platz in der Welt zu seinem Besten einzunehmen, mit jeder Fähigkeit zum Guten, die in ihm steckt, entwickelt zu einer Kraft


Und somit sind wir wieder bei der Kindererziehung angelangt. Und bei meinem Fazit: Die Systeme der Kindererziehung versprechen eine Abkürzung, die es nicht gibt. Diese Bücher beschreiben Rezepte mit der Beteuerung, dass, wenn sie konsequent und korrekt angewendet, immer funktionieren. Diese Bücher versprechen einen einfachen Weg, den man einmal erlernen kann und dann gefahrlos, ohne Anstrengung, auf seine Umgebung anwenden kann.

Diese Abkürzung gibt es nicht. Es führt kein Weg daran vorbei, dass ich mich täglich intensiv mit dem Wort Gottes auseinandersetze, mein ganzes Denken ihm täglich unterwerfe, und dann durch den Tag den Situationen in die Augen zu schauen, das Gegenüber ernst zu nehmen und situativ einen Impuls zu setzen, von dem ich der Überzeugung bin, dass er Gottes Willen entspricht.

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