Dieser Beitrag ist Teil der Reihe “Familie bauen nach Jak 3:17”. Hier geht’s zur Übersicht.
Jak. 3:17a Doch die Weisheit von oben ist erstens heilig, dann friedlich, gütig, bereit einzuwilligen, …
Das griechische Wort eupeithēs heisst so viel wie “einfach zu überzeugen”, und zwar egal ob die Argumente richtig oder falsch sind. Es ist die Bereitschaft, seine Meinung um des anderen willen anzupassen.
Gefahr, Autorität zu verlieren
Nur: wenn ich das in den Kontext der Kindererziehung stelle, dann meldet sich sofort folgender Gedanke:
Moment mal! Wenn ich meinen Kindern nachgebe,
so verliere ich jede Form von Autorität!
“bereit einzuwilligen” schön und gut
aber wie lässt sich das auf Kinder-Erziehung anwenden?
Wie lässt sich diese Bereitschaft auf die Meinungen der Kinder einzugehen vereinbaren z.B. Kol 3:20 wo es heisst Ihr Kinder, seid gehorsam den Eltern in allen Dingen
? Die Frage ist also: untergräbt diese Bereitschaft nicht die Autorität der Eltern? Ich meine: Nein, ganz im Gegenteil!
Lass mich das erläutern, mittels erfundenem Beispiel:
Der Vater hat herausgefunden, dass am Wochenende die Eisbahn offen ist und schönes Wetter ist, er will mit seinem 6-jährigen Reto am Samstag Schlittschuh laufen gehen, Reto ist vom Vorschlag gar nicht begeistert. Aus Angst, die Autorität über seinen Jungen zu verlieren, drückt der Vater seinen Vorschlag durch. Reto geht am Samstag widerwillig mit dem Vater mit. Der Vater muss sich noch bis vor der Eisbahn Vorwürfe von Reto anhören.
Grabenkampf
Hätte der Vater nachgegeben, hätte der Sohn seinen Willen durchgebracht. Und dies lässt ihn erschrecken: Da bringen seine Kinder ihren Willen mal da durch, und bald dort, und bald regieren die Kinder jederzeit! Schliesslich sollen die Kinder gehorchen (Kol 3:20), und als Vater muss er schliesslich diesen Gehorsam aufrichten. Und da gibt es nur eines: der Vater muss immer gewinnen. Sonst erwacht der Wille des kleinen Reto und wenn dieser mal gross genug ist, gibt es nichts mehr um ihn zu bezwingen.
Der kleine Reto empfindet das mit der Eisbahn als eine schmerzliche Niederlage. Eine Demütigung! Der Vater hat seine Autorität ausgespielt und er muss klein beigeben. Aus dieser Demütigung heraus entsteht Rache. Er will seinem Vater sicher nichts mehr zugestehen. Die Freiheiten, welche er noch hat muss er aufs Blut verteidigen. Und so versucht er seine Freiheiten wo anders zu erkämpfen: er kommt zu spät an den Mittagstisch, gibt keine Antwort wenn man ihn fragt, etc.
Und so ist der Vater und Reto in einem stetigen Grabenkampf wo niemand dem anderen Zugeständnisse machen will. Das Klima ist angespannt, es herrscht ein Klima von “ich habe zu wenig”. Dem sagt man auch “Eifersucht”, und dies ist ziemlich giftig für das Familienklima.
Ein Zitat von John Witherspoon (1817, Letters on Education, S.24):
Nichts zerstört Autorität mehr als häufige Auseinandersetzungen und Strafen bezüglich kleinen Dingen. Für Kinder ist das oft ärgerlicher als die Eltern dies wahrnehmen. Es schwächt ihren Einfluss allmählich, und nach einiger Zeit verlieren ihre Meinungen und Urteile an Gewicht, bis hin zum Zustand, dass die Kinder sie verachten.
Geistliche vs. Irdische Autorität
Aber wie sonst richtet man eine geistliche Autorität auf?
Dies ist eine Frucht der Gerechtigkeit, von welcher Jak. 3:17 spricht. Gehorsam stellt sich ein, wenn die Kinder sich fair behandelt fühlen (Güte), wenn Friede zu Hause herrscht, wenn sie sehen, dass ihre Eltern Gott gehorsam sind (Heiligkeit).
Und, das Thema dieses Beitrags, wenn sie merken, dass die Eltern bereit sind einzuwilligen. Das griechische Wort eupeithēs heisst so viel wie “einfach zu überzeugen”, und zwar egal ob die Argumente richtig oder falsch sind. Es ist einfach eine Bereitschaft, seine Meinung um des anderen willen anzupassen.
Im Buch “Parental Effectiveness Training” (PET) geht es um Konfliktlösung zwischen Eltern und Kindern. Es beschreibt die 2 herkömmlichen Ansätze:
- die Eltern gewinnen immer
- die Kinder gewinnen immer
Ansatz 1 endet bei dem beschriebenen Grabenkampf, Ansatz 2 endet damit, dass die Kinder immer höhere Ansprüche haben und immer undankbarer werden. Beides sind nicht wirklich gute Ansätze.
Das Buch schlägt aber eine überraschende Alternative vor: beide gewinnen! Und das geht so:
Vater: lass uns auf die Eisbahn gehen
Reto: Nein, ich will nicht!
Vater: wieso willst Du nicht?
Reto: ich bin noch nie Schlittschuh gelaufen, und ich fürchte mich vor Stürzen
Vater: hast Du eine andere Idee?
Reto: wir spielen Playmobil zu Hause
Vater: nein, das kommt nicht in Frage. Samstag ist schönes Wetter, ich will mit Dir an die frische Luft. Wie wäre es wenn wir mit dem Fahrrad zum Sportplatz fahren um dort Fussball zu spielen?
Reto: ok
Was ist nun passiert? Statt auf seine Autorität zu pochen hat der Vater sich auf seine Werte besinnt: Nämlich, dass seine Kinder regelmässig im Freien spielen. Es geht nicht darum, dass seine Kinder frei entscheiden können, der Vater hat das letzte Wort. Aber sie haben innerhalb der von ihm festgelegten Grenzen ein “Mitspracherecht”. Dadurch fühlen sie sich ernst genommen, und lernen vom Vater was es heisst auf andere einzugehen, andere Vorschläge zu bringen. Dies hilft ihnen schlussendlich auch im Umgang mit anderen Kindern.
Dies ist es, was Jesus meint in Mk. 10:42:
Ihr wisst, die als Herrscher gelten, halten ihre Völker nieder, und ihre Mächtigen tun ihnen Gewalt an. Aber so ist es unter euch nicht; sondern wer groß sein will unter euch, der soll euer Diener sein; und wer unter euch der Erste sein will, der soll aller Knecht sein
Durch “niederhalten” wird eine irdische Autorität aufgebaut. Eine, welche die Kinder sofort verlassen, wenn sie nur die Gelegenheit dazu haben. Die Vaterrolle ist aber eine dienende Rolle: ich will das Beste für meine Kinder. Dafür ist die Erziehung da. Und sie müssen spüren, dass ich das Beste für sie will, und dies spüren sie, indem ich auf sie eingehe. Nur so wird eine geistliche Autorität aufgebaut. Nur so lernen die Kinder, dass auch Gott uns nicht “niederhalten” will sondern uns dient, zu unserem Besten.
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