Lesenswichtig 19. September

Folge 19 von “Lesenswichtig”, einer Liste von christlichen Artikeln, die mich diese Woche bewegt haben.

Wilhelm Busch über die Anfänge seiner Predigerarbeit

Sergej Pauli über ein paar interessant-amüsante Zitate von Wilhelm Busch:

Sergej meint dazu:

Ich glaube, das was Busch in den Zwanzigern des 20ten Jahrhunderts beobachten hat, wird durch Twitter, Hashtag & Co in den Zwanzigern des 21ten Jahrhunderts multipliziert.

Zwei Zitate von Wilhelm Busch (aus dem Buch “Plaudereien in meinem Studierzimmer”):

Ich habe damals zum ers­ten Mal erlebt, wie die Men­schen weit­hin das eige­ne Den­ken auf­ge­ge­ben haben zuguns­ten von Denk­sche­ma­ta und Schlag­wor­ten. Es war ermü­dend, immer und immer die­sel­ben Phra­sen zu hören von “Ver­elen­dung der Mas­sen”, von der “Schuld der Kir­chen”, die “die Waf­fen geseg­net haben” und “geschwie­gen haben zu der Aus­beu­tung” oder “wie die Kirch­gän­ger schlech­ter sind als alle ande­ren.” Mein Herz schrie danach, end­lich ein­mal ein eige­nes, aus dem eige­nen Den­ken oder aus dem Her­zen ent­sprun­ge­nes Wort zu hören.

Die Men­schen kom­men mir oft vor, als wenn man ihnen das Gehirn weg­ge­nom­men und dafür Schall­plat­ten in den Kopf gesetzt hät­te, die nun auf bestimm­te Stich­wor­te hin ablaufen.

Zum Beitrag: Wilhelm Busch berichtet über seinen Dienst als Prediger in Bielefeld

Mein zwiespältiges Verhältnis zum Stichwort “unterordnen”

Rebecca McLaughlin tat sich schwer mit dem Bibelvers: “Ihr Frauen, ordnet euch euren eigenen Männern unter wie dem Herrn.”. In einem bewegendem, persönlichem Beitrag, berichtet sie über ihr Ringen über diesen Vers, wie auch was einige Christen damit fälschlicherweise angestellt haben. Ein paar Auszüge:

Ich verkündete meinen ungläubigen Freunden ein radikales Narrativ der Machtumkehr, in dem der Schöpfergott sein Leben gab, in dem Arme den Reichen überlegen sind und Ausgegrenzte Teil der Familie werden. … Doch da war dieser schreckliche Vers, der die Unterdrückung von Frauen zu propagieren schien. Jesus hatte Frauen auf die gleiche Ebene wie Männer gehoben. Und es sah für mich so aus, als hätte Paulus sie wieder heruntergestossen. Ich befürchtete, dass dieser Vers mein ganzes Zeugnis zunichtemachen würde.

Und dann fiel der Groschen endlich. Frauen, ordnet euch euren eigenen Männern unter wie dem Herrn. Männer, liebt eure Frauen, gleichwie auch Christus die Gemeinde geliebt hat. Das eigentliche Thema, das in diesem Modell seine Abbildung findet, ist nicht das individuelle Ehepaar. Es ist Jesus und die Gemeinde. Gott erschuf Sex und Ehe, um uns einen kleinen Eindruck von seiner Vertrautheit mit uns zu vermitteln.

Zum falschen Verständnis von diesem Vers schreibt sie:

Die komplementäre Ehe wird oft wie folgt beschrieben: “Frauen ordnen sich unter, Männer leiten”. Aber diese Simplifizierung gibt nicht die biblischen Gebote wieder. Ehefrauen sind sehr wohl dazu aufgerufen, sich unterzuordnen. Aber die primäre Aufforderung an die Männer lautet, zu lieben.

Tatsächlich ist Epheser 5 eine deutliche Kritik an den traditionellen Geschlechterrollen, sowohl in seinem damaligen Kontext als auch heute. In der Thematisierung der Ehe stehen die Bedürfnisse der Frau stets an erster Stelle, wohingegen die Tendenz des Ehemannes, sich selbst in den Vordergrund zu stellen, vom Evangelium wie mit einer Axt in Stücke gehauen wird.

Zurück zur eigentlichen Aussage des Verses:

In meiner Ehe geht es letztendlich nicht um mich und meinen Mann, zumindest nicht mehr, als es in Romeo und Julia um die Schauspieler geht, die die Hauptrollen verkörpern. In meiner Ehe geht es darum, Jesus und seine Gemeinde widerzuspiegeln.

Zum Beitrag: Mein zwiespältiges Verhältnis zum Stichwort “unterordnen”

Goldene Farben, lange Schatten

Der Sommer war kurz. Ängstlich schaue ich dem Herbst und dem danach kommenden Winter entgegen (wir hoffen, als Familie in den Herbstferien nochmals in den Süden fahren zu können, um den “verpassten Sommer” etwas nachholen zu können).

Daniel Vullriede hat einen Artikel publiziert, der hat mich fasziniert. Er geht das Thema Herbst poetisch an, führt Dichter wie Rilke auf. Ein paar Auszüge aus seinen Gedanken zur herbstlichen Melancholie:

Der berühmte Lyriker Rainer Maria Rilke (1875-1926) fasst im Gedicht “Herbsttag” seine Beobachtungen in Worte. … Er schreibt er in der dritten und letzten Strophe:

Wer jetzt kein Haus hat, baut sich keines mehr.
Wer jetzt allein ist, wird es lange bleiben,
wird wachen, lesen, lange Briefe schreiben
und wird in den Alleen hin und her
unruhig wandern, wenn die Blätter treiben.

Er fasst das Gedicht von Rilke so zusammen:

Verpasste Chancen, die klare Aussicht auf düstere Einsamkeit, der Wunsch nach echter Begegnung, die Grübelei und Ruhelosigkeit inmitten kahler werdender Bäume. Alles ist irgendwie eingetrübt. Was uns bleibt, sind wir selbst…

Als Gegenüberstellung ein Gedicht von Karl Gerok (1815-1890), aus seinem Gedicht “Herbstgefühl”. Die zweite Strophe endet so:

An der letzten Rose
Löset lebenssatt
Sich der letzte lose,
Bleiche Blumenblatt!

Daniel Vullriede dazu:

Seine zweite Strophe wirkt (verglichen mit Rilkes Wortwahl) vielleicht nicht ganz so elegant. Doch wenn von der letzten Rose das letzte, lose Blumenblatt lebenssatt abfällt, so ist der Kontrast der Bilder jedem klar: Alles noch so Schöne da draussen vergeht und niemand kann es festhalten.

Zur dritte Strophe…

Goldenes Entfärben
Schleicht sich durch den Hain!
Auch Vergehn’n und Sterben
Deucht mir süß zu sein.

schreibt er:

Einen Moment! Wie kann der Niedergang des Lebens etwas Positives, ja, sogar etwas “Süsses” bereithalten?

Anstatt den Menschen grausam auf sich selbst zurückgeworfen oder hineingeworfen in einen trostlosen Naturkreislauf zu sehen, versteht Gerok ihn als Teil der Schöpfung. Anstatt die trübe Einsamkeit hinzunehmen, weitet der den Blick über die Vergänglichkeit hinaus. Der Herbst macht ihn melancholisch, aber nicht mürbe.

Gerok macht es richtig! Er verfolgt die herbstliche Melancholie bis auf ihren Ursprung zurück, um sie dann Gottes Offenbarung gegenüberzustellen. Ja, die Welt in ihrer jetzigen Gestalt ist dem Untergang geweiht. Das ist eine nüchterne Wahrheit, die über blosse Melancholie weit hinaus geht.

Zum Beitrag: Goldene Farben, lange Schatten

Ratschläge zur Diskussionskultur in den Sozialen Medien

Bezüglich Sozialen Medien bin ich schon länger hin und her gerissen.

Zwar schätze ich die oft wertvollen Impulse, gerade von Andersdenkenden, aber die Diskussionskultur ist oft so angriffig, dass ich häufig emotional aufgewühlt das Browserfenster wieder schliesse.

In einem Video führt Ron Kubsch sieben Ratschläge auf, wie wir damit umgehen können. Ein paar Auszüge:

Ein Pastor … hat einmal gesagt: “Ich lese nur noch das, was mich in meiner Meinung bestätigt”. Ich glaube nicht, dass das unser geistliches Wachstum unbedingt fördert.

Es ist natürlich keine Lösung, dass wir aufhören miteinander zu reden, nur aus der Angst davor, dass wir die Gefühle des anderen verletzen.

Eine gelingende Kommunikation lebt davon, dass einer anfängt, mal zuzuhören. … dass wir auch selbstkritisch sein sollen. Denn es kann auch durchaus sein, dass der andere, der sich mit mir streitet, recht hat, und ich derjenige bin, der falschliegt.

Wir als Christen, wir haben eine lebendige Hoffnung, wir müssen nicht mehr perfekt erscheinen, wir müssen nicht ständig an unserem Imagedesign arbeiten, wir können es auch zugeben, wenn wir Fehler machen … es würde sehr viel toxisches Material aus der Gesprächskultur nehmen, wenn wir bereit sind dort, wo wir uns mal verrannt haben … um Vergebung zu bitten.

Zum Beitrag: Ratschläge zur Diskussionskultur in den Sozialen Medien

Älterer Beitrag: Ohne Spiel lernen Kinder nicht viel (Kolumne)

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