Über das öffentliche Gebet

Gestern war in der Schweiz “Eidgenössischer Dank-, Buss- und Bet-Tag”. Das ist einer der jährlichen Feiertage, den ich jeweils an mir vorbeirauschen liess und abtat als eine der Traditionen, die man halt so macht, ohne dass jemand weiss, wozu. Dann nahm es mich doch wunder.

Gemäss Wikipedia entstand der Bettag während dem Dreissigjährigen Krieg (Katholiken vs. Protestanten). Im Kanton St. Gallen wurde erstmals ein Buss- und Bettag durchgeführt nach mehreren Seuchenepidemien.

Ich stelle mir vor, wie die St. Galler von Seuchen heimgesucht werden. Familienangehörige sind krank. Niemand weiss, woher die Seuche kommt und wie man sich verhält, damit man sie nicht kriegt. Der Gottesdienst wird weniger besucht. Die Parallele zur jetzigen Epidemie ist frappierend.

Wieso schlägt niemand vor, zusammen zu beten? Wieso wurde der diesjährige Buss- und Bettag nicht mit Hingabe durchgeführt? Wieso blieb es eine Randnotiz im Gottesdienst? Weil das Beten für Gesundheit während einer Epidemie extrem rückständig klingt. Sogar für Christen: “Wir wissen doch jetzt mittlerweile, dass Gott sich um unser seelisches Heil kümmert und die Medizin um unser körperliches”.

Zur Verbannung von Gebet aus dem öffentlichen Leben gibt es eine anschauliche Geschichte aus Paul E. Millers Buch “A Praying Life”:

Für ihr naturwissenschaftliches Projekt in der siebten Klasse beschloss unsere jüngste Tochter Emily, den Bakteriengehalt am Ufer eines örtlichen Baches zu messen. Ich führte das Projekt mit ihr durch: Wir wateten in den Bach, entnahmen eine Wasserprobe und untersuchten sie sorgfältig. Wir waren beide nervös, weil wir die genauen Schritte unseres kleinen Bakterientest-Kits nicht befolgen konnten, also beteten wir, bevor wir anfingen.

Danach, als sie das Experiment durchgeführt hatten, mussten sie im Logbuch aufschreiben, wie sie vorgegangen waren:

Emily fragte mich, was wir zuerst getan hätten, und ich sagte ihr, dass wir gebetet hätten.
Sie sagte: “Das kann ich nicht schreiben.” “Warum nicht? Wir haben gebetet.” “So funktioniert das nicht, Dad. Sie wollen nicht, dass wir das sagen.”

Obwohl Emily in einer von Christen durchtränkten Umgebung aufwuchs, merkte sie irgendwie, dass man bei öffentlichen Dingen Gott aussen vor lässt.

Dazu schreibt Miller:

Die westliche Kultur … ist die öffentlich atheistischste Kultur, die es je gegeben hat. Unter den Tausenden von Kulturen in der Geschichte der Menschheit ist unsere Kultur die einzige, in der es keine regelmässige öffentliche Anerkennung einer spirituellen Welt gibt. In Anbetracht der gesamten Menschheitsgeschichte ist unsere Kultur seltsam.

N. T. Wright … schrieb über die antike Welt: “Die Religion war eng mit dem gesamten sozialen Gefüge der Welt verwoben, wie dies zu fast allen Zeiten und an fast allen Orten der Menschheitsgeschichte der Fall war, wobei nur die letzten beiden Jahrhunderte in bestimmten Teilen der westlichen Welt eine Ausnahme bilden.” Rein vom anthropologischen Standpunkt aus betrachtet, ist es merkwürdig, dass unsere Nachrichtensprecher die Nachrichten nicht mit einem Gebet eröffnen.

Diese Veränderung, schreibt Miller weiter, kam durch die Aufklärung, welche die Welt in eine Welt der Fakten und eine Welt der Gefühle aufteilte und das Gebet nur noch in der Welt der Gefühle akzeptiert wird.

Ist denn auch dasselbe mit dem eidgenössischen Bettag passiert? Absolut! Auf Wikipedia steht lapidar:

Während der Aufklärung trat die Bedeutung dieser Bettage zurück.

Emilys Satz “Sie wollen nicht, dass wir das sagen”, kann ich als Kind der Aufklärung total nachvollziehen. Schaue ich ins Neue Testament, dann finde ich aber ein ganz anderes Bild. Da war Jesus sehr wohl der Arzt, der nicht nur die Seele errettet, sondern auch der, welche die Krankheiten heilt. Da ist es nicht so kompliziert, wie wir uns das vorstellen.

Älterer Beitrag: Lesenswichtig 19. September

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