Gastbeitrag meiner Frau zu Minimalismus und Zero Waste (2) - Der umgelegte Schalter

Bevor ich “Zero Waste Home” von Bea Johnson las, konnte ich mir nicht vorstellen, wie wir hier in der Schweiz gross anders leben könnten, als wir es taten. Dass man nicht nur auf ein, zwei Dinge verzichten kann, sondern dass es möglich ist, mit VIEL weniger zu leben, ohne dass man dafür in den Busch ziehen und in einer Lehmhütte leben muss.

Oder wie wir mehr Geld übrig haben könnten, um mehr für die Mission und die Armen zu spenden (allerdings waren uns die Verlorenen und die Armen auch nicht so am Herz; auch das hat sich geändert). Je mehr wir verdienten, desto mehr gaben wir aus und desto mehr Wünsche rückten in unser Blickfeld, die wir uns erfüllen wollten. Wir überlegten uns, ein eigenes Haus zu kaufen. Ich machte regelmässige Shopping-Touren, von denen ich mit neuem Geschirr, Haushaltgeräten, Kissenbezügen und Weihnachtsdekoration zurückkam. Ich kaufte zwar der Umwelt zuliebe Bio-Kleider, doch wenn der Katalog ins Haus kam, bestellte ich alles, was das Herz begehrte (und hatte immer zu wenig Kleidergeld).

Vom Geld blieb nie viel übrig und der Zehnte reute mich, hinderte er uns doch daran, uns noch mehr für uns selbst zu kaufen.

Da ich mich schon lange für Nachhaltigkeit und Umweltschutz interessiert hatte, gab Gott mir ein Buch mit diesem Thema in die Hand und führte mich über Abfallvermeidung und Besitz-Reduzieren dazu, dass ich Geld und Besitz nicht mehr liebe. Man könnte diesen Wandel damit beschreiben, dass Gott in unseren Herzen einen Schalter umgelegt hat, sodass ich jetzt anstatt das Geld für mich zu haben und mehr und mehr anschaffen zu wollen, soviel wie möglich verkaufen will, so wenig wie möglich für mich haben will und ich mehr Freude verspüre, je mehr ich spenden kann! Es ist also nicht etwa so, dass wir uns dazu zwingen, weniger Besitz zu haben und dabei eifersüchtig auf die Nachbarn schauen, die mehr haben als wir. Im Gegenteil! Wir haben uns noch nie so glücklich gefühlt wie jetzt.

Ein riesiger Erdrutsch von Folgen ist ins Rollen gekommen, der nicht nur den Besitz betrifft, sondern alles:

Ich lebe nicht mehr für mich selbst. Mein grosser Wunsch ist, nur noch für Gott zu leben. Ich habe keine Ziele mehr, die ich neben Gott für mich selbst erreichen möchte. Mein Schatz ist Jesus. Meine Heimat ist im Himmel. Mein Ziel auf der Welt ist, das Evangelium zu verkünden, damit Seelen gerettet werden und Gott verherrlicht wird.

Christus ist mein Leben, und Sterben ist mein Gewinn. (Philipper 1, 21)

Zurück zum Buch: “Zero Waste” hat zwei Bedeutungen: Null Abfall und Null Verschwendung. Es geht also nicht nur darum, Verpackungen und Plastik zu vermeiden und z.B. in einem Unverpackt-Laden einzukaufen. Das ist nur ein kleiner Teil davon. Die Kernaussage, die “geheime Zutat”, heisst: weniger Konsum. Das ist genau der Punkt, wo die Wende geschieht. Ich hatte schon lange versucht, nachhaltig zu leben. Ich kaufte seit Jahren Bio-Lebensmittel, Bio-Kleidung und Bio-Kosmetik. Und gab einiges an Geld aus. Aber mit dem Motto “Ich kauf nix mehr” (ein Satz, den ich irgendwo gelesen hatte und der uns sofort gefiel) konnte ich nicht nur nachhaltiger leben (bzw erst richtig nachhaltig, denn Nachhaltigkeit und verschwenderischer Konsum widersprechen sich zutiefst, weshalb auch der Slogan “Kaufen Sie sich grün!” ein Witz ist), sondern gleichzeitig ungeahnte Mengen von Geld sparen.

Bea Johnson hat als “Anleitung” für Zero Waste die bekannte “3-R-Regel” (Reduce, Reuse, Recycle) genommen und am Anfang und am Ende noch je ein “R” hinzugefügt (Refuse bzw Rot, Verrotten), wobei die Reihenfolge äusserst wichtig ist:

  1. Refuse (Unnötiges ablehnen)
  2. Reduce (Konsum, Besitz, Ansprüche, kurz: eigentlich ALLES reduzieren)
  3. Reuse (Wiederverwendbares anstatt Einwegprodukte kaufen; gebraucht statt neu kaufen)
  4. Recycle (als letzte Möglichkeit vor dem endgültigen Fortwerfen)
  5. Rot (alles Kompostierbare kompostieren).

Dabei sind die ersten zwei (Refuse, Reduce) die wichtigsten Punkte - und nicht ganz überraschend auch die, die direkt mit unserem Herz zu tun haben: Was will ich kaufen? Was will ich besitzen? (Vielleicht auch ein wenig der dritte Punkt “Reuse”, denn gebraucht anstatt neu zu kaufen hat auch damit zu tun, dass wir uns nicht immer das Neuste, Beste gönnen.)

Als ich “Zero Waste Home” zum ersten Mal las (ich habe es mindestens vier Mal durchgelesen), dachte ich: Das tönt spannend, aber das Meiste werde ich wohl nicht umsetzen können. Ich ging ein erstes Mal (wie es Bea Johnson empfohlen hatte), durch unseren ganzen Besitz durch (zumindest durch das, worüber ich selbst entscheiden konnte; zwei Jahre später entrümpelten mein Mann und ich dann wirklich jeden Winkel des Hauses). Die Küche als “mein” Reich kam zuerst dran. Jede Schublade, jedes Kästchen, jedes Gestell räumte ich aus und fragte mich bei jedem Gegenstand: Brauche ich das wirklich? Geht es nicht auch ohne das? (Nebenbemerkung: Marie Kondō, die Aufräum-Expertin aus Japan, fragt etwas anderes: “Does it spark joy?” - Löst der Gegenstand Freude aus? - Dazu Näheres in einem der nächsten Beiträge).

Beim ersten Durchgang sortierte ich v.a. Kaputtes und Doppeltes (Drei-, Vier-, Fünffaches) aus. Ich ging immer noch davon aus, dass ich das Meiste, was ich besitze, auch wirklich benötige.

Beim zweiten Durchgang (ein Jahr später) kam schon viel mehr weg, auch Dinge, die ich nur ein Mal hatte. Ich hatte gemerkt, wieviel aufgeräumter es im Haus aussah mit weniger Gegenständen. Und die Küchenregale sahen so viel schöner aus, wenn nicht fünf Bratpfannen übereinandergestapelt waren!

Beim dritten Durchgang (wieder ein Jahr später, jeweils über die Weihnachtsferien) war der Wandel vollzogen, der Schalter umgelegt: Ich wollte am liebsten alles weggeben! Ich tat grosszügig Dinge in Schachteln und packte sie weg, um zu schauen, ob ich ohne sie auskomme. Im Lauf dieses Jahres passierte es dann zum ersten Mal, dass ich einige wenige Dinge aus den Schachteln zurückholen musste, weil ich zuviel weggetan hatte.

Beim vierten Durchgang fand ich praktisch nichts mehr, was ich entbehren konnte (zumindest nicht, solange wir hier in der Schweiz leben, und nicht im Busch).

Am Ende hatten wir unseren Besitz um gut zwei Drittel reduziert.

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