Teil 8 von “Lesenswichtig”, einer Liste von christlichen Artikeln, die mich diese Woche bewegt haben.
Mattigkeit
Andrée Seu Peterson bekennt, wie sie durch Corona Freundschaften und die Gemeinde hat schleifen lassen. Es ist ein ehrliches, erfrischendes Geständnis:
Irgendwann nach dem Einsetzen des Post-Lockdowns bemerkte ich, dass je weniger ich Leute sah, desto weniger wollte ich die Leute sehen. Ich wurde einfach bequem wie ein Hobbit. Ich musste das Kirchengebäude kaum noch putzen, weil es kaum noch jemand benutzte. Das Einkommen ist tief, aber das stört mich nicht einmal. Wir hatten im Januar eine Mitarbeiterversammlung mit “Social Distancing” … bei der ich sah, wie ein paar unserer jeweiligen Diäten der täglichen “Mir ist langweilig, ich gehe etwas essen”-Versuchung erlegen sind.
Das ist ein Ding. Aber schlimmer für mich ist die Versuchung einer unerklärlichen Trägheit - ich habe keine Lust, jemanden anzurufen, irgendwohin zu gehen oder gar ans Telefon zu gehen. Es ist wie das grüne Pulver, das die Königin von Unterland auf Prinz Rilian in “Der silberne Sessel” streute, das einen “süßen und schläfrigen Geruch” hatte und “es schwerer machte, zu denken.” Der Teufel wird dich glauben lassen, dass es sicherer ist, zum Einkauf zu gehen als in die Kirche, obwohl ich mir sicher bin, dass die Läden überfüllter sind als die Kirche.
Zum Artikel: Lassitude
Wenn Evangelikale Brunnen bauen
Paul Bruderer antwortet auf Kritik an Evangelikalen. Die Diskussion über “was machen die Evangelikale richtig, was nicht?” interessiert mich nicht sonderlich. Was ich aber spannend finde, ist die Art und Weise, wie er auf die Kritik antwortet. Oft kommt eine Position erst dann zum glänzen, wenn sie verteidigt wird. In diesem Artikel geht es um praktische, humanitäre Hilfe in der Mission. Und um Umweltschutz! Das deckt sich sehr gut mit der Absicht von meiner Frau und mir auf diesem Blog, darum habe ich mich auch sehr über den Artikel gefreut. Ein paar Auszüge:
In der Lausanner Verpflichtung, welche an der Konferenz verabschiedet wurde, liest man im Paragraph 5 mit dem Übertitel ‘Soziale Verantwortung der Christen’:
»Wir bekräftigen, dass Gott zugleich Schöpfer und Richter aller Menschen ist. Wir müssen deshalb Seine Sorge um Gerechtigkeit und Versöhnung in der ganzen menschlichen Gesellschaft teilen. Sie zielt auf die Befreiung der Menschen von jeder Art von Unterdrückung… Wir tun Busse… dafür, dass wir manchmal Evangelisation und soziale Verantwortung als sich gegenseitig ausschließend angesehen haben.«
Die Lausanner Bewegung zeigt beispielhaft: Evangelikale haben ein äusserst starkes Anliegen für Ganzheitlichkeit! Sicher gibt es evangelikale Christen, die eine Engführung auf die geistliche Dimension leben (gibt es so eine Vernachlässigung der praktisch gelebten Nächstenliebe vielleicht auch unter Christen in anderen Segmenten der Kirche?). Doch die grosse Mitte der Evangelikalen hat meiner Meinung nach stets ein gesundes Gleichgewicht von “Wort und Tat” gesucht, und zwar bis hinein in die ökologische Dimension.
So denkt beispielsweise der einflussreiche evangelikale Vordenker Francis Schaeffer in seinem Buch Pollution and the Death of Man bereits 1970 öffentlich über ein radikales christliches Engagement in der Ökologie nach. Der renommierte Theologe Klaus Bockmühl, Dozent auf Chrischona, vertieft Schaeffer’s Arbeit 1975 in Umweltschutz — Lebenserhaltung. Inspiriert von solchen Überlegungen startet 1983 das Ehepaar Miranda und Peter Harris in der portugiesischen Algarve die Umweltorganisation A Rocha,
Zum Artikel: Wenn Evangelikale Brunnen bauen
Das Ende von Evangelisation?
Jonas Erne fragt sich, wie Evangelisation heute aussehen kann. Die Zeit der Zeltevangelisation (welche ich leider nicht miterleben durfte) ist vorbei, wie können wir heute das Evangelium verkünden? Ich mag seinen Artikel, denn er ist praktisch und ehrlich.
Denken wir noch einen Schritt weiter: Evangelisation ist nicht mehr der Job einer kleinen Elite von gesalbten und begabten Evangelisten, sondern in diesem Rahmen kann plötzlich jede und jeder mitmachen. Ich finde das gut: Gerade da ich persönlich nicht wirklich evangelistisch begabt bin, kann ich trotzdem gebraucht werden. Auch wenn es mir schwerfällt, Menschen anzusprechen, auch wenn ich introvertiert, scheu, still und zurückhaltend bin, ist es meine Erfahrung geworden, dass solche Gespräche richtig wertvoll sind. Es ist die Rückkehr zum allgemeinen Priestertum aller Gläubigen, denn alle können mit ihrem Charakter und ihrer Persönlichkeit im Rahmen der eigenen Möglichkeiten mitmachen.
Zum Artikel: Das Ende von Evangelisation?