#Lebensführung

Ich ertappe mich häufig dabei, dass ich mir vornehme, auf Twitter oder Facebook spannende Artikel zu lesen, dann aber mich in Belanglosigkeiten verstricke und flugs eine halbe Stunde flöten geht.

Gestern habe ich gestanden, dass mir Konzentrieren schwerfällt. Und dabei habe ich aufgeführt, dass das Internet mich der Konzentrations-Fähigkeit beraubt hat. Vielleicht.

Aber eine Abstinenz vom Internet will ich auf der anderen Seite auch nicht. Es gibt so viele tolle Artikel, so viele spannende Anstösse, persönliche Geschichten, Diskussionen, die ich alle missen würde, wenn ich mich dem Internet verschliessen würde.

Heute berichte ich über drei Dinge, die ich bei mir eingerichtet habe, um Online-Artikel vertieft lesen zu können.

1. Fokussierte Online-Lese-Zeit

Ohne Ablenkung lesen auf Pocket

Das konzentrierte Lesen eines Buches fällt mir schon schwer, aber das konzentrierte Lesen von Online-Artikeln ist nochmals ein Level schwieriger.

Was mir hilft, ist die Darstellung eines Textes auf Fullscreen, ohne Ablenkung, ohne Werbung, nur der Text und ich. Ich nutze dazu Pocket. Fange ich einen Online-Artikel an zu lesen und denke “klingt spannend! Lass mich die Zeit nehmen, den Artikel konzentriert fertig zu lesen”, dann klicke ich “save in pocket” und lesen den Artikel später.

Pocket gefällt mir, weil…

  1. Jeder Artikel hat das gleiche Schriftbild, und so muss ich mich nicht mit verschiedenen Layouts abmühen. Ich lese gerne Weiss auf Schwarz und mit relativ grossen Serifen-Schrift (siehe Screenshot), aber Pocket bietet viele Einstellungen
  2. Ich kann Textstellen markieren. Ich merke, wenn ich Texte markieren kann, dann lese ich viel aufmerksamer. Ich überlege mir: was gefällt mir am Text, gibt es Stellen, die ich später gerne als Zitate nutzen würde? Leider lassen sich in Pocket keine Kommentare einfügen. (Evernote würde das bieten, dafür ist das Schriftbild nicht so schön).
  3. Ich finde gelesene Artikel später schneller wieder, da sie in meiner “Pocket” sind. Pocket bietet Tagging wie auch Volltextsuche der Artikel

Das Wichtigste dabei: Wenn sich im Tag eine halbe Stunde Lesezeit eröffnet, dann öffne ich Pocket, wähle mir einer der Artikel aus, den ich zuvor gespeichert habe. So kann ich in Ruhe den Artikel durchlesen und kann danach zum nächsten Artikel wechseln, ohne dazwischen von Twitter, Facebook oder sonstigen “Aggregatoren” abgelenkt zu werden. Es fühlt sich recht ähnlich an wie beim Lesen des Buches: Ich kann in den Text eintauchen und mich mit deren Inhalt auseinandersetzen.

2. Abonnieren von guten Blogs

Blogs abonnieren und Lesen im RSS-Reader

Ich bin mir nicht sicher, ob RSS-Reader immer noch hip sind. Früher zumindest waren sie es und ich habe noch keine äquivalente Alternative dazu gefunden.

Finde ich einen guten Blog (das passiert meist auf Twitter oder Facebook), dann abonniere ich den Blog in meinem RSS-Reader (ich nutze Reeder für Mac, siehe Screenshot).

Es ist ähnlich wie eine persönliche Zeitung, mit von mir ausgewählten Autoren. Öffne ich den RSS-Reader, dann checkt er, welche Autoren neue Artikel geschrieben haben und zeigt mir diese.

Die Artikel sind vom Schriftbild ebenfalls recht einheitlich wie bei Pocket. Kürzere Artikel lese ich gleich im RSS-Reader, längere, wenn sie spannend klingen, speichere ich in Pocket, um sie danach in Ruhe lesen zu können.

Wem das mit dem RSS-Reader zu kompliziert ist: Die meisten Blogs bieten “Abonnieren per Mail” zu (ich habe das auf meinem Blog auch installiert). So lässt sich via Mail ein ähnliches Erlebnis wie beim RSS-Reader simulieren.

3. Entdeckungs-Zeit von Lese-Zeit trennen

Wieso der Umweg über RSS-Reader oder Pocket? Wieso nicht einfach auf Twitter oder Facebook followen und die Artikel sofort lesen?

Für mich ist die Zeit auf Social Media eine Entdeckungs-Zeit und keine Konzentrations-Zeit. Das tolle an Social Media ist, dass ich mit neuen Menschen, Gedanken, etc. in Kontakt komme. Ich kann mich da von Post zu Post hangeln, sehe spannende Kommentare, kann neue Leute followen, doch das ist das Gegenteil von konzentriertem Lesen. Darum wurde es für mich wichtig, das Entdecken zeitlich vom Lesen zu trennen. Und das lässt sich mit RSS-Reader und Pocket wunderbar erreichen.

Es tut mir schrecklich leid für diesen reisserischen Titel! Lasst mich ehrlich sein: Der Artikel wird dem Titel nicht gerecht werden. Doch hätte ich einen komplizierteren Titel gewählt, würden Leute mit kurzer Aufmerksamkeits-Spanne ihn nicht zu Ende lesen. Und genau um die geht es. Oder besser gesagt um mich. Vor fünf Jahren. Im Zug.

Ich war auf dem Weg nach Hause. Ich kam von der Arbeit und hatte meinen Kopf noch voll vom Tag. Wild schwirrten Gedanken herum: Dies ist mir gelungen, da habe ich mich blamiert. Oh, hier habe ich etwas vergessen!

Diese Gedanken wären in Ordnung gewesen, wenn ich gedankenversunken aus dem Fenster gekuckt hätte. Aber ich war gerade beim Lesen eines Buches. Und ich stellte fest, dass meine wild hüpfenden Gedanken es mir gerade verunmöglichen, mich auf das Buch zu konzentrieren.

Das wäre weiter nicht schlimm gewesen, wenn dieser Tag eine Ausnahme gewesen wäre. Aber es war jeden Tag so. Statt zu lesen fuhr ich Gedanken-Achterbahn. Jeden Tag.

Ich war mir sicher, dass das Internet mich zu dem gemacht hat. Als Projektleiter in der IT-Branche werde ich täglich von Mails und Chat-Nachrichten unterbrochen. Und bei der Recherche im Internet hüpfe ich wild von einem Artikel zum nächsten, lese alles nur quer, weil mir zum Lesen des ganzen Dokuments die Zeit fehlt.

Als Vorbereitung für diesen Betrag suchte ich Artikel, welche den Zusammenhang zwischen Internet-Konsum und verkürzter Aufmerksamkeits-Spanne aufzeigen. Ich habe diese Artikel zwar gefunden, aber dafür auch solche, welche diese Theorie widerlegen (ist das Internet nicht ein toller Ort, es findet sich immer ein Autor, eine Studie, welche die eigene Theorie bestätigt!). Also lasse ich hier die Sache mit den Studien aus und betrachte das Internet vorläufig als unschuldig (obwohl ich noch immer von dessen Schuld überzeugt bin!)

Was auch immer die Ursache war, ich wollte wieder dahin kommen, dass ich ein Buch eine halbe Stunde lesen kann, ohne dabei zehnmal auf mein Handy zu kucken oder noch schnell dieses eine Mail zu verschicken, das ich heute vergessen hatte.

Ich habe daraufhin versucht, das Problem mit Meditation zu lösen. Keine Angst, es war keine buddhistische Meditation, sondern waren lediglich Konzentrationsübungen. Es ging darum, während mehreren Minuten an nichts zu denken. So hoffte ich, meine herumjagenden Gedanken zu beruhigen. Doch geholfen hat dies nicht. Abgesehen davon, dass Meditation sehr ich-bezogen ist, brachte das “Nichts-Denken” keine Besserung. Die Gedanken liessen sich so nicht in Zaum halten. Der Effekt war der gleiche, wie wenn ich den Kindern sage, sie sollten endlich ruhig sein und nicht herumzappeln. Nämlich keiner.

Mein Fahrlehrer brachte mir Folgendes bei: Falls ein Hindernis kommt, konzentriere dich nicht aufs Hindernis, sonst fährst du hinein. Konzentriere dich auf den Ausweg und du schaffst es, dem Hindernis auszuweichen. Dieser Lebensweisheit bin ich gefolgt: Ich habe mich davon verabschiedet, die Unkonzentriertheit zu bekämpfen und habe stattdessen versucht, mir Gewohnheiten anzueignen, welche konzentriertes Lesen fördern.

Hier drei Dinge, die mir geholfen haben:

Dreissig Minuten Lesen pro Tag

Ich setzte mir zum Ziel, täglich dreissig Minuten zu lesen. Jeden Abend auf der Heimreise von der Arbeit im Zug. Egal, ob meine Gedanken gerade verrückt spielten, ich las einfach weiter. Auf coach.me habe ich mich “eingeschrieben”, dass ich jeden Tag 30 Minuten lesen werde und konnte danach ein “Häkchen” setzen, als zusätzliche Belohnung.

Auswahl der Lektüre je nach Energielevel

Ich hatte Phasen, wo ich viel Energie hatte zum Lesen, da konnte ich gut auch englische Bücher lesen, oder Sachbücher. Aber ich musste mir eingestehen, dass oft die Energie dazu fehlte. Also fing ich an, Krimis zu lesen von Agatha Christie. Egal, Hauptsache 30 Minuten lesen. Meine Einsicht: je nach Phase ist eine andere Sorte von Buch dran. Es ist wichtig, sich einzugestehen, dass nicht jeden Tag ein englisches Sachbuch drin liegt.

Anpassen der Lesegeschwindigkeit

Manchmal ertappte ich mich dabei, wie ich einen Abschnitt “las”, meine Gedanken aber ganz wo anders waren. Ich las den Abschnitt nochmals, und dasselbe passierte. Was mir dann half, war den Text sehr sehr langsam zu lesen. Pro Wort eine Sekunde. Besonders bei schwierigeren Texten brauche ich diese Anlaufzeit, wo ich sehr sehr langsam lese. Nach ein paar Sätzen schaffe ich es wieder, dem Text zu folgen und kann dann ein schnelleres Lesetempo ansetzen.

Fazit

Durch regelmässige Lesen, einem guten Mix der Lektüre und Anpassen der Lesegeschwindigkeit je nach Text schaffte ich es wieder in Bücher einzutauchen und die hüpfenden Gedanken beruhigten sich.

Im nächsten Beitrag werde ich übers Lesen von Online-Beiträgen schreiben, die wie ich finde, zusätzliche Herausforderungen bergen.

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