Meine Frau ist für mehrere Wochen verreist. Ich bin alleine mit den Kindern zu Hause. Diese Situation ist oft herausfordernd, ich komme schneller an meine Grenzen und merke meine Abhängigkeit zu Gott umso mehr.
Beim lesen hören von Paul E. Millers Buch “A Praying Life” wurde mir klar, dass genau dieser Mangel die Voraussetzung ist, zu Gott zu kommen. Ein paar Stellen, die mich besonders angeregt haben:
Kleine Kinder verstehen, was Hilflosigkeit bedeutet. Das ist, wo sie am besten sind. Aber als Erwachsene vergessen wir schnell, wie wichtig Hilflosigkeit ist. Ich für meinen Teil bin allergisch gegen Hilflosigkeit. Ich mag sie nicht. Ich will einen Plan, eine Idee, oder vielleicht einen Freund, der sich mein Problem anhört. So gehe ich instinktiv an alles heran, weil ich Vertrauen in meine eigenen Fähigkeiten habe. Das gilt sogar für meine Arbeit, Menschen über das Gebet zu unterrichten. Obwohl ich Gebetsseminare leite und eine Studie über Gebet geschrieben habe, kam es mir bis vor einem Jahr nie in den Sinn, systematisch und regelmässig für unseren Gebetsdienst zu beten. Warum nicht? Weil ich nicht hilflos war. Ich konnte unseren Gebetsdienst allein managen. Ich habe das nie gesagt oder auch nur gedacht, aber ich habe es gelebt. Ironischerweise ist die Hilflosigkeit eines der zentralen Themen in unserem Gebetsseminar. Ich war nicht hilflos gegenüber dem Dienst, Hilflosigkeit zu lehren! So ist das menschliche Herz. Ich fing erst an, regelmäßig über unseren Seminardienst zu beten, als er nicht vorankam - als ich hilflos wurde.
Jemand von Millers Gebetsseminar schreibt:
Ich fange an zu erkennen, dass es einen Unterschied gibt zwischen “Gebete sagen” und ehrlichem Beten. Beides kann äusserlich gleich klingen, aber Ersteres ist zu oft von einem Gefühl der Verpflichtung und Schuld motiviert; wohingegen Letzteres von der Überzeugung motiviert ist, dass ich völlig hilflos bin, das “Leben” allein zu schaffen. Oder im Fall des Betens für andere, dass ich völlig hilflos bin, anderen ohne die Gnade und Kraft Gottes zu helfen.
In der Bibel erleben genau die Hilflosen, Mangel leidenden die Hilfe von Jesus. Er wies gerade die, «die ihr euch abmüht und unter eurer Last leidet» an, zu ihm zu kommen.
Im ganzen Buch Johannes sehen wir Menschen, die wegen ihrer Hilflosigkeit zu Jesus kommen. Die samaritanische Frau hat kein Wasser (Joh 4). Später in demselben Kapitel hat der Sohn des Beamten keine Gesundheit. Der verkrüppelte Mann am Teich von Bethesda hat keine Hilfe, um ins Wasser zu kommen (Joh 5). Die Menschenmenge hat kein Brot (Joh 6). Der blinde Mann hat kein Augenlicht (Joh 9). Und schliesslich hat Lazarus kein Leben (Joh 11).
Wir sagen uns: “Starke Christen beten viel. Wenn ich ein starker Christ wäre, würde ich mehr beten.” Starke Christen beten tatsächlich mehr, aber sie beten mehr, weil sie erkennen, wie schwach sie sind. Sie versuchen nicht, das vor sich selbst zu verbergen. Schwachheit ist der Kanal, der ihnen den Zugang zur Gnade ermöglicht.
Aus Paul E. Millers Buch “A Praying Life: Connecting with God in a Distracting World“. Ich höre mir das Buch gerade als Audiobuch an.