Folge 15 von “Lesenswichtig”, einer Liste von christlichen Artikeln, die mich diese Woche bewegt haben.
Eiskönigin - eine Kritik von Disney an Disney?
Gernot Zeilinger alias “Theo-Tektiv” ist ein Youtuber, der populäre Kinofilme aus christlicher Sicht bewertet. Dabei gelingt es ihm, die Philosophien, die sie vermitteln, kritisch zu hinterfragen statt einfach abzunicken. Zum Schluss spannt er jeweils den Bogen zum Christentum, zu einer sehr klaren, direkten Botschaft des Kreuzes, und das auf eine erfrischend inoffensive, unverstaubte Weise. Seine Videos kann ich empfehlen, zumal Film-Kritiken ein guter Weg sind, um Gesellschaftskritik zu verüben oder zu zeigen, welche christliche Werte man in Filmen erkennen kann.
Vergangene Woche hat er den Disney-Film “Frozen” (Die Eiskönigin) unter die Lupe genommen, hier ein Auszug:
Das Konzept von romantischer Liebe, das wir sonst in Disney kommuniziert sehen, wird hier komplett revolutioniert. Nämlich es ist nicht der Traumprinz, der sie rettet, sondern es ist die Freundschaftsliebe, der Familienbund zwischen Anna und Elsa … Und dadurch ist der Film auf eine interessante Art und Weise erfrischend progressiv und erfrischend konservativ:
Progressiv, weil Anna und Elsa als Frauen hier als vollwertige Menschen dargestellt werden … unabhängig, ob sie einen Partner haben … unabhängig ob sie romantische Liebe finden … im Disney-Universum ist das eine erfrischende, neue Botschaft.
Konservativ, weil Elsa und Anna etwas entdecken, was ein stärkerer Bund, eine stärkere Antriebskraft ist als die romantische Liebe: die Familie, ein uralter Bund, der die Basis für aufopferungsvolle, freundliche Liebe bietet. … Elsa erkennt, dass wenn sie ihren Gefühlen freien Lauf lässt, dann wird Liebe unmöglich, weil sie ihre Werte, ihre Selbstliebe über den anderen drüber stellt. Weil sie erkennen muss, dass wahre Liebe, Freundschaft und Hingabe vollkommen ein Horror sind für Authentizität, weil Authentizität sagt: “ich definiere, wer ich bin; ich definiere, wen ich liebe und wie ich liebe”, aber Liebe erfordert meinen Blick auf den andern zu richten … und ist damit auch immer mit Selbstaufgabe verbunden.
Zum Video: Die Eiskönigin: Die ultimative Liebe und eine Disney Disney-Kritik?
Vom Kindergebären und vom Schreiben
Kristin Couch schreibt, was sie beim Schreiben erlebt. Sie schreibt sehr poetisch. Was ihr Ringen um Wörter ist, ist mein Ringen um klare Konzepte und wie ich sie am besten zum Leben erwecke.
Was sie beschrieb, hat mich emotional stark berührt, wie es sonst bei nur wenigen Texten erlebe. Sie vergleicht das Gebären eines Kindes mit dem Schreiben. Ein Auszug, übersetzt so gut es ging aus dem Englischen:
Jede Geschichte wächst in mir, ist geprägt von Unruhe, doch wird sie sicher gehalten, bis sie geboren ist. Ist sie dann draussen in der grossen weiten Welt, bin ich erleichtert und frage mich doch, was mich jemals dazu gebracht hat, sie geboren zu haben.
An jedem Stück hängt eine liebevolle Verbundenheit: die Sehnsucht, dem Leser einen guten Dienst zu erweisen, aber auch das Bedenken, ob die Worte vielleicht das Ziel verfehlt haben.
Jede Geschichte ist so einzigartig wie jedes meiner Kinder, und doch gibt es eine Ähnlichkeit, eine Gemeinsamkeit in der Stimme, so wie jedes meiner Kinder ein Abbild der familiären Ähnlichkeit in sich trägt.
Meine Geschichten entstehen, indem ich auf winzige Details achte; Fäden ziehe und miteinander verwebe; Gesprächsfetzen; das Betrachten der freien Natur; das Hören einer Wortfolge, die eine Erinnerung auslöst; das Aufspüren des Guten in den harten Ritzen des Lebens. Ich führe ein Notizbuch mit Dingen, die ich sehe, und Wörtern, die tanzen, und Geschichten, an die ich mich erinnere, in der Hoffnung, dass ich sie irgendwann zusammenmischen kann, um etwas in meinem Leser zu wecken.
Zum Artikel: On Writing
Paralleluniversen
Dr. Gerrit Hohage beginnt seinen Artikel so:
Ich bin ein alter „Trekkie“. Ich habe „Raumschiff Enterprise“, „Star Trek: Next Generation“ und „Deep Space 9“ von Kindesbeinen an gefeiert. In manchen Folgen kommt ein „Paralleluniversum“ vor – eine fast astrophilosophisch anmutende Idee, nach der es nicht nur eines (nämlich unseres), sondern eine unendliche Zahl von Universen gibt, die fortwährend dadurch entstehen, dass bei jedem quantenmechanischen Vorgang (Entscheidungsprozess) mit mehreren Ausgangsmöglichkeiten jede dieser Möglichkeiten auch eintritt und sich dabei jeweils eine eigene alternative Realität in einem Paralleluniversum bildet.
Und stellt fest, dass unsere Welt (sowie die Gesellschaft wie auch die Welt des Christentums) genauso in verschiedene Universen unterteilt ist, die sich so sehr voneinander entfernt haben, dass sie nicht mehr miteinander kommunizieren können:
Viele Gigabytes an Internet-Diskussionen und Myriaden Gigaflops an Rechen- und an Lebenszeit gehen dabei verloren, genau diese Problemlage dadurch zu lösen, dass einer versucht, den anderen von der Gültigkeit seiner eigenen Anschauung zu überzeugen. Die meisten dieser Versuche (auch der verunglückten!) sind, wie ich glaube, von der ernsthaften Hoffnung getragen, dass der andere anfängt, so zu denken wie ich und dadurch die gemeinsame Wahrheit und die gemeinsame Sprache wiedergewonnen werden kann – und viel Frustration, Enttäuschung und Wut entsteht an der nachhaltigen Erfolglosigkeit dieser Versuche. Ich bin inzwischen der Überzeugung, dass diese Versuche gar nicht mehr erfolgreich sein können, weil wir im Bewusstsein unserer Gesprächspartner kein ausserhalb unserer eigenen Subjektivität liegendes Kriterium mehr anbieten können, um zu entscheiden, welche der vielen Wahrheiten unserer Welt wirklich wahr sind.
Er empfiehlt daher, die Welten so stehen zu lassen. Jesus ist in jedem dieser Universen präsent, daher ist es sinnvoller, Jesus zu verkündigen, als andere von der eigenen Weltsicht zu überzeugen:
Jesus Christus sagt: „Ich bin das Licht der Welt. Wer mir nachfolgt, er wird nicht wandeln in der Finsternis, sondern er wird das Licht des Lebens haben“ (Johannes 8,12). Jesus sagt nicht: Das Licht deiner oder seiner Welt, sondern der Welt – das Licht des Multiversums. Ich glaube, dass Jesus in jedem dieser Paralleluniversen irgendwie gegenwärtig ist. Das befreit mich von dem Druck, meine Gesprächspartner erst aus seinem Universum in mein Universum „entführen“ zu müssen, um ihnen Jesus zeigen zu können.
Ein spannender Artikel, hat mich gerade wegen dem “Raumschiff Enterprise”-Bezug angesprochen.
Zum Artikel: Paralleluniversen
Stott on the Christian Life
Letzten Dienstag wäre John Stott hundert Jahre alt geworden. In der vergangenen Woche habe ich viele Artikel über Stott gelesen, am meisten bewegt hat mich ein Bericht von Ron Kubsch:
So wie Tim Chester (vgl. S. 11) bin auch ich als junger Mann John Stott mehrfach begegnet. Einmal habe ich ihn am Flughafen in Frankfurt am Main mit dem Auto abgeholt und ihn zusammen mit Alfred Kuen und einem anderen Theologen, dessen Namen ich vergessen habe, zu einer FEET-Tagung gebracht. Während der Gespräche im Auto hat mich Stotts Weisheit und Klarheit so gefesselt, dass ich mich verfahren hatte. So konnte ich länger als geplant zuhören und mitstottern. Als Praktikant war ich damals dafür zuständig, die Konferenzvorträge auf Magnetband aufzunehmen. Eines Tages kam John Stott bei mir vorbei, bedankte sich noch einmal für meinen Chauffeurdienst und verwickelte mich in ein kurzes Gespräch über mein eigenes Leben. Mir erging es exakt so wie Tim Chester: „Diese kurze Begegnung machte einen grossen Eindruck auf mich. Stott […] hatte einen unbeholfen aussehenden Teenager gesehen, der allein stand, und er hatte es auf sich genommen, dem jungen Mann das Gefühl zu geben, willkommen zu sein“ (S. 11). Falls mich meine Erinnerung nicht täuscht, war Stott der einzige Konferenzteilnehmer, der sich für mich interessierte.
Dieser Auszug ist erst ganz am Schluss des Artikels. Im Artikel selbst gibt Ron Kubsch einen guten Überblick über Stotts Lebenswerk (das mir immer noch neu ist, aus irgendwelchen Gründen ist mir der Name John Stott erst seit Kurzem ein Begriff…)
Zum Artikel: Stott on the Christian Life - Rezension von Ron Kubsch
Sich kommentarlos mit der Bibel auseinandersetzen
Sergej Pauli ruft dazu auf, sich selbst mit der Bibel auseinanderzusetzen, ohne sich zuerst bei Expertenmeinungen abzusichern. Ein paar Auszüge:
Ich denke, das man heute über Hermeneutik so reden kann, dass der Eindruck entsteht, dass es eigentlich kaum möglich ist, die Bibel zu verstehen, und dass man zunächst unzählige hermeneutische Werkzeuge beherrschen muss, in die Kulturgeschichte zu investieren hat und eigentlich so wieso immer auf Experten angewiesen ist.
Mich zumindest bewegt und verändert dieses Thema wie kein zweites. Im Grunde ist es gar Grundlage meiner ganzen Bloggertätigkeit aber reicht noch viel weiter: So haben wir als Familie zunehmend Andachtsbücher reduziert und lesen direkt die Biblischen Geschichten. Es entstehen dann so häufig lebensverändernde Gespräche, dass wir vor dem Segen des Herrn nahezu erschlagen sind.
Ich denke, das Thema ist heute auch im Evangelikalismus unter Beschuss. Zu viele bauen auf die Privatmeinungen von Experten. … Dass die Schrift klar ist, ist für mich auch eine Ermutigung, sich eindeutig festzulegen. Das oder jenes darf das sein, was wir gelesen haben und es bedeutet auch. Ist die Bibel klar, kann ich sie auch verstehen und Lehraussagen klar formulieren. Wohlgemerkt kann bei mir als sündigem Empfänger der Botschaft ein “Rauschen drauf” sein. Aber sich aufgrund der Klarheit der Schrift und nicht aufgrund eigener Expertise festzulegen, bedeutet eben gerade, dass man verbesserbar und korrigierbar bleibt.
Zum Artikel: A Clear and Present Word - Ein Plädoyer für die Klarheit der Schrift von Mark D. Thompson