Ich finde es anstrengend, Teil einer christlichen Gemeinde zu sein. Es gibt immer Probleme. Das Problem ist nicht die Gemeinde, in der wir jetzt sind. Wir waren davor schon in zwei anderen. Das Problem ist, dass ich mich mit anderen Menschen herumschlagen muss, die anders sind als ich. Die nerven. Die mich nicht verstehen und ich sie auch nicht. Ich übertreibe natürlich. Aber nur ein bisschen. Denn eigentlich fände ich es einfacher, nicht zu einer Gemeinde zu gehören. Und damit merke ich, dass mich der westliche Individualismus »lebe dein eigenes Leben!« voll erfasst hat.
Dies ist Teil 2 der Reihe über Rick Warrens Buch “The Purpose Driven Life”.
Hier gehts zur Rezension des Buches.
Heute aus dem Tag 17: “A place to belong”
Input Rick Warren:
C. S. Lewis bemerkte, dass das Wort “Mitgliedschaft” christlichen Ursprung hat, aber die Welt hat es von seiner ursprünglichen Bedeutung entfremdet. Geschäfte bieten “Mitgliedern” Rabatte an. In Kirchen wird die Mitgliedschaft oft darauf reduziert, dass man einfach seinen Namen in eine Liste einträgt, ohne jegliche Anforderungen oder Erwartungen.
Paulus verwendete das Wort “Mitglied” ganz anders. Für ihn war es ein lebenswichtiges Glied im Körper. Im Römer 12,4-5 heisst es, paraphrasiert (hier aus “The Message” auf Deutsch übersetzt, als Vergleich siehe Schlachter-Übersetzung):
Jeder Teil erhält seine Bedeutung vom Körper als Ganzem, nicht umgekehrt. Der Leib, von dem wir sprechen, ist der Körper von Jesus, der aus auserwählten Menschen besteht. Jeder von uns findet seine Bedeutung und Funktion als Teil dieses Leibes. Aber als abgehackter Finger oder abgeschnittener Zeh hätten wir keine Bedeutung, oder?
Wenn ein Organ vom Körper getrennt ist, wird es schrumpfen und absterben. Es ist unfähig, für sich selber zu überleben, und ebenso geht es dir. Die Zugehörigkeit zur Familie Gottes ist weder belanglos noch etwas, das man beiläufig ignorieren sollte. Die Gemeinde ist Gottes Plan für die Welt.
Über fünfzig Mal wird im Neuen Testament der Ausdruck “einander” verwendet. Uns wird geboten, einander zu lieben, füreinander zu beten, einander zu ermutigen, einander zu ermahnen, einander zu grüssen, einander zu dienen, einander zu lehren, einander anzunehmen, einander zu ehren, die Lasten des anderen zu tragen, einander zu vergeben, sich einander unterzuordnen etc. Das ist biblische Mitgliedschaft! Dies sind deine “familiären Pflichten”.
Es ist natürlich einfacher, heilig zu sein, wenn niemand in der Nähe ist, der meine Vorhaben durchkreuzt, der andere Lebensprioritäten hat, eine andere Meinung als ich. Aber das ist eine falsche, unerprobte Heiligkeit. Isolation erzeugt Täuschung: Wir können uns leicht vorzumachen, dass wir reif sind, wenn es niemanden gibt, der uns herausfordert. Echte Reife zeigt sich in Beziehungen.
Philipps Gedanken dazu:
Mit meiner Tochter mache ich gerne Witze. Eine Art unserer Witze geht so:
Eine Hand marschiert durch die Wüste. Dann trifft sie auf ein Auge. Das Auge fragt sie: »Hast du unterwegs jemanden gesehen?«.
Wir haben uns immer köstlich amüsiert, weil herumlaufende Körperteile so absurd, so sinnlos sind. Es wäre mir aber nie in den Sinn gekommen, dies auf mich und die Gemeinde zu übertragen, obwohl ich natürlich 1. Korinther 12 duzende Male gelesen habe.
Die Vorstellung, dass ich ein Körperteil bin, das seiner Bestimmung erst als Teil einer Gemeinde nachkommen kann, stellt ehrlich gesagt grosse Teile meines Weltbilds auf den Kopf. Dieser Teil war für mich der herausforderndste Teil aus Rick Warrens Buch. Nicht, dass ich nicht gerne Teil der Gemeinde bin. Ich gehe gerne in den Gottesdienst und bin Teil eines Worship-Teams. Aber dass meine Lebensaufgabe nur dann zu verstehen ist, wenn ich als Organ als Teil eines Körpers handle, das ist dann doch noch was ganz anderes.
Was mir beim Lesen von 1. Korinther 12 ausserdem aufgefallen ist:
Vers 12 beginnt folgendermassen:
Denn gleichwie der Leib einer ist und doch viele Glieder hat, alle Glieder des einen Leibes aber, obwohl es viele sind, als Leib eins sind, so auch…
Weisst du, wie der Vers weitergeht?
Ich hätte gesagt “so auch die Gemeinde”. Doch der Vers endet mit “so auch Christus”. Ich dachte immer, dass Jesus bloss der Kopf der Gemeinde ist, aber hier steht, dass Christus die Gemeinde ist. Ich will nun keine Abhandlung über Transsubstantiation halten, doch in einem Sinn scheint Jesus wirklich dasselbe wie die Gemeinde zu sein, wie es dann auch in Vers 27 heisst: »Ihr aber seid [der] Leib des Christus, und jeder ist ein Glied [daran] nach seinem Teil.«.
Also ist die Gemeinde nicht nur der Ort, wo ich meine wahre Bestimmung finde, sondern auch der Ort, wo ich Jesus besser kennenlernen kann. Verbringe ich Zeit mit meinen christlichen Geschwistern, dann kann ich Jesus nahe sein. Gebet und Bibellesen genügen nicht. Ohne Gemeinde werde ich Jesus nie wirklich kennenlernen.
Ist das bei allen Zusammenkünften so? Ich glaube, nur, wenn ich im anderen Jesus sehe. Wenn der andere sich durch den Heiligen Geist zu einer Jesus-ähnlichen Person verändern lässt. Erst durch diese vom Heiligen Geist gewirkte Verbindung kann ich, sozusagen “von Organ zu Organ”, Teil des Leibes von Jesus sein, und so kommt seine Gestalt zum Vorschein.