Beitrag von meiner Frau Irene
Ich lese am liebsten Bücher über Missionare, die an einen Ort gehen, wo das Evangelium noch nie verkündet wurde. Es ist einfach einzigartig, wenn Menschen zum allerersten Mal von Jesus hören. Von Gottes Liebe zu den Menschen. Von der Möglichkeit, dass einem seine Schuld vergeben wird. Von einem Gott, der nicht willkürlich und launisch ist und mit Opfern zufriedengestellt werden muss, sondern der seinen eigenen Sohn hat sterben lassen, damit wir mit ihm eine Beziehung haben können.
Die Bekehrungsgeschichten von solchen Menschen zu lesen, ist eine riesige Ermutigung. Ein Zeugnis von Gottes Kraft, Menschen zu verändern. Da gibt es Beispiele von Männern, die vorher ihre Frauen geschlagen und ausgenutzt haben, und deren Herz sich so verändert hat, dass sie ihre Frauen zum ersten Mal lieben können. Eindrücklich ist auch, wenn Angehörige einer animistischen Religion ihre Zaubergegenstände und alles, was sie vor den bösen Geistern beschützt hat, verbrennen. Und Gott beweist seine Macht, indem er sie beschützt und ihnen nichts geschieht. Wieder andere sind bereit, Verfolgungen von der Familie oder dem Stamm auf sich zu nehmen und trotz Widerstand ihren Glauben zu teilen. Er ist ihnen so wertvoll geworden, dass sie ihn nicht für sich behalten können.
Wenn ich solche Geschichten lese, wird mein Glaube gestärkt. Sie sind ein Zeugnis dafür, dass Gott auch heute noch lebt und unter den Menschen wirkt. Und dass er stärker ist als alle bösen Mächte.
Es gibt aber auch Geschichten, die einen traurig machen.
Z.B. wenn Missionare jahrelang unter einem Volk leben, den Menschen vom Evangelium erzählen und ihnen Liebe vorleben - und die Menschen nicht Gott wollen, sondern vielleicht nur die medizinische Versorgung. Oder wenn Menschen sich entscheiden, Gottes Weg zu gehen - vielleicht, weil sie sich davon Vorteile erhoffen - aber sie sich nicht ganz von ihrer früheren Religion lossagen. Dann kann es so aussehen, dass jemand, wenn er Hilfe braucht, zu den Missionaren geht, um für sich beten zu lassen, aber gleichzeitig auch noch den Medizinmann aufsucht, der die Geister befragt oder ein Opfer für ihn darbringt. Solche Menschen haben sich nicht ganz für Gott entschieden. Sie meinen, sie könnten von beiden Religionen das herauspicken, was ihnen hilfreich erscheint. Oder sie befolgen immer noch die Rituale ihrer alten Religion, “zur Sicherheit”, falls der christliche Glaube doch nicht das hält, was er verspricht.
Natürlich gibt es Beispiele, wo ein solches Verhalten nur eine Anfangsphase ist, bis der Betreffende sich ganz sicher ist, dass das Evangelium die Wahrheit ist. Aber es gibt viele traurige Beispiele, wo Menschen sich nie ganz von ihrem früheren Glauben lösen, sondern ein Gemisch von beidem leben. Ja, es gibt ganze Regionen, wo sich über die Zeit eine eigene “Religion” entwickelt hat, die Elemente einer animistischen Religion mit Elementen aus dem christlichen Glauben vermischt. Solche Religionen haben aber nicht die Kraft des Evangeliums, sondern beruhen auf Traditionen und Ritualen.
Was hat das mit uns zu tun?
Eine ganze Menge.
Wir haben hier im Westen zwar keine Götzen in Form von Statuen. Wir glauben auch nicht an böse Geister, die uns strafen könnten. Aber vielleicht wäre es besser, wir hätten sichtbare Götzen, die wir verbrennen können, wenn wir uns für Gottes Weg entscheiden. Denn auch wir haben Götzen.
Im Kolosser 3,5 heisst es:
“Tötet daher, was in den verschiedenen Bereichen eures Lebens noch zu dieser Welt gehört: Sexuelle Unmoral, Schamlosigkeit, ungezügelte Leidenschaft, böses Verlangen und die Habgier (Habgier ist nichts anderes als Götzendienst).”
Viele Christen im Westen verhalten sich genauso wie die vorher beschriebenen Menschen im Busch, die Christus angenommen haben, aber trotzdem noch den Medizinmann aufsuchen, Gegenstände im Haus haben, die sie beschützen sollen und Rituale verfolgen.
Viele Christen hier nehmen Christus zwar an, aber sie wollen ihren Wohlstand, ihre Karriere, ihren Besitz, ihr Geld, ihre Freiheit, ihr Ansehen - kurz: ihre Götzen - nicht aufgeben. Wahrscheinlich ist der Grund dafür derselbe wie bei den Menschen im Busch: Sie sind sich nicht ganz sicher, ob der Glaube an Christus wirklich wahr und tragfähig ist. Ob sie nicht doch etwas verlieren und damit zu kurz kommen, wenn sie ihre Götzen aufgeben. Es muss ja so sein. Denn wenn wir nicht bereit sind, etwas Bestimmtes aufzugeben, klammern wir uns daran, weil wir Angst haben, dass es nicht gut kommen könnte, wenn wir uns davon lossagen.
Ja, was ich von Menschen höre, die nicht bereit sind, Geld, Besitz oder Ansehen aufzugeben, ist genau das: Ich würde etwas verlieren, das mir lieb ist. Es würde mir etwas Wichtiges fehlen. Es würde mir schlechter gehen als jetzt. Ich will es nicht aufgeben.
Natürlich drücken sie sich anders aus. Sie sagen vielleicht: Es ist nicht nötig, als Christ diese Dinge aufzugeben. Man kann genauso gut Christ sein und gleichzeitig Wohlstand, Karriere, Ansehen, Besitz, Geld und Freiheit behalten.
Aber Jesus sagt: Man kann nicht gleichzeitig Gott und dem Mammon dienen.
Und wenn wir nicht bereit sind, etwas aufzugeben, dienen wir diesem Etwas. Genau umgekehrt ist es bei vielen verfolgten Christen, die nicht bereit sind, ihren Glauben aufzugeben, auch unter der Gefahr, dafür leiden zu müssen. Sie zeigen damit, dass sie Gott dienen. Weil sie nicht bereit sind, ihn aufzugeben.
Wenn wir hingegen nicht bereit sind, unseren Besitz oder unser Geld oder unser Ansehen aufzugeben, werden wir als Diener von unserem Besitz, unserem Geld oder unserem Ansehen entlarvt. So einfach ist das.
Wie sehen denn die Leben derjenigen Menschen aus, die gleichzeitig ihre Hilfe von Gott und von den Geistern erwarten? Die versuchen, beiden gleichzeitig zu dienen? Werden sie freudig von der Kraft Gottes weitererzählen? Ich glaube nicht, denn die haben Gottes Kraft gar nicht erfahren! Sie sind ja immer noch unsicher, wessen Kraft grösser ist. Damit bleibt ihr Glaube verkümmert und wächst nicht. Und sie sind keine Lichter für ihre Mitmenschen.
Ist es nicht genauso bei uns? Wenn wir nicht sicher sind, ob es sich lohnt, sich auf Gott allein zu verlassen; wenn wir also gleichzeitig auf Gott und auf die Welt setzen, dann kann unser Glaube nicht gut wachsen. Er bleibt verkümmert und klein, weil wir nie erfahren haben, dass Gott absolut verlässlich ist und genügt. Weil wir immer gleichzeitig auf Gott und, als zweites Standbein sozusagen, auch auf die Welt setzen. Zur Sicherheit, falls Gott sich doch nicht als treu erweist. Und so sind auch wir keine hell scheinenden Lichter für unsere Mitmenschen. Denn sie sehen zwar, dass wir ein bisschen auf Gott vertrauen. Sie sehen aber auch, dass wir uns ziemlich stark auf die Welt verlassen.
Auch ich habe damit zu kämpfen. In der reichen und gut versorgten Schweiz sind wir uns gewohnt, uns auf all diese Dinge zu verlassen: Geld, Besitz, Wohlstand. Das Gebet “unser tägliches Brot gib uns heute” hat mir noch nie etwas bedeutet, weil ich nicht weiss, wie es ist, um Essen zu beten, wenn man hungert.
Mein Mann und ich versuchen seit ein paar Jahren, mit weniger auszukommen, mehr zu spenden und uns damit auch mehr auf Gottes Versorgung zu verlassen. Und ich bin noch weit davon entfernt, zu vertrauen. Immer wieder frage ich mich: Ist es wirklich wahr? Wird Gott sich um mich kümmern, wenn ich mich nur noch auf Ihn verlasse? Was, wenn wir Geld weggeben und sich dann herausstellt, dass wir plötzlich zu wenig haben?
Gerade jetzt sind wir in einer Situation, wo wir Geld brauchen, das in unserem kleineren Budget nicht einberechnet ist. Haben wir doch verantwortungslos gehandelt, als wir unser Budget verkleinert haben? Werden wir jetzt als “fools” abgestempelt? Oder sehen wir gerade jetzt Gottes Versorgung und werden Ihn dafür preisen?
Ich klammere mich an den Vers, den schon viele vor uns als wahr erfahren haben:
“Es soll euch zuerst um Gottes Reich und Gottes Gerechtigkeit gehen, dann wird euch das Übrige alles dazugegeben.” (Matthäus 6,33)
Es gibt zwei Gründe, warum wir unsere Götzen nicht aufgeben wollen: Weil wir sie lieben und weil wir von ihnen Hilfe erwarten. Einerseits haben wir Angst, wir könnten zu kurz kommen oder etwas Wichtiges verlieren, wenn wir uns z.B. von Besitz oder Ansehen lossagen. Andererseits verlassen wir uns auch auf diese Dinge, um unsere Versorgung sicherzustellen.
Das Loslassen von unseren Götzen ist wie ein Sprung ins Leere. Wie, wenn ich beim Abseilen den Boden unter den Füssen loslasse und vertrauen muss, dass mein Partner am Boden das Seil wirklich im Griff hat.
Aber ich bin überzeugt, dass es nicht anders geht. Wir müssen uns von unseren Götzen lossagen. Denn wenn wir das nicht tun, gleichen wir dem dritten Boden aus Matthäus 13:
“Wieder ein anderer Teil der Saat fällt ins Dornengestrüpp. Das bedeutet: Jemand hört das Wort, doch die Sorgen dieser Welt und die Verlockungen des Reichtums ersticken es, und es bleibt ohne Frucht.” (Matthäus 13,22)
Die Sorgen und die Verlockungen. Das, wovon wir uns Hilfe erhoffen und das, wovon wir uns Erfüllung versprechen.
Ich habe oft das Gefühl, dass mein Glaube wie unter einem Dornengestrüpp ist. Zugemüllt von der Welt. Überdeckt mit den Sehnsüchten nach weltlicher Erfüllung und heruntergedrückt von dem sich Festklammern an die Versorgung, die von der Welt kommt: Von unserem Wohlstand, von dem Geld, das wir auf unserem Bankkonto haben, von unserem Besitz, von unserem Platz in der Gesellschaft.
Ich will diese Dornen über mir unbedingt weghaben. Ich möchte ein Licht sein und Frucht bringen. Und ich vertraue darauf, dass Gott mein Gebet erhört und sie nach und nach wegschneidet. Er hat schon so viel davon weggeschnitten, dass ich immer mal wieder einen Blick erhaschen kann, wie es ohne Dornen über mir ist. Das ist genug, um von ganzem Herzen zu sagen: Ich will meine Götzen zerschmettern und verbrennen, und mit weniger gebe ich mich nicht zufrieden!