Philipp ringt: über den Zustand des Christentums im Westen

Richard Wurmbrand war ein Missionar in Russland zur Zeit der schweren Christenverfolgung. Er hat für seinen Glauben in Gefängnissen gelitten. Lieber wollte er für Jesus leiden, als seinen Mund zu halten und ein angepasstes Christentum zu leben.

Als er nach vielen Jahren freikam und Christen in Europa besuchte, erwartete er Gemeinden, die florieren, denn ohne Verfolgung würden sie gutes Wachstum erleben. Weit gefehlt. Stattdessen traf er auf schwache Gemeinden. Er sehnte sich zu seiner verfolgten Gemeinde in Russland zurück:

Ich leide im Westen mehr, als ich in kommunistischen Ländern gelitten habe. Mein Leiden besteht vor allem in der Sehnsucht nach der unaussprechlichen Schönheit der unterdrückten Kirche. (aus: Gefoltert für Christus)

Wurmbrand war nicht der Einzige, der so denkt. Ähnliches (und um einiges bissiger) las ich in Brother Yuns The Heavenly Man.

Ein weiteres Beispiel: Letztes Jahr, in einem Treffen der Missionsgesellschaft WEC berichtete jemand, dass er unter den Missionaren in Afrika und Asien eine nicht repräsentative Umfrage gemacht hat, welche Länder am meisten das Evangelium bräuchten. Die erwartete, richtige Antwort: die unerreichten Völker. Die tatsächliche Antwort: Europa und Amerika, denn ihr Glaube sei lau und weltlich geworden.

Ist das nicht spannend? Das gleiche Christentum aus der gleichen Bibel gedeiht im einen Kontinent und im anderen stagniert es. Woher kommt das?

Das Gleichnis von den vier Böden in Matthäus 13 bietet eine exzellente Erklärung:

Beim ersten Boden kann das Evangelium keinen Fuss fassen, wird nicht gehört oder sofort vergessen. Passiert überall, nicht nur in Europa. Beim zweiten Boden geht es um “Bedrängnis oder Verfolgung”: Bei uns in Europa nicht ein Problem aber in Asien und Afrika eine riesengrosse Sache: ein Konvertit in einem islamischen Land muss davon ausgehen, dass er von der Familie ausgestossen, verfolgt und eventuell getötet wird. Gehört er dem zweiten Boden an, hört sein Glaube in diesem Moment auf, oder wird zum verborgenen oder nominellen Glauben, der sich den Umständen anpasst. Gehört er dem vierten Boden an, bringt er viel Frucht.

Der dritte Boden nun beschreibt unser westliches Christentum:

Unter die Dornen gesät aber ist es bei dem, der das Wort hört, aber die Sorge dieser Weltzeit und der Betrug des Reichtums ersticken das Wort, und es wird unfruchtbar. (Mt 13,22)

Der Glaube geht zwar auf - es entsteht eine Pflanze - aber die Pflanze wächst unter Dornen! Sie erhält zu wenig Licht, zu wenig Nährstoffe aus dem Boden und bleibt klein, sie wirft keine Samen ab. Wieso? Weil der “Betrug des Reichtums” das Wachstum erstickt.

Nach der Stelle des reichen Jünglings, über die ich gestern geschrieben habe, hat mich diese Stelle über den dritten Boden lang beschäftigt (ich habe bereits vor 5 Jahren darüber geschrieben).

Ich merkte bei mir selber, dass das Evangelium bei mir nicht richtig gedieh. Damit bin ich nicht allein, in unseren Gemeinden merke ich die gleiche Lauheit. Der Reichtum betrügt uns. Betrug merkt man nicht. Man steckt drin und ist zufrieden obwohl der Gewinn ausbleibt.

Dem Betrug des Reichtums war ebenfalls die Gemeinde in Laodizea verfallen:

Denn du sprichst: Ich bin reich und habe Überfluss, und mir mangelt es an nichts! — und du erkennst nicht, dass du elend und erbärmlich bist, arm, blind und entblößt. (Off. 3,17)

Ich fragte mich, wie ich dem Betrug entgehen kann. Wie kann ich ihn aufdecken? Ist es in Europa überhaupt möglich? Falls ja, wieso sind in unseren Gemeinden so viele lau und gleichen eher dem dritten Boden als dem vierten?

Christentum muss in Europa möglich sein, doch es braucht eine radikalere Abkehr vom Reichtum, dem Besitz, der Bequemlichkeit. Dieses Ringen dauert schon ein paar Jahre an, und wir sind als Familie Schritte gegangen, von denen ich in weiteren Beiträgen erzählen werde.

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