#John Piper

Folge 14 von “Lesenswichtig”, einer Liste von christlichen Artikeln, die mich diese Woche bewegt haben.

Heute mit zwei Podcastfolgen. Ich wollte die heutige Folge schon “Losenswichtig” nennen, frei nach dem schweizerdeutschen Wort “lose” für hören - aber ich spare mir das für ein anderes Mal auf.

Gelten die alttestamentlichen Verheissungen des Wohlstands für Gottes Volk noch heute?

Randy Alcorn fragt sich, wieso im alten Testament Wohlstand ein Zeichen von Gottes Segen war und im Neuen Testament davor gewarnt wird. Ein paar Auszüge:

Jesus, der nicht einmal einen Ort hatte, wo er sein Haupt hinlegen konnte, und der nichts besass als ein Gewand und Sandalen (Matthäus 8,20), lebte eindeutig kein Leben, das auf Geld und Besitz ausgerichtet war. Sicherlich ist das auch nicht das, was Er für uns will.
Wie können wir also den scheinbaren Widerspruch zwischen den Worten und dem Lebensstil von Jesus und den Aposteln und den alttestamentlichen Wohlstandspassagen erklären?

Sind materieller Reichtum, Leistung, Ruhm, Sieg oder Erfolg zuverlässige Indikatoren für Gottes Belohnung oder Zustimmung? Wenn ja, dann ist Er ein böser Gott, denn die Geschichte ist voll von erfolgreichen Wahnsinnigen und wohlhabenden Despoten. War Gott auf der Seite von Hitler, Stalin, Mao und anderen wohlhabenden Schlächtern der Geschichte während ihres Aufstiegs zur Macht und auf dem Höhepunkt ihrer Regime, als sie von materiellem Reichtum umgeben waren? Ist Gott auch auf der Seite von reichen Sektierern, unehrlichen Geschäftsleuten und unmoralischen Entertainern? Wenn Reichtum ein verlässliches Zeichen für Gottes Zustimmung ist und Mangel an Reichtum seine Missbilligung zeigt, dann standen Jesus und Paulus auf Gottes schwarzer Liste, und Drogendealer und Veruntreuer sind sein Augapfel.

Warum diese Ungleichheit? Weil Gott entschlossen war, dass die Heiligen des Neuen Testaments verstehen sollten, dass ihre Heimat in einer anderen Welt ist. Kein Buch demonstriert besser die Beziehung zwischen Altem und Neuem Testament und die beiden Welten, auf die sie sich beziehen, als das Buch Hebräer. Vom Neuen Bund wird gesagt, dass er “auf bessere Verheissungen gegründet” ist als der Alte (Hebräer 8,6). Das Alte Testament ist Kopie, Modell und Schatten. Dementsprechend sollen die materiellen Segnungen, die den alttestamentlichen Heiligen versprochen wurden, uns an unsere zukünftigen himmlischen Segnungen erinnern - aber sie sollen sie niemals ersetzen. Der neue Bund bringt nicht das zeitliche Erbe, das Israel versprochen wurde, sondern ein ewiges Erbe (Hebräer 9,15).
Wir opfern keine Tiere mehr, denn das Lamm Gottes ist gekommen. Wir beten nicht mehr in einem Tempel an, weil wir selbst Tempel von Gottes Heiligem Geist sind. Wir gehen nicht mehr zu einem Priester, denn Christus ist unser Hohepriester, und wir selbst sind eine gläubige Priesterschaft. Wir schauen nicht mehr auf materiellen Reichtum, denn der geistliche Reichtum ist unser in Christus.

Der Effekt der Wohlstandstheologie ist es, den “Himmel auf Erden” zu fördern. Aber vor der Wiederkunft Christi kann es keinen Himmel auf Erden geben. Wenn die Erde zu unserem Himmel wird - wenn wir Gottes Segen als etwas Unmittelbares und Zeitliches sehen - verlieren wir aus den Augen, wer wir sind, warum wir hier sind und was uns jenseits des Horizonts dieser Welt erwartet.

Zum Artikel: Do the Old Testament Promises of Prosperity Apply to God’s People Today?

Wie kann ich so produktiv sein wie Russell Moore?

Russell Moore beantwortet folgende Frage eines Lesers:

Ich bin immer wieder erstaunt, wie produktiv du zu sein scheinst. Ich sehe die Ergebnisse deiner Arbeit in Form von Podcasts, Artikeln, Reviews, etc. Aber ich bin neugierig auf die Inputs. Wie schaffst du es, dich mit dem kulturellen Geschehen zu befassen und dabei für dich selbst zu sorgen, spirituell, physisch und emotional, mit deiner Familie präsent zu sein und das alles mit Freude zu tun, ohne auszubrennen?

Russells schickte Folgendes Voraus:

Die Arbeit, die ich in Bezug auf das Schreiben tue, ist die Art und Weise, wie ich das verarbeite, was ich denke oder fühle, und du wirst vielleicht sogar bemerken, dass … alle Bücher, die ich geschrieben habe, alle aus irgendeinem Thema in meinem Leben entstanden sind.

Er beantwortete nicht die Frage “wie schaffe ich es, produktiv zu sein”, sondern: “was hält mich ab, produktiv zu sein”. Seine Antworten sind sehr persönlich, doch in vielem sehe ich mich selbst und fühlte mich angesprochen. Seine Antworten gebe ich hier nur paraphrasiert wieder für die Details bitte seine Podcast-Folge hören.

Also: Was hält Russell Moore ab, produktiv zu sein?

  1. Warten auf Inspiration: Auf Inspiration warten funktioniert nicht. Deadlines sind aber gut (für Russell ist das sein Montag-Morgen-Newsletter). Die Inspiration kommt normalerweise erst, nachdem du angefangen hast zu schreiben.
  2. Perfektionismus: Was ihn davon abhält, überhaupt mit Schreiben anzufangen: Das Warten, bis das Konzept im Kopf ausgereift ist. Bis das Thema durchleuchtet ist. Seth Godin erklärt das gut: Das Wesen des Perfektionismus ist “sich zu verstecken”. «Perfektionismus ist kein hoher Anspruch. Was es ist, ist, dass es im Voraus jede mögliche Kritik an etwas beantworten muss. Und was [Seth Godin] sagt, ist, dass das unmöglich ist, aus vielen Gründen». Das Tolle am Schreiben findet in der Interaktion statt. Du verschickst das Werk und interagierst dann mit den Menschen, für die du es geschaffen hast.
  3. Adrenalin: Sorgen, Ängste oder Stress können dich vom Kreativen, Intellektuellen oder Fantasievollen in das limbische System treiben. In dieser Situation kann es sein, dass du dir zu viel Druck auferlegst. Du musst in einer Art spielerischen Geisteshaltung sein. Und das kann nur geschehen, wenn du nicht unter Druck stehst.
  4. Unterbrechungen. Wenn du in einem Gedankenfluss bist und du Unterbrechungen hast, passieren zwei Dinge: Deine Fähigkeit, etwas zu erledigen, wird unterbrochen, und du wirst genervt.
  5. Isolationen: Du weisst oft nicht, was du über etwas fühlst oder denkst, bis du es sagst. Gespräche beflügeln die Kreativität. Russell erzählt von einer Zusammenkunft, aus der er mit Ideen herauskam, die Stoff für ein Monatsprojekt waren, einfach wegen der Dinge, über die er in Gesprächen angeregt wurde.
  6. Angeberei: Auf Englisch gibt es das “Impostor Syndrome”, auf Deutsch gibt es keine gute Übersetzung dafür. Fast jeder, den Russell gekannt hat, der kein Impostor war, hatte ein Imposter Syndrome. Er hat einige Leute gekannt, die immer das Gefühl hatten, dass sie mehr als kompetent für alles waren, was sie taten. Das waren die Leute, die tatsächlich Impostors waren. Er erzählt dann eine [Geschichte über Neil Gaimans Impostorsyndrom] (https://journal.neilgaiman.com/2017/05/the-neil-story-with-additional-footnote.html).
  7. Überlastung: Die Produktivität neigt dazu zu leiden, wenn du zu viele Verpflichtungen hast, die nicht im primären Bereich deiner Begabung liegen. Der Input, den du in deinem Leben durch Artikel, Podcasts, etc. hast, wird nur dann produktiv, wenn du Zeit hast, ihn zu verarbeiten und zu verdauen. Ich muss in unstrukturierter Zeit arbeiten, z.B. spazieren gehen, trainieren, etc. Für Russell sind es Zeiten im Auto, die ihn zum Nachdenken anregen.

Zum Artikel: Question & Ethics: How am I so productive?

Wie sollten wir auf christliche Verschwörungstheorien reagieren?

John Piper beantwortet folgende Frage einer Leserin:

Ich habe einen Freund, der überzeugt ist, dass die neuen COVID-19-Impfstoffe “das Zeichen des Tieres” sind. Jeder, der geimpft wird, wird dem Satan übergeben und ist damit für immer verloren, nach der Offenbarung. Dies überzeugt mich überhaupt nicht. Aber wie würden Sie auf Christen reagieren, die zu dieser Art von geistlichen Verschwörungstheorien ergeben sind?

Ein paar Auszüge aus Pipers Antwort:

Was ich im Laufe der Jahre gesehen habe, ist, dass es eine bestimmte Art von Persönlichkeit - wir könnten auch es eine bestimmte Art von geistlichem Zustand nennen - die unfähig zu sein scheint, sich zutiefst auf die grossen, zentralen, herrlichen Realitäten des christlichen Glaubens einzulassen. … Sie stehen immer am Seitenrand.

Nun, ich würde sagen, das ist eine geistliche Krankheit, und unsere Reaktion darauf sollte meiner Meinung nach darin bestehen, dass wir persönlich, in der Beziehung und im Gebet ständig unser Bestes tun, um die Aufmerksamkeit dieser Person auf die grossen zentralen Realitäten des christlichen Glaubens zu lenken, die das Herzstück dessen sind, was Gott in Jesus Christus tut.

Hier ist also ein Bild, das es vielleicht erfasst. Die richtige Ordnung unserer Gedanken über die Realität kommt von einer richtigen Sichtweise, einer richtigen Wertschätzung von Gott und Christus und der Erlösung im Zentrum all unserer anderen Gedanken. Das Bild ist wie ein Sonnensystem. Die Sonne steht im Zentrum des Sonnensystems, und wenn die Sonne im Mittelpunkt steht, kreisen die Planeten alle sicher und schön an ihrem richtigen Platz. Das ist ein Bild von Gott im Zentrum, und alle unsere Gedanken nehmen ihren rechtmässigen Platz ein.

Aber was passiert, wenn die Sonne verschoben wird und der Planet Mars das Zentrum wird? Was passiert, ist, dass, wenn Sie versuchen, die Bahnen der Planeten zu zeichnen, wenn Sie versuchen, die anderen Realitäten in Ihrem Leben zu verstehen, wenn Gott durch Mars als Zentrum ersetzt wurde, die Dinge erschreckend chaotisch aussehen; sie sind nicht mehr in Ordnung, und sicherlich wird Merkur in und die Erde kollidieren. So ist es. Sehen Sie sich nur diese Umlaufbahn an.

Denn von ihrem Standpunkt aus, mit dem Mars an der Stelle der Sonne, ist es. “Sehen Sie nur: Da ist es. Ich habe es auf Papier gezeichnet. Es wird geschehen.”
Unser ganzes Bemühen, so scheint mir, muss darin bestehen, durch Gebet und Lehre zu versuchen, ein gottzentriertes Universum des Denkens in ihrem Geist und ein gottzentriertes Sonnensystem wohlgeordneter Zuneigung zu Gott und seinen zentralen biblischen Realitäten wiederzuerwecken.

Zum Artikel: How Should We Respond to Christian Conspiracy Theories?

Vor gut einem Monat habe ich dank Pipers Buch “When I don’t desire God” das persönliche Gebet und Bibellesen wiederentdeckt. Was dann passiert ist, lässt sich in etwa so beschreiben, dass ich die Quelle aus Johannes 7,38 entdeckt habe:

Wer an mich glaubt, wie die Schrift gesagt hat, aus seinem Leib werden Ströme lebendigen Wassers fließen.

Es scheinen plötzlich alle Bereiche meines Lebens zu sprossen. Und vor allem: meine Beziehung zu Gott ist wieder auf ein viel höreres Niveau gelangt. Der Effekt war gewaltig. Mehr denn je bin ich überzeugt, dass fruchtbares Bibellesen & Gebet eine der Hauptquelle für alle Christen ist.

Doch vielen fällt es schwer, diese Zeit gewinnbringend zu gestalten: Sie finden keine Zeit, oder das Bibellesen ist langweilig und unfokussiert, das Gebet ziellos und repetitiv. Solche Zeiten sind eine blosse Pflicht und sind keine Quelle, die auch für andere Leute nützlich ist.

Um ein paar Inspriationen zu geben habe ich ein paar Leute angefragt, ob sie ganz persönlich erzählen könnten, wie sie ihre Zeit im Wort und Gebet gestalten. Die nächsten Tage werde ich die Beiträge nach und nach aufschalten.

Wer gerne mitmachen würde kann mir ein Mail auf philipp.keller@gmail.com schreiben Update: Die Reihe ist nun fertig, hier die Übersicht über alle Beiträge.

Charles Darwin

Als Naturwissenschaftler hat mich folgendes Zitat von Charles Darwin angesprochen:

Bis zum Alter von 30 Jahren hatte ich grosse Freude an Poesie jeder Art, sogar als Schuljunge hatte ich Freude an Shakespeare.
Früher gaben mir Bilder, und speziell Musik, grosses Vergnügen. Aber jetzt, seit Jahren, kann ich keine Zeile Poesie mehr ertragen: Ich habe versucht Shakespeare zu lesen, und ich empfand es so unerträglich öde, dass es mich anekelte. Ich habe auch beinahe alle Empfindungen für Bilder und Musik verloren. Ich erfreue mich mässig über grossartige Landschaften, aber es entsteht in mir nicht dieses herrliche Vergnügen, wie es früher war.

Mein Geist scheint sich in eine Art Maschine verwandelt zu haben, welche eine grosse Sammlung von Fakten in allgemeingültige Gesetze vermahlt. Doch ich verstehe nicht, wieso sich der Teil des Gehirns zurückgebildet hat, der diese gewaltigen Empfindungen hervorbringt.

Der Verlust dieser Empfindungen ist ein Verlust an Freude und wird vermutlich meinem Intellekt schaden, und noch wahrscheinlicher meinem moralischen Charakter, indem es den emotionalen Teil unserer Natur schwächt.

Aus: Autobiografie von Darwin, die er für seine Kinder schrieb, gefunden und übersetzt aus “John Piper: When I don’t desire God”

Auch ich bin dieser Gefahr ausgesetzt. Auch ich merke, dass es mir schwerfällt nach einem Tag analytischen Denkens mich auf die Schönheiten des Lebens: das Fahrradfahren durch die Natur, die fröhlichen Kinder, das feine Essen einzulassen.

Die Lösung ist aber nicht “weniger denken, mehr leben” sein, sondern die “Analyse von Gott” - die Welt durch Gottes Augen anschauen. Und Gott hat Freude an der Natur; dazu ein lustiges Zitat von Chesterton:

Es ist möglich, dass Gott jeden Morgen zur Sonne sagt: “Mach es nochmals”, und jeden Abend zum Mond: “Mach es nochmals”. Es muss nicht sein, dass alle Gänseblümchen gleich sind, aber nie wurde er müde sie nochmals zu machen. Es mag doch sein, dass er eine ewige Lust hat an der Kindheit; denn wir haben gesündigt und sind alt geworden, und unser Vater ist jünger als wir.

Aus: Chesterton: Orthodoxie, gefunden und übersetzt aus “John Piper: When I don’t desire God”

John Piper - When I don't desire God

Schleichend kam sie, die Lustlosigkeit: Keine Lust zum Beten, das Bibellesen gemäss Leseplan am Morgen abgehakt und los geht’s in den Tag.

Das war doch früher anders! Ich erinnerte mich wie John Piper in “Desiring God” beschrieb, wie sich “Lust” nach Gott anfühlt. Aber nun, wenn sie nicht mehr da ist, ist sie halt nicht mehr da.. Aber oh weh, leidig ist es, wenn Christen freudlos sind, Lloyd-Jones dazu:

Zu oft scheinen Christen in einer Dauer-Flaute zu sein; sie erwecken den Eindruck von Unzufriedenheit, fehlender Freiheit und Freudlosigkeit. Ohne Frage ist dies der Hauptgrund, wieso eine grosse Anzahl Menschen kein Interesse mehr am Christentum haben.

Doch was, wenn bei mir gerade Flaute ist? Genau dazu hat Piper das Buch geschrieben “When I Don’t Desire God: How to Fight For Joy“. Der Titel hat mich angesprochen und als Fan von John Piper kam ich eigentlich nicht um das Buch herum.

Im ersten Teil erweckt er eine “Lust nach Gott” (ähnlich wie in “Desiring God”), im zweiten Teil wird er praktisch: Es gibt natürlich viele Gründe, wieso man die Freude an Gott verloren hat: U.a. behandelt er das Thema “Depression”. Bei mir brauchte es einfach eine Portion “naht Euch zu Gott, so naht Er sich zu Euch” um meine Freude zu Gott wiederzufinden. Zwei Dinge haben mir dabei sehr geholfen:

1. Das Morgengebet

Ein englischer Prediger sagte mal: »well, do you need to read your bible in the morning? You only need to, if you want to do well spiritually«. Damals fand ich den Satz gesetzlich, aber mittlerweile stimme ich der Aussage zu (auch wenn ich sie vielleicht etwas anders formulieren würde). Auch Piper schlägt vor, jeden Morgen eine feste Zeit zu haben, sozusagen das “feste Fundament, worauf die freie Beziehung zu Gott stehen kann”.

Die meisten seiner Empfehlungen habe ich umgesetzt: Ich habe mir 1 Stunde Zeit eingeplant und einen speziellen Ort eingerichtet. Er empfiehlt, die Zeit mit einem Gebet zu beginnen:

  1. »Neige mein Herz zu Dir, dass ich weder aus stolzer Gewinngier noch aus falschen Motiven bete« (Ps. 119,36) – ich füge jeweils dazu an, dass Gott mich vor der Gesetzlichkeit schützt, die behauptet, dass ich nun ein besserer Christ wäre, da ich morgens bete.
  2. »Öffne meine Augen, so dass sie Dein Wort verstehen« (Ps. 119,18) – ich füge jeweils dazu, dass Gott mir seine Schrift öffnet, damit ich nicht darüber hinweg lese.
  3. »Richte mein Herz auf das eine, dass ich Dich fürchte« (Ps. 86,11) – ich füge dazu, dass Gott mir Aufmerksamkeit schenkt und kein wanderndes Herz, das bei der Arbeit oder Alltagssorgen ist.
  4. »Sättige mich mit Deiner Gnade« (Ps. 90,14) – nähre mich, damit ich in den Tag satt starten kann und selbst für die andere eine Quelle sein kann.

Auf Englisch lautet das Akronym zu den vier Schritten IOUS (Incline, Open, Unite, Satisfy). Das Deutsche NÖRS ist nicht ganz so hübsch aber dafür einprägsam..

Ich finde dieses Gebet enorm hilfreich. Zu meiner Schande muss ich sagen, dass mein Herz am morgen früh meist “kalt für Gott” ist, dass ich häufig gar keine Lust auf die Zeit mit Gott habe. Während dieses Gebets erwärmt Gott mein Herz, macht es weich, damit es sich überhaupt auf Gott einlassen kann.

Und nun die Überraschung: Damit ist der “freie Gebetsteil” zu Ende, Piper spricht sich gegen das lange, freie Gebet aus! Der Grund ist dieser: Wenn wir frei beten, sind wir automatisch mit uns selbst beschäftigt und das Gebet besteht hauptsächlich aus unseren eigenen Emotionen (ich habe hier schon mal darüber geschrieben).

Anstelle des freien Gebets schlägt Piper vor, das Gebet in das Lesen der Bibel einzuflechten: Er empfiehlt, ein paar Verse zu lesen, und dann darüber zu beten:

Ist es ein Gebot? So bete, dass Gott dein Herz zur Umkehr bringt, damit es das Gebot gerne hält. Ist es eine Verheissung? Dann danke Gott dafür oder bete für Vertrauen, dass Gott die Verheissung erfüllen wird; etc.

Erst dachte ich, dass so meine persönliche Anliegen keinen Platz hätten, aber erstaunlicherweise kommen sie so fast immer zum Zug.

Nach gut einem Monat kann ich sagen: Wenn es etwas gibt, das mein Glaubensleben in den letzten Jahren bereichert hat, dann ist es solches “Bibel-Lesen-Gebet”!

2. Bibelverse auswendig lernen

Bibelverse auswendig lernen mit AnkiDroid

Bibelverse auswendig lernen schien mir etwas altbacken. Macht man heute nicht mehr. Ich kann die Verse ja aufschlagen auf meinem Handy, und das habe ich immer dabei. Ich war einigermassen überrascht, als Piper diesem Thema ein halbes Kapitel widmete.

Doch, einmal ausprobiert, habe ich die Wirkung geschmeckt: Verse auswendig lernen ist sozusagen der “Seitenwagen” des morgendlichen Bibellesens. Oder anders gesagt: Das Lesen am Morgen ist ein Lesen mit den Augen, das Auswendiglernen ist ein Essen des Wortes mit dem Mund. Es gibt in meiner Erfahrung nichts, was mir das Wort Gottes näher ans Herz zieht.

Ganz praktisch schlägt Piper vor, jede Woche ein paar Verse zu lernen. Ich habe mir dazu die App “Anki” (gibt es für Android und für iPhone, Mac und Windows) installiert und in etwa Folgendes gemacht:

  1. die Anki-Karte anlegen mit einem Vers, der mir beim Bibellesen ins Auge gestochen ist (Copy-Paste des Bibeltexts auf dem Laptop oder auf dem Handy)
  2. Vers(e) 10x Wort für Wort durchlesen, den Text sichtbar vor sich halten.
  3. die Verse 10x versuchen auswendig aufzusagen (da merke ich dann, welche Teile ich mir nicht so gut gemerkt habe).
  4. den Vers durch den Tag immer wieder ins Gedächtnis rufen

Die Schritte 1-3 lassen sich gut unterwegs machen (Schritt 4 sowieso). Ich persönlich nehme mir dafür nach der Mittagspause ca. 10 Minuten Zeit.

Nach 1-2 Tagen ist der Vers “drin”, sodass ich ihn bei einer “brenzligen” Situation, bei einem geistlichen Kampf sofort in Gedanken rezitieren kann und so die Schlacht gewinnen kann.

Dann fühlt es sich so an, als wäre die Zeit mit Gott nicht mehr nur auf den Morgen beschränkt, sondern kann den ganzen Tag erfüllen.

Mein Vorsatz für 2014 war das Lancieren dieses Blogs mit einem Beitrag pro Woche. Auf 22 Blogposts habe ich’s gebracht (ich hatte den Aufwand grob unterschätzt!)

Was daraus gewachsen ist, war für mich das Spannendste meines letzten Jahres. Dies vor allem wegen drei grossartigen Menschen:

Thomas Reiter von “Logos”

Mein Blog war gerade mal drei Monate alt und ich hatte 4 Beiträge über Bibelübersetzungen geschrieben, da Tweetete mich Thomas Reiter an und fragte mich, ob ich für den Logos-Blog schreiben wolle. Er stellte mir ein Logos-Paket in Aussicht wie auch die Möglichkeit, mit anderen christlichen Bloggern zusammenzuarbeiten. Vor allem Letzteres interessierte mich sehr und so liess ich mich auf den Deal ein.

Thomas ist verantwortlich, Logos deutsch zu machen. Dazu ist er mit vielen Bibelgesellschaften und Verlagen im Kontakt und hat schon Beachtliches erzielen können (bald sind Schlachter wie auch NGÜ auf Logos verfügbar).

Er versteht es, Leute zusammenzubringen. So hat er eine tolle Community von 5 deutschen Bloggern aufgebaut. Sein Versprechen, dass ich mit anderen christlichen Bloggern in Kontakt komme, hat er mehr als eingelöst. Danke Dir, Thomas!

Benjamin Misja von der “Offene Bibel”

Einer der 5 Logos-Blogger ist Benjamin Misja. Er hat Theologie studiert und ist Mitinitiant der “Offenen Bibel“, einem Projekt, wo jeder an einer Bibelübersetzung mitarbeiten kann.

Bevor ich neue Blog-Posts auf dem Logos-Blog veröffentliche, gibt Ben mir Input über Google Docs, (Google Docs ist genial dafür, ich kann es jedem wärmstens empfehlen). Wir haben regelrechte Review-Sessions, wo Ben Anmerkungen macht, ich darauf antworte und wir dann gemeinsam den Text fertig schleifen.

Ben hat ein tiefes Theologie-Wissen und ist auch sprachlich sehr gewandt (er bloggt auf biblio-blog.de, leider viel zu wenig ;-)) Ben hat sich schon viele Stunden Zeit genommen, um meine Texte zu verbessern. Dabei habe ich von ihm viel betreffend Textfluss wie auch theologische Begriffe gelernt, danke Dir, Ben!

Eduard Klassen vom Folgen-Verlag

Eddi betreibt zusammen mit Alexander Rempel seit einem Jahr den “Folgen-Verlag” (hier die Geschichte wie der Verlag entstand und hier die Story wie Alexander Rempel den nimm-lies-Blog vom Tod bewahrt hat).

Eddi ist Viel-Leser (ich verstehe immer noch nicht, wie man es schafft, ein Buch pro Woche zu lesen und dann erst noch eine Rezension darüber zu schreiben), erstellt selbst ebooks und hat Kontakte zu Verlagen. Ich kenne Eddi auch über den Logos-Blog. Als ich ihm meine Hilfe angeboten hatte beim Editieren der Menge-Lese-Bibel, hatte er mir einiges erklärt: Wie christliche Verlage funktionieren, ihre Mühen mit ebooks und auch wie man ebooks erstellt. Dieses Wissen konnte ich nutzen und habe von der deutschen Übersetzung meines Lieblingsbuchs - John Pipers’ Desiring God - eine ebook-Version erstellt, welche in den nächsten Tagen beim 3L-Verlag herauskommen wird. Danke Dir Eddi für alles!

Honorable Mentions

Weiter danke ich…

  • Vladislav Melnik und Walter Epp für tolle Blogger-Ratschläge wie z. B. diesen, diesen und diesen.
  • Irene, meine Frau, für das kritische Lesen meiner Texte. Mit zwei pointierten Sätzen Input hat sie mich dazu gebracht, nochmals 2 Stunden in einen Text zu investieren. Sie sollte eigentlich zuoberst stehen, aber ich kann sie nicht verlinken, da sie (noch) keinen Blog hat :-)

Als ich vor gut 15 Jahren Christ wurde, wurde ich gelehrt: Beten heisst rausgehen und dann 30 Minuten in der Natur beten.

Ich habe das während Jahren täglich gemacht. Aber genützt hat es nicht viel.
Das Problem war: Beim Beten wanderten meine Gedanken ab, da war ich plötzlich am Nachdenken über meine Probleme, über schwierige Situationen. Ich begegnete in diesen Zeiten meinen Gedanken und nicht Gott.

Ich war angenehm überrascht, als auch John Piper in diesem Interview dasselbe Phänonmen beschrieb. Sein Rezept ist, das Bibellesen mit Gebet zu vermischen. er liest einen Abschnitt oder nur einen Vers betet gleich anschliessend darüber.

Ich habe dies nun gut einen Monat versucht. Diese 30 Minuten am Morgen sind mittlerweile der beste Teil des Tages. Durch diese Art und Weise wird es eine lebendige Konversation:

Einerseits kann ich Gott zuhören, was er über mein Leben sagt. Es ist wirklich die Zeit, wo ich mich sehe so wie Gott mich sieht: Francis Chan sagte in einer Predigt:

That’s the only time where I can’t lie […]
there are times when we want to sound good enough,
even in our prayers […] and [we] try to make it sound
that we really love [God] and want to be with him
when we long for all the other things in the world
and he’s just an afterthought

Und dann andererseits kann ich Gott antworten, ihn bitten, dass ich diese Gebote halten kann, dass ich seine Verheissungen glauben kann. Es fühlt sich natürlicher an, wie ein Gespräch eben. Da spricht auch nicht einer während 30 Minuten und dann antwortet der andere während 30 Minuten.

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