#Habits

Über Vielschreiber

Aus Stephen King: On Writing

Es gibt Autoren wie Anthony Trollope. Er schrieb riesige Romane, und er brachte sie mit erstaunlicher Regelmäßigkeit heraus. Tagsüber arbeitete er als Angestellter bei der britischen Post (die roten öffentlichen Briefkästen in ganz Großbritannien waren Anthony Trollope’s Erfindung); er schrieb jeden Morgen zweieinhalb Stunden, bevor er zur Arbeit ging. Dieser Zeitplan hielt er eisern ein. Wenn er nach den zweieinhalb Stunden mitten im Satz war, ließ er diesen Satz bis zum nächsten Morgen unvollendet. Und wenn er zufällig eines seiner sechshundertseitigen Schwergewichte beendete und noch fünfzehn Minuten zur Verfügung hatte, schrieb er “Das Ende”, legte das Manuskript beiseite und begann mit der Arbeit am nächsten Buch.

Über Schreibblockaden

Aus Seth Godin: This is Marketing

Gewohnheiten eignet man sich an, indem man etwas jeden Tag tut. Erst dann bekommt man Lust, es zu tun. […]
Ich bin berüchtigt dafür, dass ich sage, dass es so etwas wie eine Schreibblockade gar nicht gibt. Es gibt jede Menge Beweise dafür, dass das Wort um 1900 erfunden wurde. Davor gab es nicht einmal einen Begriff dafür. Das Wort entstand, weil Percy Shelley einen kurzen Aufsatz schrieb, in dem er sagte: “Wie kann es jemand wagen zu denken, er könne ein Dichter sein? Der einzige Weg, wie man ein Dichter werden kann, ist, von der Muse berührt zu werden.” […]
Und das wurde von Leuten aufgegriffen, die sich wohl fühlten, eine Schreibblockade zu haben, aber dann wurde es zu einem Begriff, weil man durch das Schreiben plötzlich Ernest Hemingway sein konnte, und man starrt in den Sonnenschein und blinzelt, man geht weg und denkt: “Ich bin einfach nicht in der Stimmung, ich habe nichts zu sagen.”
Aber: Wenn ich mit Leuten rede, die behaupten, sie hätten nichts zu sagen, sie hätten eine Schreibblockade, dann sage ich: Zeig mir deine schlechten Texte. Zeig mir das, was du geschrieben hast, das nicht gut ist. Sie haben nichts!

Besser regelmässig mittelmässig als selten perfekt

Dieses Zitat ist über die Fotografie, lässt sich aber eins zu eins aufs Schreiben übertragen.

Aus “James Clear, Atomic Habits

Am ersten Unterrichtstag teilte Jerry Uelsmann, Professor an der Universität von Florida, seine Studenten der Filmfotografie in zwei Gruppen ein.
Alle auf der linken Seite des Klassenzimmers, so erklärte er, wären in der “Quantitäts”-Gruppe. Sie würden ausschließlich nach der Menge der produzierten Arbeit benotet. Am letzten Tag des Kurses zählte allein die Anzahl der eingereichten Fotos: Hundert Fotos würden mit A bewertet, neunzig Fotos mit B, achtzig Fotos mit C und so weiter.
Alle auf der rechten Seite des Raums gehörten zur “Qualitäts”-Gruppe. Sie würden nur nach der Qualität ihrer Arbeit bewertet werden. Sie mussten nur ein einziges Foto während des Semesters produzieren, aber um eine A zu bekommen, musste es ein nahezu perfektes Bild sein.
Am Ende des Semesters stellte er zu seiner Überraschung fest, dass die besten Fotos alle von der “Quantitäts”-Gruppe produziert wurden. Während des Semesters waren diese Studenten damit beschäftigt, Fotos zu machen, mit Komposition und Beleuchtung zu experimentieren, verschiedene Methoden in der Dunkelkammer auszuprobieren und aus ihren Fehlern zu lernen. Indem sie Hunderte von Fotos machten, verfeinerten sie ihre Fähigkeiten. Währenddessen saß die Qualitätsgruppe herum und spekulierte über Perfektion. Am Ende hatten sie außer unbewiesenen Theorien und einem mittelmäßigen Foto wenig vorzuweisen.

Oft habe ich das Gefühl, die Bibel zu lesen, mich mit Jesus’ Weg zu identifizieren, aber nur wenig schafft es in meinen Alltag. Die Bergpredigt endet mit der Aufforderung, Jesu Worte zu tun und nicht bloss zu hören, denn nur so kann ich mein Leben auf Fels bauen.

Das drängt mich, stets neue Wege zu suchen um das Gelernte im Alltag umzusetzen. Beim Lesen von Charlotte Masons Homeschooling-Reihe sind mir “Habits” (Deutsch: Gewohnheiten) immer wichtiger geworden. Daher bin bezüglich Habits hellhörig geworden. “Atomic Habits” (Deutsch: “die 1% Methode”) wurde mir von verschiedenen Seiten empfohlen (es ist auch auf so vielen Bestenlisten, das lässt sich derzeit schwerlich übersehen).

Zur Kritik am Buch (und generell an Self-Help-Bücher)

Am Anfang will ich etwas loswerden, dass mich super gestört hat. Keine Angst, das Buch ist gut, und ich empfehle es trotz meiner Kritik.

Atomic Habits ist ein typisches Self-Help-Buch. Der Grundton ist Selbst-Verwirklichung: Finde dein Potential und setze es konsequent um, so wirst du garantiert Erfolg sehen. Ich habe über die Jahre zu viele Bücher gelesen (leider auch viele christliche), welche versprechen, dass wenn ich ihre Methode konsequent anwende, sich immer Erfolg einstellt.

Genau so verspricht es auch Atomic Habits: Englische Radrennfahrer waren seit Jahren Schlusslicht. Dann, nur wenige Jahre konsequentes Anwenden dieser Methode und schon gewinnen sie die Tour de France in Serie. Der Autor fängt ein Blog an und schreibt innerhalb weniger Jahre für die New York Times.

Mein Rat: Falle nicht auf diese Versprechen rein. So viel habe ich in meinem Leben schon herausgefunden: In der Welt verhält es sich nicht so. Es widerspricht ausserdem einer der Grundaussagen der Bibel: die Welt ist gefallen. Seit dem Sündenfall ist Arbeit mühsam und wirft nicht die erhofften Früchte ab. Und zudem nimmt der Tod am Ende alles weg.

Was James Clear auslässt: wie gehe ich mit Frust um, wenn es nicht funktioniert? Wann lohnt es sich, aufzugeben? Seine einzige Antwort: “try harder”. Das stimmt aber einfach nicht. Aufgeben ist durchaus eine Option, wenn auch eine schmerzhafte.

Jedes Buch kommt in einer “Philosophischen Verpackung”, bei Atomic Habits ist es der “American Dream”: wer hart arbeitet, der wird es zu etwas bringen. Mein Rat daher: trenne die Verpackung vom Inhalt, dann lässt sich daraus einiges lernen

Was habe ich davon gelernt?

Jetzt, da ich die Kritik losgeworden bin, kann ich sagen: das Buch hat viel bei mir ausgelöst. Die Schreib-Produktivität auf meinem Blog ist direkt darauf zurück zu führen. Hier eine lose Liste von guten Ideen aus dem Buch:

  • Bewertung von Habits: Schritt Eins: Betrachte dich, auf welche Situationen reagierst du wie? Fange an die Reaktionen zu bewerten (ohne sie gleich zu verändern)
  • Konkreter Umsetzungs-Plan: Überlege, wo und wann du damit beginnen willst. Das ist die effektivste Methode
  • Selbstbeherrschung wirkt nur kurzfristig und braucht viel Energie. Längerfristig funktioniert ein Wechsel der Umgebung. Beispiel aus dem Buch: Drogen-Abhängige kommen nach dem Entzug in ihre gewohnte Umgebung zurück und die Selbstbeherrschung ist zu klein, so dass sie zurück in die Sucht fallen. Wird die Umgebung auf lange Sicht gewechselt, so ist der Erfolg wahrscheinlicher. Persönliches Beispiel: im Zug Lesen, wenn Leute nebenan schwatzen: funktioniert zwar, braucht aber sehr viel Energie, besser ist die Kopfhörer aufzusetzen und Musik zu hören
  • Umgebe Dich mich Vorbildern: «One of the most effective things you can do to build better habits is to join a culture where your desired behaviour is the normal behaviour» dafür hat uns Gott die Gemeinde gegeben. Und Biographien.
  • Wiederholung ist wichtiger als Recherche: das Wichtigste der Habits ist “to show up”, auch wenn du nur 2 Minuten dran bist: «the point is to master the habit of showing up» Persönliches Beispiel: beim Blogschreiben ist es wichtig, täglich zu schreiben. Mindestens ein Satz. Vor allem wenn die Habit schwierig erscheint: sage Dir, dass es nur für 2 Minuten ist, dann ist es Einfacher zu beginnen. Danach macht du es sowieso mehr als 2 Minuten, weil der Mensch von Natur aus eine angefangene Tätigkeit weitermachen will. «If you want to master a habit, the key is to start with repetition, not perfection»
  • Langeweile aushalten: die Regelmässigkeit stellt sich nur ein, wenn du Habits an guten wie schlechten Tagen verfolgst. Habits lassen sich auslassen (Krankheit, besondere Umstände), lass eine Habit aber nicht mehr als einmal aus

Und zum Schluss eine Warnung und Zitat von Paul Graham: «keep your identity small». Die Gefahr ist, dass ich Habits zu strikt verfolge (und da ist James Clear erfrischend ehrlich!), dass ich darüber definiere und plötzlich das Ego im Zentrum steht. Ursprünglich war das Habit Weg zum Ziel, plötzlich wird es zum Ziel selbst.

Ich will mir klarmachen, dass es nicht um mich geht. So hoffe ich, dass die Optimiererei sich nicht in einen Rausch verwandelt. Und sonst wird meine Familie mir das schon vorhalten, zumindest ist das meine Erfahrung.

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