Ein beliebter Angriffspunkt der Bibel ist die Kindheitsgeschichte von Jesus: Eine Volkszählung hätte es nie gegeben, der Kindermord von Herodes wäre sonst nirgends dokumentiert, die Flucht nach Ägypten und die Sterndeuter aus dem Osten seien auch erfunden. Das Argument der Kritiker: die Geschichten seien nachträglich eingefügt worden, damit Jesu’ Leben alle Prophezeiungen im Alten Testament erfülle.

Klaus Berger geht in seinem Buch “die Bibelfälscher” auf alle Argumente ein und argumentiert gekonnt, wieso es nicht abwegig ist, dass sich alles so zugetragen hat.

Die Kindheitsberichte als Legenden zu bezeichnen findet er historisch nicht nachvollziehbar:

Die Kindheitsberichte in Mt und Lk als Legenden zu bezeichnen ist ein Anachronismus, denn Legenden sind erbauliche Tischlesungen in mittelalterlichen Klöstern. Die Zeit Jesu kennt derartige Lesungen nicht, sondern stellt vor die Alternative, etwas entweder für eine Lügengeschichte oder für einen mehr oder weniger gut bezeugten Erfahrungsbericht zu halten.

Weiter kontert er geschickt gegen die Argumente, dass die Evangelien in sich selbst widersprüchlich sind:

Wenn aber der Leser des [Matthäus-]Evangeliums mit der Auskunft »bedient« wird, der Evangelist habe sich auf kürzestem Raum in heillose Widersprüche verstrickt, dann war der Evangelist entweder dumm oder betrügerisch, oder er hatte recht. […] Anders als Juristen lässt man nicht die Unschuldsvermutung bis zum Beweis des Betrugs gelten, sondern man lauert auf die Indizien, um zuzuschlagen. Selbst das geringste Indiz genügt vollauf. Dann ist der Evangelist bereits »erledigt«. Das Verfahren der Forschung erinnert an einen gerade in der Entstehung begriffenen Beruf, der »Plagiatsnachweisführer für Politikerdissertationen«. Das ist kein Sport, wie oft gesagt wird, sondern ein (auch, wie man hört, bezahlter) Job, der deshalb so erfolgreich ist, weil der geringste Verdacht in der Regel genügt, um eine Person zum »Kippen« zu bringen.

Klaus Berger geht in seinem Buch “die Bibelfälscher” auf die historisch-kritische Jesusforschung ein. Diese Forschung hat sich zum Ziel gesetzt, nun mal wirklich herauszufinden, was denn an Jesus wahr ist und was nicht. Doch statt dass dabei etwas Erbauendes herausgekommen ist, ist nur alles in sich zusammengefallen. Am besten beschreibt dies James Pike, als er über sein Theologie-Studium sagte:

Ich erwartete und verlangte nach Brot; aber als ich meinen Abschluss machte, blieb ich mit nichts weiter als einer Handvoll Kieselsteine zurück
(aus “Die große Anpassung” von Francis Schaeffer)

Klaus Bergers Buch befasst sich hauptsächlich mit den Behauptungen der vier Phasen der Jesusforschung. Er geht auf Argumente von Albert Schweitzer, Rudolf Bultmann, John Crossan etc. ein und widerlegt sie gekonnt. Dabei zeigt die Offensichtlichkeit auf, dass diese Forschung in eine Sackgasse geraten ist, weil die Ursprungsfrage falsch gestellt war:

Bedenklich ist das Kriterium, nur bei den Worten Jesu sei der Überlieferung zu trauen, nicht bei den Geschichten. […] Niemand kommt auf die Idee, hier einmal die Methoden selbst zu kritisieren oder zu hinterfragen - oder schlicht zu fragen, ob bei einer solchen Ergebnislage nicht einige Anfragen an die Methode überfällig sind. Nein, ich weigere mich, aufgrund der Hypothese zu den Quellen der Evangelien dann strikt nach der Subtraktionsmethode vorzugehen und alles abzuwerten, was der eine mehr hat als der andere. Das ist nichts weiter als eine zum Selbstläufer gewordene Ideologie. Dazu gehört zum Beispiel die Frage nach dem Wert oder Unwert der Stücke, die Matthäus mehr hat als Markus. Ist das alles wertlos, weil sekundär, weil man davon ausgeht, dass Matthäus sich das alles - natürlich grundlos - ausgedacht habe? […]

Schon Albert Schweitzer hatte die drei großen »Entweder-oder« der Jesusforschung freigelegt, denn das entstehende Jesusbild sei dann »entweder rein geschichtlich oder übernatürlich«. Das Ergebnis sei eine rein geschichtliche Antwort der Forschung.

Die Untersuchung [dieser] geschilderten Probleme hat über mehr als zwei Jahrhunderte hin kein Ergebnis gebracht. Noch nicht einmal im Ansatz wurden konsensfähige Kriterien entwickelt. […] Es könnte daher sein, dass die Frage echt/unecht nicht nur unbeantwortbar, sondern überdies falsch gestellt ist. […] Ich finde es erschreckend, wie eine doch einigermaßen gut bestückte und international wichtige Forschung sich freiwillig in den Bannkreis einer einzigen verfehlten Fragestellung hineinzwingen lässt.

Der extremste Auswuchs dieser Forschung ist wohl das Jesusseminar. Es ist einfach traurig, dass sich Theologen lieber mit solch unsinnigen Themen beschäftigen und dabei Jesus selbst verpassen.

Klaus Berger greift in seinem Buch “die Bibelfälscher” die Auswüchse der Aufklärung scharf an.

Ich hatte vor zwei Monaten ein Gespräch mit einem liberalen Christen, und dabei kamen wir auf das Thema Homosexualität zu sprechen. Ich war überrascht, in welcher Intensität er für die Homosexualität in der Kirche sprach. Ich fragte ihn, was er denn mit Stellen wir Römer 1,27 mache, und der meinte dann, dass sowieso vieles der Bibel nicht stimme.

Ich war irgendwie überrascht. Aber irgendwie doch nicht: Denn wie sonst soll man Modethemen wie Homosexualität mit dem Glauben vereinbaren, als wenn man behauptet, »es stimme ja sowieso alles nicht«.

Ich verstehe ja, dass es herausfordernd ist, entgegen der Auffassung der Mehrheit eine andere Meinung zu haben. Die Versuchung ist groß sich der Mehrheitsmeinung zu unterwerfen und dafür zu behaupten, die Bibel stimme nicht. Klaus Berger meint dazu:

Meine grundsätzliche Anfrage richtet sich vielmehr darauf, ob es stets nur die Texte sind, mit denen etwas nicht in Ordnung ist, wenn Menschen unserer Zeit Schwierigkeiten mit ihnen haben. Es könnte sich ja auch ebenso um Defizite in unserer Wahrnehmung handeln. Dann wäre diese lückenhaft und möglicherweise zu kritisieren, und nicht zuallererst der wehrlose Text.

Man glaubt weithin, gegen diese kritische Anfrage immun zu sein, da man seit den Zeiten der Philosophie Hegel einem unausgesetzten Fortschrittsglauben huldigt. Auch durch die Katastrophen des Ersten und Zweiten Weltkriegs wurde dieser Glaube nicht berührt. Die Wissenschaftler meinen, unbezweifelbar sei in jedem Falle der Fortschritt der Vernunft, hinter den man nicht zurückfallen dürfe.

Klaus Berger greift in seinem Buch “die Bibelfälscher” die Auswüchse der Aufklärung scharf an. Drei Zitate:

Die historisch-kritische Exegese, die in diesem Buch heftig kritisiert wird, gilt gemeinhin als Kind der Aufklärung. […]

Berger erklärt treffend das Problem der Aufklärung: Es ist die Verehrung der Vernunft ohne jede Grenzen:

Eine kluge Vernunft müsste nämlich ihre Grenzen wahmehmen können, die jedenfalls dann überschritten werden, wenn der einzelne Vernunftbegabte vergisst, dass er auch nur Geschöpf ist.

Er zitiert dazu Gertrud von der Fort, ein Satz den ich etwa dreimal lesen musste denn er widerspricht dem Kern der heutigen Weltanschauung:

»Ich will euer Herz zur Freiheit aufrichten wider alle Sklaven der Vernunft.«

Klaus Berger - die Bibelfälscher. Eine Kritik an der liberalen Bibelauslegung

Klaus Berger hat mit “die Bibelfälscher“ eine Verteidigung gegen eine liberale (“kritische”) Interpretation der Bibel geschrieben. Er schreibt:

War die Antwort meiner Klassenkameraden auf das Christentum noch: »Ich kann es nicht glauben« (bis 1960), so lautet die Antwort heute: »Es stimmt ja sowieso alles nicht«

Systematisch widerlegt er die Einwände der liberalen Theologen, die Bibel stimme ja doch nicht (ich habe bei der Review zur Zürcher-Bibel schon etwas zur historisch-kritischen Methode geschrieben).

Sein Titel ist etwas irreführend. Er klingt als behaupte er, dass die Bibel in der heutigen Form gefälscht sei (was seine Gegner behaupten). Er bezeichnet aber die liberalen Theologen als “Bibelfälscher”: Er wirft ihnen vor, dass sie der Bibel Falschheit vorwerfen und so etwas was richtig ist zum Falschen verdrehen.

In den folgenden Tagen werde ich einige markante Zitate aus dem Buch hier auf dem Blog veröffentlichen. Heute ein Zitat von Berger, wo er gekonnt argumentiert, dass falls die Bibel historisch nicht stimmen würde, dass der Glaube in sich selbst zusammenfällt:

Die Auskunft »War gar nicht«, »Ist gar nicht passiert«, »Ist nur eine Legende« war die häufigste bei der Beschäftigung mit der »biblischen Geschichte«, jenen Ereignissen also, die für die Aussagen des Credo die Basis bilden, denn biblische Religion ist nun einmal eine Religion, die auf Tritt und Schritt am Tropf der Geschichte hängt. Daher scheitern immer wieder alle Versuche, die aus der Bibel eine handliche Philosophie machen wollen und die Einbahnstraßen und Umleitungen der Geschichte scheuen.
Denn wie man es auch dreht und wendet, in irgendeinem Sinne bleibt der Bibelgelehrte immer Historiker. Der Verlust der Historie unter den Füßen brachte zuwege, dass die Theologie in Deutschland in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts hin- und hergeworfen war zwischen Sozialismus, Maoismus, Öko-Pazifismus, Feminismus und grundlegender Staatskritik […] sowie diversen Spielarten der Befreiungstheologie. […] Die Verknüpfung von Glaube und Geschichte in der Exegese ist deshalb wichtig, weil dieser Glaube dann auch wieder Wirken, Auswirkungen in der Geschichte verlangt. - Indem aber die Geschichten, welche die Texte je und je erzählten, abgebaut und zerkrümelt wurden, schlichen sich neue Grundgeschichten ein. Im Ergebnis wurden die Leser über die Geschichte getäuscht. Die Basis des Credo wurde je und je umgetauscht, der historische Text nur noch als Allegorie gelesen. Wer zum Beispiel die Geschichte von David, Bethlehem und dem Messias als Davids Sohn nicht hören will, schiebt an dieser Stelle eine andere Geschichte ein, über die er dann an Weihnachten zum Weihnachtsevangelium predigt, nämlich etwa die von proletarischen Bauern, die sich zum vorletzten Aufstand erheben.

Mein Vorsatz für 2014 war das Lancieren dieses Blogs mit einem Beitrag pro Woche. Auf 22 Blogposts habe ich’s gebracht (ich hatte den Aufwand grob unterschätzt!)

Was daraus gewachsen ist, war für mich das Spannendste meines letzten Jahres. Dies vor allem wegen drei grossartigen Menschen:

Thomas Reiter von “Logos”

Mein Blog war gerade mal drei Monate alt und ich hatte 4 Beiträge über Bibelübersetzungen geschrieben, da Tweetete mich Thomas Reiter an und fragte mich, ob ich für den Logos-Blog schreiben wolle. Er stellte mir ein Logos-Paket in Aussicht wie auch die Möglichkeit, mit anderen christlichen Bloggern zusammenzuarbeiten. Vor allem Letzteres interessierte mich sehr und so liess ich mich auf den Deal ein.

Thomas ist verantwortlich, Logos deutsch zu machen. Dazu ist er mit vielen Bibelgesellschaften und Verlagen im Kontakt und hat schon Beachtliches erzielen können (bald sind Schlachter wie auch NGÜ auf Logos verfügbar).

Er versteht es, Leute zusammenzubringen. So hat er eine tolle Community von 5 deutschen Bloggern aufgebaut. Sein Versprechen, dass ich mit anderen christlichen Bloggern in Kontakt komme, hat er mehr als eingelöst. Danke Dir, Thomas!

Benjamin Misja von der “Offene Bibel”

Einer der 5 Logos-Blogger ist Benjamin Misja. Er hat Theologie studiert und ist Mitinitiant der “Offenen Bibel“, einem Projekt, wo jeder an einer Bibelübersetzung mitarbeiten kann.

Bevor ich neue Blog-Posts auf dem Logos-Blog veröffentliche, gibt Ben mir Input über Google Docs, (Google Docs ist genial dafür, ich kann es jedem wärmstens empfehlen). Wir haben regelrechte Review-Sessions, wo Ben Anmerkungen macht, ich darauf antworte und wir dann gemeinsam den Text fertig schleifen.

Ben hat ein tiefes Theologie-Wissen und ist auch sprachlich sehr gewandt (er bloggt auf biblio-blog.de, leider viel zu wenig ;-)) Ben hat sich schon viele Stunden Zeit genommen, um meine Texte zu verbessern. Dabei habe ich von ihm viel betreffend Textfluss wie auch theologische Begriffe gelernt, danke Dir, Ben!

Eduard Klassen vom Folgen-Verlag

Eddi betreibt zusammen mit Alexander Rempel seit einem Jahr den “Folgen-Verlag” (hier die Geschichte wie der Verlag entstand und hier die Story wie Alexander Rempel den nimm-lies-Blog vom Tod bewahrt hat).

Eddi ist Viel-Leser (ich verstehe immer noch nicht, wie man es schafft, ein Buch pro Woche zu lesen und dann erst noch eine Rezension darüber zu schreiben), erstellt selbst ebooks und hat Kontakte zu Verlagen. Ich kenne Eddi auch über den Logos-Blog. Als ich ihm meine Hilfe angeboten hatte beim Editieren der Menge-Lese-Bibel, hatte er mir einiges erklärt: Wie christliche Verlage funktionieren, ihre Mühen mit ebooks und auch wie man ebooks erstellt. Dieses Wissen konnte ich nutzen und habe von der deutschen Übersetzung meines Lieblingsbuchs - John Pipers’ Desiring God - eine ebook-Version erstellt, welche in den nächsten Tagen beim 3L-Verlag herauskommen wird. Danke Dir Eddi für alles!

Honorable Mentions

Weiter danke ich…

  • Vladislav Melnik und Walter Epp für tolle Blogger-Ratschläge wie z. B. diesen, diesen und diesen.
  • Irene, meine Frau, für das kritische Lesen meiner Texte. Mit zwei pointierten Sätzen Input hat sie mich dazu gebracht, nochmals 2 Stunden in einen Text zu investieren. Sie sollte eigentlich zuoberst stehen, aber ich kann sie nicht verlinken, da sie (noch) keinen Blog hat :-)

12 Angry Men: erste Abstimmung - 11 dafür, nur 1 dagegen

Ich habe mir letzte Woche “12 Angry Men” angeschaut. Gleich zwei Mal. Kein anderer Film zeigt so gut auf, wie man Andere überzeugen kann.

Als Christ bin ich in Diskussionen meist in der Unterzahl, denn meine Ansichten sind nicht populär, sie decken sich nicht mit der Mehrheitsansicht. Dies macht das Verkündigen des Evangeliums umso schwerer. Ich empfinde das als ein recht schwieriges Unterfangen, und daher hatte mich der Inhalt des Films angezogen.

Film nicht gesehen? Zusammenfassung in 60 Worten

Ein Jugendlicher ist des Mordes angeklagt. Eine 12-Köpfige Jury muss einstimmig entscheiden, ob der Junge schuldig ist. Ist er schuldig, dann wird er hingerichtet. Anfangs sind elf Männer für die Hinrichtung, nur einer - Juror 8 - ist dagegen. Dieser eine Juror schafft es, gegen den Spott und die Vorurteile der Anderen anzukommen und überzeugt der Reihe nach alle, bis schlussendlich die zwölf einstimmig zum Entschluss kommen: “not guilty”.

Einsicht 1: “Mehrheitsentscheide” sind nicht endgültig

Juror 8 ist als Einziger für 'not guilty' - zum Ärgernis aller Anderer

Am Anfang sind sich die elf anderen einig: Der Junge ist schuldig. Auch im Prozess davor wusste der Verteidiger den Jungen nicht recht zu helfen. Und nun ist da Juror 8, der behauptet das Gegenteil, und das mit Erfolg. Er macht dies so:

Juror 8: Können sie [die Zeugen] sich irren?
Anderer: Was wollen Sie damit sagen? Sie sagten unter Eid aus.
Juror 8: Sie sind nur Menschen. Menschen machen Fehler. Können sie sich irren?
Anderer: Hm, nein, ich denke nicht.
Juror 8: Wissen Sie es?
Anderer: Oh, ich bitte Sie. Niemand kann so was wissen. Das ist keine exakte Wissenschaft.
Juror 8: Das ist richtig. Das ist es nicht.

In einer demokratischen Gesellschaft scheint es als ein unerschütterliches Grundprinzip, dass die Mehrheit recht hat. Ich als Christ bin in der Minderheit, wenn es um Themen geht wie “homosexuelle Ehen” oder Abtreibung. Wenn ich mit jemandem aus der “Mehrheit” diskutiere, werde ich irgendwann mit dem Argument konfrontiert, dass es gar nicht sein kann, dass die Mehrheit im Unrecht liegt. Und in diesem Moment hilft nur dieses eine Argument: “Können sie sich wirklich nicht irren?”

Einsicht 2: Wer sich aufplustert, überzeugt nicht

Laute Rede ohne gute Beweisführung - alle wenden sich von dem einen aufgeplusterten Juror ab

Im Film bringen zwei Männer Phrasen wie “wir wissen, dass…”, “wir dürfen nicht zulassen, dass…”, “es ist ein Fakt, dass” etc. Dabei wirbeln sie ihre Zeigefinger durch die Luft. So täuschen sie Sicherheit vor. Sobald andere auf den Grund ihrer Sicherheit gehen wollten, kommen Trugschlüsse oder unbegründete Annahmen zutage. Ihr Grund beginnt zu wackeln und die Anderen verlieren jegliches Vertrauen in ihre Beweisführungen. Am Schluss ging es sogar so weit, dass sich alle von einem der Juroren abwandten, da seine Rede schlicht untragbar war.

Juror 8 aber schoss nicht über das Ziel hinaus. Er trat immer nur so stark auf, wie er sich selber sicher war. Am Anfang gab er offen zu, dass sein Verdacht auf Unschuld nur ein Bauchgefühl war. Auch später, als er schon einige überzeugen konnte, blieb er stets bescheiden. Diese Szene, ziemlich am Schluss, fand ich persönlich sehr stark:

Juror 8 (nachdem sich alle von einem anderen Juror abgewendet hatten):
Es ist immer schwierig, in einer solchen Sache persönliche Vorurteile aussen vor zu lassen.
Egal wo, Vorurteile verschleiern immer die Wahrheit.
Ich weiss nicht wirklich, was die Wahrheit ist.
Ich denke niemand wird es wirklich wissen.

Wir spielen hier mit Wahrscheinlichkeiten.
Wir könnten falsch liegen.
Wir könnten einen schuldigen Mann freisprechen.
Ich weiss es nicht.
Niemand kann es wirklich wissen.
Und das ist was. Das ist sehr wertvoll in unserer Gesellschaft.

Er zeigt seine Unsicherheit. Er geht nicht weiter als er tatsächlich weiss.

Meine Einsicht: Als Christ bin ich glaubwürdiger, wenn ich meine Unsicherheit zeige. Statt “es ist so” werde ich in Zukunft sagen: “Das ist die plausibelste Erklärung, die ich kenne”. Wenn ich offen lege, dass es eine kleine Wahrscheinlichkeit gibt, dass ich falsch liege, dann zeige ich, dass ich aufgrund nachvollziehbaren Argumenten zu meinem Standpunkt kam. Diese Art zu sprechen ist einladender, das Gegenüber wird sich eher öffnen und eine konstruktive Diskussion ist möglich.

Einsicht 3: An den Einzelnen appellieren

Der letzte Juror taumelt bei der Rekapitulation der eigenen Argumente

Juror 8 stand ziemlich lange alleine da. Er wies auf einige Ungereimtheiten hin, aber niemand ging mit. Darauf angesprochen, dass er mit seiner Art die anderen nur versäume, fragte er nach einer “verdeckten Abstimmung”. Falls jemand mit ihm mitgeht, dann wolle er die Sache ausdiskutieren. Falls nicht, dann ziehe er seine Einwände zurück. Ein mutiger Schritt (wenn auch ein kalkulierter), und doch war es der einzige gangbare Weg. Er wusste, dass wenn die Anderen sich nicht überzeugen lassen, dann ist es ein “lost case” und auch die besten Argumente werden nur eine Zeitverschwendung sein.

Durch die “verdeckte Abstimmung” erreichte Juror 8, dass sich jeder für sich selber überlegen musste, was er dachte. Der Einzelne konnte sich nicht mehr in der Masse versteckten in der Hoffnung nicht aufzufallen. Nachdem er einen Verbündeten gefunden hatte, fragte er immer mal wieder jemanden ganz direkt, ob ihn die Argumente nicht umstimmen würden. Nach und nach merkten die Juroren, dass sie ja eigentlich keine Argumente mehr dagegen nennen konnten. Ganz zum Schluss war nur ein letzter Juror noch nicht umgestimmt:

Juror 8: Sie sind allein.
Letzter: Ist mir egal, ob ich allein bin oder nicht. Es ist mein Recht.
Juror 8: Ja, es ist Ihr Recht.
Letzter: Nun, was wollen Sie? Ich sage er ist schuldig.
Juror 8: Wir wollen Ihre Argumente hören.
Letzter: Ich habe Ihnen meine Argumente gesagt.
Juror 8: Sie haben uns nicht überzeugt. Wir wollen die Argumente nochmals hören. Wir haben so viel Zeit, wie es braucht.
Letzter: Alles - jedes einzelne Ding, was in diesem Gerichtssaal passiert ist - ich meine alles - sagt, dass er schuldig ist …

Und dann führt der letzte Juror nochmals seine ganze Argumentation auf, bis er schlussendlich einsieht, dass seine Argumente nicht schlüssig sind und er plädiert (ohne dass jemand noch etwas dazu sagt!) für nicht schuldig.

Meine Einsicht: Ich kann mich an einige Diskussionen erinnern, als ich versucht habe jemanden zu “indoktrinieren”. Diese Versuche waren allesamt erfolglos. Ich werde mich in Zukunft stets davor hüten jemanden unter Druck zur Aufgabe zu zwingen und stattdessen die Diskussion beenden mit “was denkst denn Du?” und den Anderen nach Hause lassen. Viel überzeugender als energische Diskussionen sind Einsichten, welche ohne Druck im stillen Kämmerchen passieren.

Einsicht 4: Auf persönliche Angriffe gar nicht erst eingehen

Zwei spielen aus Rebellion "Tic Tac Toe"

Um zu zeigen, dass sie die ewigen Diskussionen satthaben, beginnen zwei Tic Tac Toe zu spielen. Diesen Affront kontert Juror 8, indem er ihnen das Papier wegreisst und zerknüllt:

Juror 8: Das ist kein Spiel.
Anderer Juror: Haben Sie ihn gesehen? Eine Frechheit, eine absolute Frechheit.
Jemand anderes: Vergessen Sie es. Es ist nicht wichtig.
Anderer Juror: “Das ist kein Spiel?”
Jemand anderes: Beruhigen Sie sich.
Anderer Juror: Wer denkt er, wer er ist?
Jemand anderes: Ich sage ihnen, vergessen Sie es.
Juror 8: Hat jemand eine Idee wie lange ein “el train” hat, um einen gewissen Punkt zu passieren? …

Und dann ging es weiter in der sachlichen Diskussion. Juror 8 ist einfach nicht darauf eingegangen.

Meine Erfahrung: Wenn dem Gegenüber die Argumente ausgehen, wird gerne “auf den Mensch” geschossen: “Was bist Du für einer?” “Ihr Christen seid ja immer..”, etc. Dann bin ich versucht, mich selber zu verteidigen und vergesse dabei, dass es um die Sache geht. Dem Juror 8 ist dies gut gelungen: Ausser einem Mal hat er nie auf den Menschen gespielt, sondern blieb immer sachlich. 2. Kor 4:5 beschreibt dies sehr gut: “Denn wir verkündigen nicht uns selbst, sondern Christus Jesus, dass er der Herr ist, uns selbst aber als eure Knechte um Jesu willen.”

Dies fordert mich sehr heraus, denn dies braucht eine rechte Portion Demut und ein Erfülltsein von Gott.

Einsicht 5: Ich muss nicht alle Argumente kennen

»So hält man ein Messer« - der eine Juror kennt sich mit Klappmessern aus

Juror 8 bringt selber nicht viele Argumente. Die meisten kommen von denen, die er überzeugen konnte. Das alles entscheidende letzte Argument kam nicht von ihm. Oder auch wie man mit Klappmessern umgeht, da half ihm ein anderer Juror:

Anderer Juror: Einen Moment, können Sie mir das geben?
Juror 8 gibt ihm das Klappmesser.
Anderer Juror: Junge, wie ich diese Dinger hasse. Haben Sie jemals einen Messerkampf gesehen?
Andere murmeln.
Anderer Juror: Ich schon, bei meinem Hintereingang, über der Strasse, im Hinterhof. […]
Juror 8: Wie nutzt man ein Klappmesser?
Anderer Juror: Nun, nicht so [wie der andere Juror vorher behauptet hat]. Man braucht zu viel Zeit um die Hand zu wechseln. So nutzt man es …

Und danach überzeugt der andere Juror als “Klappmesser-Spezialist” die übrigen, dass ihre Vorstellung vom Mord gar nicht der Normalität entspreche.

Oft habe ich in einer Diskussion nicht das richtige Argument zur Hand. Meine Einsicht: Da es nicht um mich geht, ist dies nicht schlimm. Falls das Gegenüber an der Diskussion interessiert ist, kann ich ihm einen Tag später einen Link zu einem Artikel zukommen lassen. Er wird sich sowieso viel eher von Spezialisten überzeugen lassen als von einem “Alleswisser”.

Und ihr?

Unter dem Strich kann ich “12 Angry Men” sehr empfehlen. Der Film befindet sich z. B. auf Youtube hier.

Was hilft Euch beim Diskutieren mit Andersgläubigen?

Ben und ich haben die Gute Nachricht Bibel einem intensiven Test unterzogen

Wenn es Bibel-Übersetzungen wagen die antiquirten Luther-Wendungen über Bord zu werfen freue ich mich. Zusammen mit dem Bibel-Übersetzer Benjamin Misja haben wir hier eine Review der Guten Nachricht Bibel (GNB) gemacht. Und dabei wird sichtbar, dass es der GNB gelingt einige Luther-Phrasen abzustreifen. Hier zwei Beispiele:

Gelungene Abwechslung zu “siehe” und “wahrlich”

Das Wort “ἰδού” (Luther: ‘siehe’) ist ein häufiges Wort. Im ganzen Neuen Testament kommt es 187 Mal vor. Manchmal ist jedoch “siehe” nicht sehr treffend, z. B. in Mk 10,28: “Da fing Petrus an und sagte zu ihm: Siehe, wir haben alles verlassen und sind dir nachgefolgt”. Das deutsche Wort “siehe” deutet an, dass etwas mit den Augen wahrnehmbar ist. Die Bedeutung im Griechischen ist jedoch allgemeiner: Es hat die Funktion, die Aufmerksamkeit auf das Folgende zu lenken. Diese Funktion kann man nicht mit dem deutschen “siehe”, sondern nur mit einer sinngemäßen Wiedergabe erreichen

Ebenso häufig ist das “ἀμήν” (Luther: ‘wahrlich’). Aus dem zeitgenössischen Judentum wie aus dem frühen Christentum ist es als liturgische Bekräftigungsformel bekannt. Da wurde es allerdings immer am Ende der fraglichen Aussage benutzt – ähnlich wie wir ja auch heute beim Beten “Amen” sagen. […] Luthers Übersetzung ‘wahrlich’ folgen bis heute die meisten deutschen Übersetzungen. Die Übersetzung der Guten Nachricht: “Ich versichere Euch” ist für den heutigen Leser verständlicher.

Was bedeutet “Reich Gottes”?

Die Begriffe “Reich Gottes” und “Himmelreich” sind nicht einfach zu verstehen. Viele nehmen zu Anfang ihres Bibelstudiums an, dass damit der Himmel als etwas Zukünftiges oder Jenseitiges gemeint ist. Das macht aber an einigen Stellen keinen Sinn wie bei Mk 1,15 “die Zeit ist erfüllt und das Himmelreich ist herbeigekommen”.

Das “Reich Gottes” ist ein ziemlich kompliziertes Konzept, das auch heute noch beforscht wird. Luther, Menge, Schlachter, die Zürcher, Einheitsübersetzung, auch die NGÜ übersetzen diese Wendung stets mit “Reich Gottes”. Die Gute Nachricht nimmt die Herausforderung an, lässt die bisherigen Erkenntnisse einfließen und schält die wahrscheinlichste Bedeutung heraus. Unsre Analyse des Matthäusevangeliums hat ergeben, dass die GNB vier verschiedene Übersetzungen wählt und je nach Kontext einsetzt, wo Luther “Himmelreich” hat. […]

Die meisten Christen wissen, dass Jesus oft vom “Reich Gottes” sprach. Aber was er damit genau meinte, das wissen wir nicht so genau. Die Beispiele in der Tabelle zeigen, dass es der Guten Nachricht gelingt, dem Leser die vermutete Bedeutung zu kommunizieren.

Der ganze Beitrag ist hier erschienen.

«Es ging darum, den ersten kühnen Wurf zu bändigen» - Dr. Rolf Schäfer

Als ich mich mit der Geschichte der Guten Nachricht Bibel befasste, merkte ich bald, dass diese so einzigartig ist, dass nur ein “Insider” die Geschichte richtig aufrollen kann. Und so schrieb ich die Deutsche Bibelgesellschaft an und konnte Dr. Rolf Schäfer für ein Telefoninterview gewinnen.

Das Interview ist nun als Teil 3 auf dem Logos-Blog erschienen. Hier ein Ausschnitt davon:

Wie ging die Revision von 1997 vor sich?

Dr. Rolf Schäfer:
Jeder von uns hat eine bestimmte Portion des Textes durchgearbeitet – anhand des hebräischen und griechischen Textes und der maßgeblichen neuen Kommentare – und alle Stellen notiert, welche exegetisch oder philologisch problematisch schienen. Man hat damals auf Papier gearbeitet: Die linke Hälfte war mit dem Bibeltext bedruckt und in der rechten Hälfte hat man die Notizen gemacht, und hier und da musste man ein oder zwei Beiblätter einfügen, weil es einfach zu viele Anmerkungen gab.

Der ganze Beitrag ist hier erschienen.

Die erste Übersetzung der Guten Nachricht Bibel

Im Teil 2 der vierteiligen Serie über die Gute Nachricht Bibel habe ich über deren Geschichte geschrieben. Der Blogpost war sehr aufwändig, da ich ca. 30 verschiedene Quellen anzapfen musste. Doch das Ergebnis hat sich gelohnt. Ein kleiner Ausschnitt:

[Hans-Ulrich Nübel] beauftragte drei Journalisten (!), die “Good News Bible” aus dem Englischen (!) ins Deutsche zu übersetzen. Die Journalisten kamen aus dem kirchlichen Umfeld, hatten aber recht extravagante Ansichten. Einer glaubte, dass Jesus ein gescheiterter politischer Aufständischer war, und schrieb sogar ein Buch darüber. Eine empfiehlt eine Mischung zwischen Christentum und Humanismus. Wichtiger als eine orthodoxe Lehrmeinung war Nübel, dass sie guten, flüssigen Text schreiben konnten, und das ist ja, was Journalisten von Berufs wegen am besten können.

Der so entstandene Text wurde anschließend von einigen Theologen mit dem griechischen Urtext abgeglichen. Nur anderthalb Jahre nach der “Good News Bible” erschien schließlich die “Gute Nachricht Bibel”.

Man sollte bedenken: Es war das erste Mal, dass im deutschen Sprachraum eine kommunikative Übersetzung auf den Markt kam. Zudem war allen Beteiligten bewusst, dass die gewählte Übersetzungsmethode recht gewagt war. Darum fragte man die Leser in der Einleitung nach Rückmeldungen:

Der ganze Beitrag ist hier erschienen.

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